Die Beschallung – also die Versorgung von Publikum und Musiker_innen mit gutem Sound – bildet einen wesentlichen Bereich der Tätigkeit von Tonmeister_innen und ist Teil des außergewöhnlich facettenreichen Tonmeister_innen-Studiums an der mdw. Seit der Übersiedelung ins neue Future Art Lab (FAL) am mdw-Campus bestand nun zum ersten Mal die Möglichkeit, Beschallungen im Rahmen des Unterrichts durchzuführen: Das Klangtheater im FAL bietet dazu ideale Voraussetzungen, die Ende September im Rahmen eines dreitägigen Workshops unter der Leitung von Beschallungskoryphäe Carsten Kümmel ausgiebig genutzt wurden. Knapp 30 der rund 60 Tonmeister-Studierenden konnten Hand anlegen und RONJA* mit ihrer Band beschallen. Der Workshop sollte den Anteil der Unterrichtspraxis im Tonmeister_innen-Studium in der neu geschaffenen Infrastruktur erhöhen. Er wurde von der Studierendenvertretung initiiert und vom Rektorat sowie dem betroffenen Lehrkörper großzügig unterstützt.
Ich wusste, dass hier das Endergebnis nicht wichtig ist und die Band nur für uns spielt. Deshalb hab ich Dinge ausprobiert, die ich mich live nicht getraut hätte. Manches hat funktioniert, manches nicht. – Super Erfahrung!
Georg Hühnerfuß
Beschallung, das ist die elektronische Verstärkung von Mikrofonen und Instrumenten über Lautsprecher für ein großes Publikum. Die mdw-Lehrenden Pauline Heister und Volker Werner konnten mit Carsten Kümmel einen renommierten und ungemein erfahrenen Live-Beschallungstonmeister für den Workshop gewinnen. Er gewährte tiefgehende Einblicke in sein Können, während die Studierenden selbst die Regler in die Hand nehmen konnten. Durch Vermittlung des Instituts für Popularmusik spielte RONJA* mit ihrer Band.
Doch auch hier geht es nicht ohne Theorie: So wurden am ersten Tag zunächst wesentliche theoretische Grundlagen besprochen, durchdacht und gemeinsam hinterfragt. Die Beschallungsanlage, dankenswerterweise kostenlos von d&b und der Wiener Verleihfirma Musik Paradies zur Verfügung gestellt, wurde nach raumakustischen Gesichtspunkten positioniert. Mehrere sogenannte Line Arrays (hängende Lautsprecher-Türme) wurden publikumssicher aufgehängt, durch akustische Messungen analysiert und dann klanglich auf den Raum eingestellt.
Der Workshop erlaubte Vergleiche, wie sie in der Praxis aus Zeit- und Kostengründen nur selten möglich sind: So wurden beispielsweise verschiedene Positionen und Kombinationen von Subwoofer-Aufbauten ausprobiert. Durch welche Einstellungen erreicht man einen möglichst gleichmäßigen Klangeindruck im gesamten Publikumsbereich? Nicht leicht zu bewerkstelligen, aber eine der wesentlichen Voraussetzungen für ein mitreißendes Konzerterlebnis. Auch für die Positionierung von Mikrofonen und Monitoren – das sind auf der Bühne platzierte Lautsprecher, über die die Bandmitglieder sich gegenseitig hören (sogenanntes Monitoring) – konnte viel Zeit in Anspruch genommen werden. Gerade das Monitoring ist eine anspruchsvolle und häufig unterschätzte Aufgabe: Hören sich die Musiker_innen nicht gut und fühlen sich bei der Performance unwohl, ist der Abend bereits gelaufen. Auch die Sicherheit aller auf der Bühne Beteiligten liegt in der direkten Verantwortung des Monitorings: Rückkopplungen zwischen Mikrofonen und Lautsprechern können schwerwiegende und teils irreversible Hörschäden verursachen.
Es war wirklich faszinierend, dass wir mit Hilfe eines erfahrenen Tonmeisters in sehr kurzer Zeit aus einem riesigen Spurendschungel einen wirklich guten Mix machen konnten. Auf dem Weg dorthin haben wir viele Kniffe gelernt.
Jonas Reiter
Der zweite Tag stand dann vollständig im Zeichen der systematischen Vorbereitung. In Kleingruppen unterteilt bekamen die Studierenden einen Einblick in die Vorbereitung für eine komplexe Beschallungsmischung: Eine essenziell wichtige Fähigkeit für die berufliche Zukunft, denn Zeit ist Geld und ein gut vorbereiteter und dadurch rascher Soundcheck schont die Nerven von Musiker_innen und Tonmeister_innen gleichermaßen. Den gesamten Tag konnten sich die Studierenden unter der Anleitung von Carsten Kümmel an der Mischung eines riesigen virtuellen Live-Konzertes versuchen.
Am dritten Tag hieß es schließlich: Showtime! Bereits am frühen Morgen wurde gehört, korrigiert und geschraubt, bis alles perfekt war. Pünktlich stand RONJA* mit ihrer Band spielbereit im Klangtheater und der Soundcheck für die Publikumsbeschallung am sogenannten Front of House (FOH) und für das Monitoring begann. Auch hier gab es Raum für unzählige Fragen und Versuche, für die in der Praxis häufig schlicht keine Zeit ist: Wie kommt man möglichst schnell zu solidem Klang, bei dem sich Publikum und Musiker_innen wohlfühlen? Wie kommuniziert der/die Monitor-Tonmeister_in während des Konzertverlaufs mit den Musiker_innen und reagiert auf mögliche Probleme? Wie weit greift ein_e Tonmeister_in gestalterisch in den Klang ein? Wie kann der/die Tonmeister_in durch die Mischung die Wahrnehmung des Publikums beeinflussend und die Performance der Musiker_innen unterstützen? Soll jeder Titel gleich laut sein? Dazu Carsten Kümmel: „Eine Ballade könnt ihr auch leise sein lassen, dann kommt das Publikum mal runter und wird ganz still und konzentriert. Und beim nächsten schnellen Titel macht ihr es dann wieder richtig laut – dann habt ihr das Publikum in der Hand!“
Die Band spielte professionell und ungemein geduldig für die Studierenden, präsentierte dabei Auszüge aus einem vielfältigen Set und wiederholte auch immer wieder unermüdlich denselben Titel, damit unterschiedliche Beschallungsansätze von den Studierenden ausprobiert werden konnten – im Tonmeister_innen-Alltag völlig undenkbar.
Und dann folgte Titel auf Titel, die Band empfang tosenden Applaus aller Anwesenden, während sich die Studierenden stundenlang an den Pulten abwechseln konnten. Ein voller Erfolg, eine wertvolle und berufsvorbereitende Erfahrung für die Studierenden und somit sicherlich ein Modellprojekt für weitere ähnliche Vorhaben an der mdw!
Ich fand es total spannend einmal mitzubekommen, was in so einem Tonmeister_innen-Kopf alles vorgeht. Bei Konzerten geht das alles ja immer so wahnsinnig zackig und schnell. Hier konnten wir sehen, wie viel Arbeit, Know-how und Können dahinterstecken und wie schwierig und individuell dieser Job, der leider oft viel zu wenig Anerkennung bekommt, tatsächlich ist.
RONJA*