Ein Bericht von der isaScience Konferenz 2023
Wie schafft Sound Gemeinschaft? Und wie gestalten sich solche „Sonic Ties“? Welche unterschiedlichen Formen und Dimensionen der klanglichen Teilhabe gibt es und inwieweit sind sie von lokalen oder globalisierten Erfahrungen bestimmt? Unter dem Titel Sonic Ties: Rethinking Communities and Collectives ging die isaScience Konferenz in diesem Jahr mit ihrem breiten interdisziplinären Programm diesen und vielen verwandten Fragen nach. Mit Blick auf Gemeinschaften und Kollektive – von sozialen Bewegungen zu Künstler_innengruppen, von ethnischen Gemeinschaften zu nicht-menschlichen „Sonic Ties“ – untersuchte die isaScience 2023 dabei insbesondere die Verflechtungen von Klang und Machtstrukturen in Sound, Musik und darstellender Kunst.
Zahlreiche Beiträge beschäftigten sich mit der Funktion von Klang im Zusammenhang mit Aktivismus und Protest, etwa die Keynote Lectures Histories of Workers’ Songs: Between Communities and Representations von Srđan Atanasovski und Musical Leisure: Sonic Ties against Commodification and Exploitative Forms of Lives von Ana Hofman. Vorträge von unter anderen Andrea Liu, Carolin Müller oder Masimba Hwati erweiterten diesen Themenblock um vielfältige internationale Perspektiven von der Occupy-Wall Street-Bewegung, über Demonstrationen der Rechten und Linken in Dresden 2020 bis hin zu den Zhii-Aufständen 1960 gegen das Kolonialregime in Simbabwe. Auch den (identitäts)politischen Implikationen von Pop- und Rockmusik widmeten sich einige der Vortragenden. In seiner Keynote Lecture Listening to Dolly Parton’s Elusive Race Politics analysierte Sumanth Gopinath etwa per Close Reading die bekanntesten Songs der amerikanischen Country-Ikone. Weitere Beiträge von Archita Arun, Sophie Zehetmayer und Zu Lingshan untersuchten so diverse Musik wie die R’n’B-Songs der schweizer-tamilischen Rapperin Priya Ragu, den experimentellen Pop der schottischen Sängerin Sophie sowie chinesisch-mongolische Rockformationen.
Wie Gemeinschaft über das Menschliche hinaus verstanden werden kann – indem etwa planetare Ökologie oder religiöse Praktiken wie Voodoo einbezogen werden – demonstrierten die Keynote Lecture Listening to the Sonic Sea: Creating Ties in Time of Change von Alexandrine Boudreault-Fournier ebenso wie Performance Lectures und künstlerische Beiträge von Collin Edouard, Serena Lee oder Luca Soudant. Mit den Listening Sessions der britischen Künstlerin Michelle Atherton unter dem Titel Listening to the Soil konnten Teilnehmer_innen interaktiv in den Klang der umliegenden Natur eintauchen – im hohen Gras am Ufer des Gebirgsbachs Schwarza mittels Kontaktmikrophon und Kopfhörern. Der Critical Lecture Walk durch Reichenau von Juri Giannini bot historische Einblicke sowohl in die regionale Musik als auch in die Landschaft und den Ort Reichenau. Der Frage, inwiefern Musik und Sound Räume schaffen und formen, gingen auch Katherine Griffiths, Thalia Raftopoulou und Gui Ren in ihren Beiträgen nach und nahmen das Publikum mit auf eine Reise durch die lesbische Londoner Clubszene der 1980er, die Soundscapes Athener Wohnhäuser und den großstädtischen Klangteppich von Hongkong.
Passend zu zehn Jahre isaScience widmete sich die diesjährige Konferenz Fragen des Zusammenseins schließlich auch mit einem Blick nach innen, auf die eigene Geschichte. In der abschließenden Roundtable-Diskussion berichteten die Gründerinnen Ursula Hemetek und Cornelia Szabó-Knotik über die Anfänge der isaScience und hinterfragten im Gespräch mit Marko Kölbl und Therese Kaufmann in einer regen Diskussion mit Teilnehmer_innen die Potenziale einer solchen interdisziplinären Konferenz. Beim gemeinsamen Abschiedsessen im Looshaus am Kreuzberg konnte der Blick so gleich doppelt in die Ferne schweifen: über die Berglandschaft von Rax und Semmering ebenso wie in eine fruchtbare Zukunft der isaScience.
Keynotes und weitere ausgewählte Beiträge können im mdw Repository nachgesehen werden.