„Pst, pst“, ertönt es verheißungsvoll im goldbestuckten Zuschauerraum des Schönbrunner Schlosstheaters. Über der Bühne hängende weiße Schleier deuten den Mond an, der die soeben geprobte Szene erleuchtet: Wald, Nacht und zwei Frauen, die sich neckisch an einen am Boden liegenden Mann heranpirschen. Er weiß nicht so recht, wie ihm geschieht ob des frechen Anbahnungsmanövers. Mit einem schicksalsergebenen „Ich lieb euch alle zwei!“ stimmt er schlussendlich doch in den fidelen Tanz ein.
Derlei Szenen waren im Februar bei den Proben zur mdw-Opernproduktion Die lustigen Weiber von Windsor zu beobachten, welche im März aufgeführt wurde. Basierend auf der gleichnamigen Shakespeare-Komödie und der Spieloper von Otto Nicolai aus dem Jahr 1849, hatte Regisseurin Helen Malkowsky gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Hartmut Keil und mdw-Studierenden eine zeitgemäße Version des Stücks erarbeitet.
„Für die Inszenierung habe ich mich natürlich gefragt: Was macht man mit dieser Art von Spieloper – hat sie uns noch was zu sagen?“ erzählt Malkowsky, die seit 2018 Musiktheaterregie, Musikdramatische Darstellung und Szenische Interpretation am Institut für Gesang und Musiktheater der mdw unterrichtet. Die Themen in Die lustigen Weiber von Windsor seien jedenfalls zeitlos: „Es geht um Eifersucht, um Fremdgehen, es wird gefragt: Was ist das Gute und das Schlechte an einer Affäre? Und was ist ein Abenteuer?“
Um der Historie Respekt zu zollen, borgte sich Malkowsky Figuren aus verschiedenen Shakespeare-Texten, dennoch wollte man die Geschichte zeitgemäß erzählen, „mit den Menschen, die wir heute sind, und dem Umfeld, das wir heute erleben“.
Hartmut Keil, Dirigent und Professor für Musikalische Interpretation am Institut für Gesang und Musiktheater, sieht in mdw-Opernproduktionen sowohl für Mitwirkende als auch für die Universität als Ganzes eine Chance: „Wir haben dadurch die Möglichkeit, die verschiedenen Institute zusammenkommen zu lassen. Die Orchesterausbildung trifft hier auf Studierende des Instituts für Gesang und Musiktheater, es kommen Dirigierstudierende als Assistent_innen hinzu.“ Die Gelegenheit, Institutsgrenzen zu überwinden, gäbe es nicht oft. „Hochschulpolitisch finde ich das sehr wichtig.“
Auch Regisseurin Helen Malkowsky war das Einbinden zahlreicher Studierender ein Anliegen, daher habe man die zehn zu vergebenden Rollen jeweils doppelt besetzt. Dadurch konnten so viele Studierende wie möglich die grundsätzlichen Abläufe des „komplexen Bereichs Oper“ kennenlernen und sich das Genre von der Pike auf erarbeiten. Die vermittlerische Arbeit sei dabei besonders lohnend gewesen: „Es ist toll, weil die Blätter noch nicht beschrieben sind“, so Malkowsky.
Ein solches ist in gewisser Weise auch Maja Triler, die als Masterstudentin in Vocal Performance und Musikalischer Darstellung die Rolle der „Frau Flut“ in Die lustigen Weiber von Windsor übernommen hat. „Derartige Projektarbeiten geben mir Feuer, ich kann mich leichter entwickeln. Dadurch, dass ich fast jeden Tag hier bin, kann ich die Fortschritte der anderen beobachten und daraus lernen, mich ständig verbessern.“
Es sei wichtig, nicht nur im eigenen Zimmer, sondern auf der Bühne, mit Kostümen und den typischen Abläufen einer echten Aufführung zu proben. „Wo sonst kann ich das lernen, wenn nicht hier?“
Munter flattern weiterhin Klaviertöne durch das Schlosstheater, wie es einer Komödie eben entspricht. Auf der Bühne wird es jedoch vorübergehend ernst, wenn auch auf spielerische Art. Unter Anleitung von Helen Malkowsky führen die drei Darstellenden konzentriert eine technische Übung aus.
Wie darf ich dich anfassen, lautet hierbei die zentrale Frage. „Vertraut euch! Wir leben von Vertrauen, das ist alles, was wir haben“, ermuntert Helen Malkowsky die drei Studierenden, die sich gegenseitig jene Stellen an den Armen und Schultern zeigen, an denen sie berührt werden wollen.
„Bei einer neuen Darsteller_innen-Konstellation wird diese Übung standardmäßig durchgeführt, es gibt immer mehr Bewusstsein dafür“, erklärt Hartmut Keil. Genau jener Fokus auf einen sicheren Spielbetrieb, in dem für alle Mitwirkenden das Setzen von Grenzen möglich ist, ist für Hartmut Keil bereits in der Ausbildung von zentraler Bedeutung.
„Wir kennen das leider: rumschreiende Regisseur_innen, diktatorische Intendant_innen und dergleichen. Ich halte nichts davon, zu sagen, Studierende sollten frühzeitig mit diesen negativen Aspekten konfrontiert werden, um sie ,abzuhärten‘. Ich finde, wir müssen eine neue Generation an Künstler_innen ausbilden, die sich traut einzufordern, dass sich gewisse Missstände ändern.“ Nur durch mündige Künstler_innen könne man dem Machtmissbrauch im Kunstbetrieb Einhalt gebieten. „Es liegt auch in unserer Verantwortung als Ausbildende, zu zeigen, dass es auch menschlich geht.“
„Pst, pst“, ertönt es wieder von der Bühne. Es wird wieder Nacht, die Darstellenden bringen sich in Stellung für den nächsten Durchlauf. Hier ein Zuruf, da noch eine Regieanweisung – es wird ernst, aber das lustige Treiben geht weiter.