Wie künstliche Intelligenz Kunst und Demokratie verändert

Anlässlich des Tages der Menschenrechte fand am 11. Dezember 2023 an der mdw eine Veranstaltung zum Thema Kunst, KI und Demokratie statt. Die Keynote The machine’s obviously not in the mood* – Wie künstlich (intelligent) ist Kunst und was bedeutet das für die Demokratie? hielt Eugenia Stamboliev, promovierte Medienwissenschaftlerin und Technikphilosophin an der Universität Wien.

Als 1951 die BBC die erste elektronische Musik in der Computing Machine Laboratory in Manchester dokumentiert, wirken die Aufnahmen spielerisch, und kaum einer ahnt, dass der Computer viel verändern wird.1 Fast 80 Jahre später fragen wir uns noch immer: Kann Computer Kunst? Besonders die neuen KI-Plattformen werfen die Frage neu auf. Gefüttert mit unzähligen Daten und Kunstwerken können deren KI-Systeme in Sekunden algorithmische Motive erstellen. Das stellt die Autor_innenschaft infrage und verwischt die Grenzen zwischen Werk und Produkt. Es zeigt die Macht von großen Konzernen wie OpenAI, DALL-E oder Midjourney, die sich zwar Rechte an Resultaten vorbehalten, aber visuelle und demokratische Normen dominieren.

Eugenia Stamboliev © Stephan Polzer

Computerkunst war experimentell, warum malt KI nun Rembrandts? Die Künstlerin Vera Molnár hat bereits in den 1970ern gezeigt, dass der Computer ein spannendes Medium sein kann, obwohl das lange nicht anerkannt wurde. Brauchen wir also nur Zeit, um die Bedeutung von KI als Kunstproduzent_in zu erkennen? KI-Kunst scheint derzeit andere Sorgen zu haben. Gefangen in einem wiederkehrenden Loop aus ästhetischen Normen, ist es mittlerweile schwer zwischen KI-Kunst und Werbebild zu unterscheiden. Midjourney und DALL-E sind die bekanntesten bildgenerierenden Plattformen, die zum Chaos beitragen. Mithilfe von generativer KI verarbeiten diese Plattformen Anweisungen oder Prompts (Eingabeaufforderungen) und erstellen neue Motive. Ein Problem hierbei ist, dass sie Datensätze aus zig Millionen Quellen verwenden und oft entgegen deren Nutzungsrechte. Dabei wird eine erkennbare KI-Ästhetik produziert, die sich gut verkaufen lässt, da wir sie leicht als Kunst erkennen. Es gilt hier klar: Rembrandt vor Malewitsch.

Das KI-Porträt Edmond de Belamy des Künstlerkollektivs Obvious ist ein gutes Beispiel für die Wirksamkeit der alten Patina. Es wurde 2018 als erstes KI-Bild für über vierhunderttausend US-Dollar bei Christie’s versteigert. Mittlerweile zehren die meisten KI-Bilder vom künstlerischen Pathos und einem Kitschfaktor, der oft Kunst und KI gleichermaßen untergräbt. Diese Trends sind weder eine Demokratisierung von Kunst noch eine kreative Explosion der KI, mehr ein Kampf um einen Markt2. Es gibt auch ernste Debatten, die über die Methoden der KI reflektieren, wie über die Promptografie des Fotografen Boris Elgadsen oder in den Videoarbeiten der Künstlerin Claudia Larcher. Außerdem ist die ästhetische Debatte der bildgenerierenden KI nicht unbedingt die wirklich spannende, viele in der Kunst- und Medienwissenschaft finden die materielle und performative Ebene des Algorithmus kreativer und wertvoller.3

Aber die KI-Ästhetik ist beliebt, vorbelastet und oft undemokratisch. Sucht man auf Midjourney nach Familienpicknicks, ähneln die Motive einem OTTO-Katalog der 1950er-Jahre, weniger einer modernen Patchwork-Familie. Will man das verzerren oder ändern, dann ist das zwar möglich, aber man findet schnell heraus, dass ästhetische Verzerrungen (durch ein Aufdrehen des „Weirdness“-Levels) plötzlich nicht nur impressionistischer werden wie das Porträt des Edmund Belamy, sondern auch diverser, so der Bildwissenschaftler Roland Meyer. Das klingt erstmals gut, ist es aber nicht. Es heißt nur, dass bildgenerierende KI farbige/diverse/nicht heteronormative Menschen und Familien als „weird“ definiert. Was ästhetisch verspielt und inklusiver wirkt, ist demokratisch untragbar. Das wird auch bei Prompts im Englischen erkennbar. Die Suche zu „scientist“ oder „doctor“ ergibt fast nur alte weiße Männer. Diese Missstände sind ausführlich beschrieben4. Anstatt das zu ändern, schleichen sich diese alte Patina und Konservatismus auch in politische Kampagnen ein.5

Raus aus dem alten Datensatz und den Normen

KI darf uns intellektuell und künstlerisch nicht zurückwerfen. Wir sind bereits weiter, oder? Während der KI-Dirigent („composer“) von Midjourney immer noch ein weißer alter Mann ist, ist es auch der Dirigent des Neujahrskonzerts. Oft ist die KI eben nur ein guter Spiegel. Um Stereotypen zu verändern, braucht es zunächst Änderungen im echten Leben. Institutionen wie die mdw tragen ungemein dazu bei, diese Muster aufzubrechen (50 Prozent der Studierenden im Dirigent_innenfach sind mittlerweile weiblich). Dieses Aufbrechen kostet Willen, Zeit und Mühe. Wir dürfen dabei nicht von KI-Systemen zurückgeworfen werden. An dem Punkt kann Kunst – mit und ohne KI – vieles bewirken, nämlich durch neue Räume, neue Narrative und mit neuen Akteur_innen.6 Wir können durch Technologien wie KI immer beides: den Status quo fördern oder dessen blinde Flecken ausleuchten.

Hacken wir die KI

Technologie, Demokratie und Kunst sind eng miteinander verbunden, aber wie gehen wir mit den KI-Vorurteilen oder Abhängigkeiten um? Wir können versuchen uns mehr Freiheit zu erkämpfen, doch wie? Laut Vilém Flusser programmieren wir nicht nur Medien, sondern diese programmieren auch uns. Wir passen uns deren Möglichkeiten an und vergessen dabei, dass wir auch anders können: das Medium umnutzen, aufbrechen, damit spielen oder auch hacken.7 Nur so behaupten wir, so Flusser, unsere Freiheit, besonders die künstlerische. Wenn wir KI wirklich verstehen wollen, müssen wir Wege finden, das Ungewollte ganzheitlich zu adressieren – technisch, künstlich und demokratisch. Das wird uns einiges an gesellschaftlichem, politischem und künstlerischem Engagement abverlangen, aber das muss es uns wert sein.

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