Die mdw ist seit Jahren beim Testen und Anwenden neuer Streaming-Technologien führend. Die hochqualitative Audio- und Videoübertragung mit möglichst geringer Latenz von Konzerten, Distanzunterricht und insbesondere für das Zusammenspielen von Musiker_innen, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, erfordert einen hohen technischen Einsatz und viel Experimentierfreude aller Beteiligten.
Was technisch derzeit bei Konzert-Streamings möglich ist, wurde beim Joy of Music Festival im Oktober 2024 eindrucksvoll demonstriert. Die mdw hat bereits in den vergangenen Jahren mit dem in Hongkong ansässigen Festival bei Konzert- und Wettbewerbsübertragungen kooperiert. Dieses Mal wurden entscheidende neue Facetten hinzugefügt: Unter Verwendung der Modular-Video-Transmission-Platform-Technologie (MVTP) des tschechischen Betreibers CESNET konnte erstmals das Zusammenspiel ausgehend von zwei Orten in Europa mit einer simultanen Live-Stream-Übertragung in den Konzertsaal in Hongkong kombiniert werden. Studierende der mdw spielten vom Studio in Wien aus gemeinsam mit Studierenden derAcademy of Performing Arts (HAMU) aus dem Studio in Prag Auszüge aus Werken von Joseph Haydn, Johannes Brahms, Bohuslav Martinů und Zdeněk Šesták. Im zweiten Teil des Konzerts wurden die Aufführungen der Ensembles aus dem Saal in Hongkong in die Säle an der mdw und der HAMU gestreamt. Um wirklich gemeinsam von verschiedenen Orten aus musizieren zu können, ist eine geringe Latenz – die in Millisekunden gemessene Zeitverzögerung in der digitalen Übertragung – Voraussetzung. Innereuropäisch funktioniert das Zusammenspiel über MVTP gut, ein gemeinsames Spiel der Musiker_innen in Wien, Prag und Hongkong übersteigt noch die technischen Möglichkeiten. „Bei der Distanz nach Hongkong spielt die Lichtgeschwindigkeit eine Rolle und die Übertragung wird zu langsam. Wenn man in so einem Stream klatscht, hört man das Echo“, erklärt mdw-Lehrender Volker Werner, der mit mdw-Studierenden und Mitarbeiter_innen des Audio-Video-Zentrums der mdw das Projekt maßgeblich betreute.

mdw-Studierende Felicia Bulenda spielte beim Joy of Music Festival mit einer Kollegin der HAMU ein Klarinetten-Duett. „Ich hatte auf einem Ohr einen Kopfhörer, auf dem anderen keinen, damit ich mich einigermaßen gut hören konnte. Auf dem Bildschirm sah ich die Studierende aus Prag. Es war eine ungewöhnliche Erfahrung, weil man in einem Raum mit vielen Kameras spielt und vom Konzertsaal nichts mitbekommt“, so Bulenda. Im musikalischen Alltag sieht sie die Relevanz von Streaming-Möglichkeiten vor allem bei der Vorbereitung für Probespiele und in der Arbeit mit Korrepetitor_innen, die nicht vor Ort sind.
Ein klassisches Konzerterlebnis kann durch Streaming nicht ersetzt werden, aber: „Digitale Probespiele zu schaffen, wo Musiker_innen von verschiedenen Orten weltweit zugeschaltet sind und in vergleichbaren akustischen Situationen spielen, wäre eine große Erleichterung und würde zur Fairness beitragen“, meint Werner. Zudem würde man durch die entfallenden Flugreisen CO2 sparen und dank der dadurch hinfälligen Reisekosten soziale Hürden abbauen.
Für Distance-Coaching-Einheiten gibt es an der mdw einen eigens technisch ausgestatteten Raum. „Wenn Studierende und Lehrende unkompliziert die Technik bedienen können, um sich digital mit musikalischen Partner_innen zu verbinden, sinkt auch die etwaige Skepsis gegenüber Distance Coaching. Persönliche Begegnungen können ohnehin nie ersetzt werden“, sagt Christoph Stuhlpfarrer, Digitalisierungskoordinator für Hochschuldidaktik an der mdw. Der Ausbau der Infrastruktur und die Forschung über die Verbesserung der Qualität der Streaming-Systeme sind Themen, die alle großen Kunstuniversitäten beschäftigten. Mit der Royal Academy of Music London ist die mdw derzeit an einem Forschungsprojekt beteiligt. „Dabei wird die Interaktion zwischen den Musiker_innen beim Musizieren über MVPT analysiert. Körperbewegungen und nonverbale Reaktionen werden detailliert dokumentiert, um sich ein besseres Bild machen zu können, wie gut die Technik einsetzbar ist“, so Stuhlpfarrer.

Die mdw ist bei aktuellen Projekten mit Low-Latency-Technologie wie MVTP und den erweiterten Möglichkeiten von Live-Streamings vor allem aus entwicklungsstrategischen Gründen dabei: „In der European Universities Alliance IN.TUNE, in der Zusammenarbeit im Rahmen des Global Conservatoire und in einigen bilateralen Kooperationen innerhalb und außerhalb Europas wird die Optimierung der digitalen Arbeitsmöglichkeiten auf höchstem künstlerischen Niveau eine entscheidende Rolle für die jeweilige Zielerreichung spielen“, sagt Johannes Meissl, Vizerektor für Internationales und Kunst. „Die Erweiterung der Studienmöglichkeiten für die Studierenden und die Erhöhung der Mobilität innerhalb dieser Allianzen und Kooperationen wird angesichts der Klimakrise zu einem großen Teil vom Funktionieren und der Verfügbarkeit dieser Voraussetzungen abhängen“, betont Vizerektor Meissl.