„Externe Wissenschaftskommunikation“ meint die Sichtbarmachung und Vermittlung von Forschungsergebnissen, Protagonist_innen der Wissenschaft oder Forschungsbereichen für ein nicht-wissenschaftliches Publikum aller Altersstufen. Ziel ist, ganz allgemein gesprochen, Neugier für Themen und Disziplinen zu wecken sowie das Vertrauen in und das Bewusstsein für Forschung und deren Bedeutung in unserem Alltag zu fördern. Ob in Form von Erklärvideos, Podcasts, Blogs, Live-Auftritten in Schulen oder im Rahmen von Citizen-Science-Projekten, in denen Laien als Forschende in den Forschungsprozess integriert sind – die Formate scheinen heute auch dank Digitalisierung unbegrenzt. Trotz dieser Möglichkeiten lässt sich eine wachsende Wissenschaftsskepsis beobachten: Die vielzitierte Eurobarometer-Umfrage zum Thema Wissenschaft aus dem Jahr 2021 zeigt, dass das Vertrauen in das Potenzial von Forschung, Lösungen für die vielschichtigen Herausforderungen unserer Zeit zu finden, (nicht nur) in Österreich sehr gering ist.

Die wissenschaftsinterne Kommunikation in Form von Publikationen und Konferenzbeiträgen ist da nicht mehr genug, und gerade Nachwuchswissenschaftler_innen sind gefordert, ihre Themen auch einem nicht-wissenschaftlichen Publikum zu vermitteln. Fördergeber_innen hochdotierter, öffentlich finanzierter Forschungsprojekte setzen mittlerweile voraus, dass die Erkenntnisse daraus mit einer breiteren Öffentlichkeit geteilt werden. Und Universitäten widmen sich, neben Forschung und Lehre als Kernaufgaben, auch der sogenannten „Third Mission“, die beispielsweise ihr Wirken in die Gesellschaft meint. Gleichzeitig kämpfen Universitäten mit beschränkten Mitteln und solche „On-top-Aktivitäten“ können oft nicht innerhalb von Projekten finanziert und – häufig auch aus Zeitgründen – realisiert werden. Wissenschaftskommunikation wird so zu einer „Fleißaufgabe“ für Forschende.

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Ein Lichtblick sind aktuelle Bestrebungen, den Exzellenzbegriff zu überdenken, sodass zukünftig beispielsweise auch Aktivitäten, die ein nicht-wissenschaftliches Publikum einbeziehen, angemessen honoriert werden können.1 Es bestehen verschiedene Initiativen, Plattformen und Unterstützungsmöglichkeiten für Forschende2 und auch die mdw ist beispielsweise seit 2016 bei der Langen Nacht der Forschung vertreten. Ein deutlicher Schwerpunkt vieler „WissKomm“-Aktivitäten liegt bei naturwissenschaftlichen, Technik- oder Medizin-Themen, die sich möglicherweise einfacher, zum Beispiel mittels anschaulicher Experimente, demonstrieren lassen. Dabei bieten die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie die Künste mit ihren historischen, gesellschaftlichen und künstlerisch-kulturellen Themen Anknüpfungspunkte für ein breiteres, vor allem jüngeres Publikum. Populismus zu durchschauen, den „Geniebegriff“ kritisch zu untersuchen, Ungleichheiten und Klassismen zu reflektieren und Tradition, kulturelles Erbe sowie die Geschichte der eigenen Institution kritisch zu hinterfragen, sind Beispiele für Themen, die auch ein nicht-wissenschaftliches Publikum ansprechen könnten.

Die Möglichkeit, an der mdw Forschungsergebnisse in Verbindung mit Kunst bringen zu können, lockert die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte zunächst einmal auf. Ein Beispiel dafür ist die Salon-Performance Sundays at Salka’s, die unter der Leitung von Carola Bebermeier und Chanda VanderHart im Rahmen der Konferenz Music Across The Ocean im September 2022 stattfand. Sie zeigte das Wirken von Salka Viertel, die aus der heutigen Ukraine stammte und ab den 1930er-Jahren bis in die 1950er-Jahre in Los Angeles einen Salon betrieb, der Migrant_innen aus Europa aufnahm und mit Hollywood vernetzte. Selbst Schauspielerin und in Hollywood erfolgreiche Drehbuchautorin, bot sie mit ihrem Salon einen „haven for the homeless“, einen Ort der Geselligkeit für Künstler_innen und Intellektuelle im Exil. Als „Steigbügelhalterin“ half sie vielen, im amerikanischen Exil anzukommen. Sie verkörpert damit beispielhaft jene Situation, in der viele Frauen in der Musik standen: Selbst im Exil und künstlerisch tätig, war sie auch Netzwerkerin für andere Künstler_innen und haderte in ihren Briefen mit ihrer Situation: „(…) ich möchte bevor ich alt werde spielen. Noch einmal im Leben etwas Richtiges spielen. Und so wie noch nie. (…) Aber es müsste sich jemand für mich einsetzen – etwas tun. Es wird schon alles im Sand verlaufen.“3

Salon performance “Sundays at Salka’s” im Schlosstheater Schönbrunn © PANFILI

Mit welcher Rolle Frauen letztlich Eingang in die Geschichtsschreibung finden (oder nicht), trägt maßgeblich zur Sichtbarkeit von Frauen und ihre gestaltende Wirkung bei. Deren künstlerische Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen und sicht- bzw. hörbar zu machen, ist das Ziel einiger Projekte an der mdw.4 Es wäre von großer Wichtigkeit, so Chanda VanderHart, dass diese „Schätze“ in Form von Noten, Dokumenten und Lebensgeschichten gehoben und für ein breiteres Publikum zugänglich gemacht würden. Die szenische Umsetzung berge zusätzliche Lerndimensionen für alle Beteiligten: Manche Erkenntnisse seien ohne die Inszenierung nicht zustande gekommen, weil es einen anderen Blickwinkel, die tatsächliche Umsetzung in die Praxis brauche, um vielleicht bisher Übersehenes zu erfahren, so Carola Bebermeier. Der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven wird damit zu einer Bereicherung für die Forschung.

Vorbehalte gegenüber unterhaltenden Formaten sind verständlich, jedoch nicht notwendig, darin stimmen wir drei in unserem Gespräch einige Wochen nach der Veranstaltung überein: Anders als ein moralisierender, erhobener Zeigefinger fördern sie ein positives und damit nachhaltigeres Lernerlebnis. So wird aus einem unterhaltsamen Abend ein Empowerment zur kritischen Selbstreflexion, indem durch die künstlerische Umsetzung beispielsweise auch emotionale Deutungsebenen eröffnet werden. Kein Zweifel, es ist eine Frage der beteiligten Persönlichkeit(en) sowie des Themas und der Disziplin, welches Format als authentisch erlebt wird. Nicht weniger wichtig ist jedoch die Zielgruppe, die erreicht werden soll. Essenziell dabei ist eine Kommunikation auf Augenhöhe. Es gilt, die eigene Sprache zu reflektieren ebenso wie die Orte, an denen ich mein Publikum erreichen möchte: Weiß meine Zielgruppe beispielsweise, dass Universitäten öffentliche Gebäude sind, die jede_r betreten darf?

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Gerade in Zeiten wachsenden Populismus und größer werdender Wissenschaftsskepsis sollten Forschende wie auch Forschungsinstitutionen das Diskussionsfeld nicht jenen überlassen, die am „lautesten“ sind und fragwürdigen Ideologien oder Zielen folgen, sondern ein Gegengewicht zu pseudowissenschaftlichen Strömungen bilden, die vor allem via Social Media bei jüngeren Menschen Verbreitung finden. Frei nach dem Motto „Sharing is Caring“ kann die Forschung an der mdw durch künstlerische Wissenschaftskommunikationsformate an Sichtbarkeit gewinnen und dabei neue Perspektiven öffnen.

Dieser Beitrag ist eine gekürzte und überarbeitete Version der Reportage Sharing is Caring. Warum die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften die Bühnen nicht anderen überlassen sollten. Die Vollversion kann hier gelesen werden.

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