Eine Buchreihe der Medien- und Filmwissenschaft an der Filmakademie Wien
Barbara Albert, seit 2023 Professorin für Regie an der Filmakademie Wien, schuf mit ihrem Langfilmdebüt Nordrand (1999) einen der erfolgreichsten österreichischen Autorenfilme des ausgehenden Jahrtausends, der stilprägend für eine ganze Generation werden sollte und weit über die heimischen Grenzen hinaus Anerkennung fand. Jessica Hausner, die mit Barbara Albert in den 1990er-Jahren an der Filmakademie Wien studierte, trieb den Umbruch im österreichischen Kino, den sie und ihre Kommiliton_innen ausgelöst hatten, mit ihrem unermüdlichen Erfindungsreichtum und ihrer Freude an provokanten Erzählungen voran und feiert mit ihren Filmen in den Wettbewerben internationaler Filmfestivals große Erfolge. Karina Ressler ist eine der wichtigsten Filmeditor_innen Österreichs, die nach ihrem Studium an der Filmakademie Wien mit so unterschiedlichen Filmemacher_innen wie Barbara Albert, Jessica Hausner, Götz Spielmann und Patrick Chiha zusammengearbeitet hat. Bis heute begreift sie das Filmemachen als kritische Befragung gesellschaftlicher Verhältnisse und setzt sich praktisch und theoretisch mit den Möglichkeiten des Mediums Film auseinander.
Diesen Protagonistinnen des österreichischen Kinos sind die ersten drei Bände der Buchreihe Aus der Werkstatt gewidmet, die auf einem Oral-History-Projekt der Medien- und Filmwissenschaft an der Filmakademie Wien beruht. In umfassenden Werkstattgesprächen diskutieren die Filmemacher_innen darin ihr künstlerisches Schaffen und geben Einblick in ihr filmisches Denken und ihre Arbeitsmethoden.
Inspiriert von einem Forschungsprojekt der Filmschule La Fémis in Paris orientiert sich das Oral-History-Projekt an der Tradition produktiver Selbstreflexionen von Filmemacher_innen, für die das Gespräch François Truffauts mit Alfred Hitchcock prototypisch ist. Das Projekt der Filmakademie Wien geht einen deutlichen Schritt über das Vorbild hinaus, denn neben den Oral Archives entstehen Buchbände, die eine editierte Version der gefilmten Interviews enthalten. Die Herausgabe der Interviews als Buch macht die Gespräche einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und zeigt die Vielfalt des österreichischen Filmschaffens auf. Für die Forschung bieten die werkumspannenden Interviews eine wichtige Grundlage zur weiteren kritischen Auseinandersetzung mit den Filmemacher_innen und der Geschichte des österreichischen Films.
Die drei bisher erschienenen Bände widmen sich mit den Autorenfilmemacher_innen Barbara Albert und Jessica Hausner sowie der Editorin Karina Ressler ehemaligen Studierenden der Filmakademie Wien. Auf diese Weise skizziert das Projekt darüber hinaus die Geschichte einer Filmschul-Institution und ihr Wechselverhältnis zu Gesellschaft, Politik und Kunst. Bereits anhand der ersten Bände der Reihe, die 2024 mit einem Buch über eine Kamerafrau fortgesetzt werden soll, lassen sich zahlreiche Wechselverhältnisse und Beziehungen nachvollziehen, die Strömungen und Entwicklungen im österreichischen Film aufzeigen.
Die Editorin Karina Ressler etwa verbindet nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit mit Jessica Hausner, sondern sie ist auch für die Montage einzelner Filme von Barbara Albert verantwortlich, was den jeweiligen gemeinsamen Werken eine Betrachtung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven verleiht – die der Autorin und Regisseurin sowie die der Editorin. Außerdem werden zahlreiche Zusammenarbeiten mit Kolleg_innen während und nach der Studienzeit an der Filmakademie Wien sichtbar, die Verbindungslinien in der österreichischen Filmlandschaft nachzeichnen. Im Interview nehmen die Protagonist_innen bisweilen Bezug aufeinander, was wiederum durch die Interviewer_innen weitergeführt und im Sinne eines Netzes, dessen Knotenpunkte die besprochenen österreichischen Filme und Filmschaffende bilden, stetig weitergesponnen wird.
Die einzelnen Interviews führen die Mitarbeiter_innen des Fachbereichs Medien- und Filmwissenschaft gemeinsam mit Studierenden der Filmakademie Wien, was die Ausbildungsstätte selbst zum Gegenstand und Rahmen der Gespräche macht. Die Perspektive, von der aus über die Filme gesprochen wird, ist somit gleichzeitig eine theoriegeleitete und eine praxisverbundene, die die jeweiligen Erfahrungen und Prägungen der Akteur_innen miteinschließt. Auf diese Weise gewähren die Werkgespräche mit kritischer Distanz und künstlerischer Nähe einen außergewöhnlichen Einblick in die Werkstatt, die bei Filmschaffenden zumeist nicht als Ort, sondern als Sammlung von Ideen, Referenzen und Konzepten besteht.
Das Projekt Aus der Werkstatt, bei dem das praxisorientierte Wissen von Filmemacher_innen erforscht und in einen diskursiven Rahmen gebracht wird, lotet an der Medien- und Filmwissenschaft der Filmakademie Wien die Schnittstellen zwischen Theorie und audiovisueller Kunst aus und erkundet wissenschaftlich-künstlerisch bzw. künstlerisch-forschend die Diversität der Wissenskulturen rund um Filmtheorie und Filmpraxis.
Weitere Infos zur Buchreihe finden Sie hier.