Das Exil ist kein Ort, sondern ein Zustand. Es bedeutet gleichermaßen Zuflucht und Verbannung. Man flüchtet, weil man muss. Nicht, weil man will. Wer im Exil leben muss, der tut das unfreiwillig. Man findet sich wieder in einer fremden Umgebung. Es ist die absolute Abwesenheit von allem, was vertraut ist. Ein neues Leben, das man so nicht geplant hat.
In der Kunst wird das Exil oft romantisiert. Zu Unrecht. In der Ferne wurden große Romane geschrieben, Symphonien komponiert – unsterbliche Werke, die allzu oft damit assoziiert werden, dass die Extremsituation, in der sich Exilant_innen befinden, zu außergewöhnlichen künstlerischen Leistungen führen. Wie Menschen im Exil ihren Alltag meistern, wie sie mit dem Gefühl des ständigen Heimwehs leben lernen müssen, wie isoliert sie sich manchmal fühlen, das wird meist nicht erwähnt. Wenn man die Biografien von Exilant_innen liest, sieht man schnell, wie sehr sie unter ihren Lebensumständen litten. Wie viele von ihnen gerne zurückgegangen wären. Dorthin, wo die Menschen zurückgeblieben waren, die sie liebten. Dorthin, wo sie ihre Wurzeln verorteten. Dorthin, wo die Stätten ihrer Kindheit lagen.
In der immer komplexer werdenden Gegenwart ist aktuell eine Entwicklung zu beobachten, die gefährlich ist. Künstler_innen und Intellektuelle nehmen sich aus den Debatten und ziehen sich zurück. Ins innere Exil. Das ist für den Diskurs und für das gesellschaftliche Klima verheerend. Denn dieser Rückzug ist keiner, der von einem repressiven Regime erzwungen wird. Er ist die Reaktion auf eine immer aggressiver werdende öffentliche Debatte, die zunehmend verroht und Angriffe auf Einzelne, die sich zu Wort melden, nicht kollektiv verurteilt. Weil damit politisches Kleingeld gemacht wird. Weil man dem Phänomen der Hassrede wie gelähmt gegenübersteht. Es liegt an jeder und jedem Einzelnen, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Bevor es zu spät ist und sich die Demokratie im Exil befindet.