Es begann vor einigen Jahren mit dem Klarinettenkonzert des US-amerikanischen Komponisten Aaron Copland (1900–1990) auf meinem Notenständer. Mein Blick war am Schriftzug ganz oben auf dem Notenblatt hängen geblieben: „For Benny Goodman“. War Copland mit der Swing-Ikone befreundet gewesen? Hatten sie zusammengearbeitet? Oder hatte der Komponist Goodman (1909–1986) schlicht als Musiker bewundert?

Damals befasste ich mich in meiner Forschung mit musikalischem Mäzenatentum im 18. Jahrhundert und überlegte, in welche Richtung ich mein Interesse an Formen und Strukturen von Musikfinanzierung, -förderung und -ermöglichung weiterentwickeln konnte. Tatsächlich erwies sich die Geschichte rund um Copland, Goodman und das besagte Klarinettenkonzert als die richtige Spur. Erste Recherchen ergaben, dass Goodman dieses Stück 1946 bei Copland in Auftrag gegeben und ein Honorar von 2.000 Dollar dafür gezahlt hatte. Dafür hatte er für zwei Jahre das alleinige Aufführungsrecht inne. Rasch stieß ich zudem auf weitere Kompositionen, etwa von Béla Bartók, Darius Milhaud, Henry Brant, Paul Hindemith und Malcolm Arnold, die ebenfalls auf Auftrag für Goodman entstanden waren. Forschung, die sich bereits näher damit auseinandergesetzt hatte, war rar.

Leonard Bernstein und Benny Goodman proben vermutlich eine von Goodman bei Alex North in Auftrag gegebene Komposition (1946). © William P. Gottlieb, The New York Public Library/Digital Collection, via Wikimedia Commons

Ich begann mit einer Pilotstudie über Auftragsvergaben durch Interpret_innen am Beispiel von Benny Goodman. Diese führte mich in Archive und Bibliotheken an die US-Ostküste und als Gastforschende an die Harvard University. Dort arbeitete ich nicht nur an dem Goodman-Projekt, sondern entwickelte meinen Ansatz weiter. Daraus entstand schließlich ein vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes Forschungsprojekt, das ich seit Oktober 2021 an der mdw leite. Darin untersuche ich, ausgehend von einer ganzen Reihe von Fallbeispielen, das Phänomen der Kompositionsaufträge durch Interpret_innen im früheren 20. Jahrhundert. Warum vergaben sie diese Aufträge? Wie finanzierten sie sie? An welche Komponist_innen wandten sie sich? Welche Bedingungen wurden ausgehandelt? Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit im Kompositionsprozess? Was bedeutete diese besondere Konstellation für die Gestalt der Musikstücke und weiter für deren Aufführung und Rezeption?

Antworten auf diese Fragen finde ich in der Auseinandersetzung mit weiteren Musiker_innen, wie dem Pianisten Paul Wittgenstein (1887–1961), der Sängerin Marian Anderson (1897–1993) sowie den Cembalistinnen Sylvia Marlowe (1908–1981) und Antoinette Vischer (1909–1973). Sie alle vergaben Aufträge in großer Zahl, strategisch und mit konkreten Vorstellungen. Sie alle zeigen die proaktive Rolle von Aufführenden in Prozessen musikalischen Schaffens und der Repertoirebildung. Sie ins Rampenlicht der Musikgeschichte zu stellen, trägt zur Überwindung des Genie-Komponisten- und Meisterwerk-Paradigmas und zur Erschließung eines diverseren und dynamischeren Bildes der Entstehung neuer Musik bei.

Zum Forschungsprojekt.

In der neuen Wissenschaftskolumne geben Nachwuchswissenschaftler_innen der mdw Einblick in ihre spannende und abwechslungsreiche Forschungstätigkeit.

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