Eine Diskussionsrunde über den Umgang mit Tools der künstlichen Intelligenz an der mdw

Im vergangenen Studienjahr entstand die AG Künstliche Intelligenz – die größte Arbeitsgruppe des Senats, der Vertreter_innen aus allen Bereichen der Universität angehören. Welche Themen beschäftigen diese AG?

Dagmar Abfalter (DA): Der AG ging es zu Beginn darum, eine Position zu KI zu entwickeln – mit besonderem Fokus auf ChatGPT. Es gab viele Befürchtungen, was die Qualität unseres Arbeitens betrifft, Sorgen bezüglich der Eigenleistung und der Frage, ob durch KI nicht auch die Kulturtechnik des Schreibens verloren gehen könnte.

Dagmar Abfalter, Professorin für Kulturmanagement und Leiterin des Instituts für Kulturmanagement und Gender Studies © Daniel Willinger

Karl-Gerhard Straßl (KGS): Im Kompetenzzentrum für Akademische Integrität setzen wir uns bereits länger mit textgenerierenden KI-Tools auseinander, wie damit umzugehen ist, wenn etwa Textstellen maschinell übersetzt werden. Ist das auszuweisen? Die Senats-AG schafft Bewusstsein und vereint sehr unterschiedliche Zugänge. Inzwischen arbeiten wir an weiteren konkreten Überlegungen für das Haus – was sehr wichtig ist für die Themen Abschlussarbeiten, schriftliche Arbeiten, Prüfungsmodalitäten im Studium etc.

Walter Werzowa (WW): Viele haben leider irrsinnige Angst vor KI – und Angst hilft nie. Was uns hilft, ist die Auseinandersetzung mit dem Thema, und zu erkennen, dass die KI keine „Schuld“ hat, sondern dass es darum geht, wie die Rechtspersonen handeln – wie die Firmen damit umgehen. Das sind Microsoft, Google, Apple, die großen Player. Darüber müssen wir reden und nicht das Feindbild KI propagieren. Dabei können wir viel innovativer denken.

KGS: Ich unterstreiche das sehr. Wir sind ja zum Glück schon einen Schritt weiter. Die Frage, wollen wir das oder wollen wir es nicht, stellt sich längst nicht mehr. Es geht um das Wie, an dem müssen wir arbeiten.

WW: Es gibt immer noch starke Berührungsängste mit KI. Dabei können wir viel innovativer denken.

Christoph Stuhlpfarrer (CS): In vielerlei Hinsicht. Man darf keine Angst davor haben, dass musikalische Subgenres zu wenig akademisch sein könnten. Gerade an einer Universität müssen wir experimentieren und ausprobieren, auch mit neuen Technologien, ohne zwischen gut und schlecht zu unterscheiden.

Christoph Stuhlpfarrer, Koordinator für digitale Lehre © Daniel Willinger

DA: Da gebe ich Ihnen recht. Aber ich möchte gerne die Frage in den Raum stellen, inwiefern diese geforderte Offenheit überhaupt zu so viel mehr Innovation führt? An sich sind die Algorithmen ja dazu gedacht, Mainstream, das vielfach Vorhandene zu verstärken. Dazu gibt es durchaus kritische Positionen. Wir wissen, dass Algorithmen stärker „white“ und vor allem „male positions“ bevorzugen. Sie bauen auf vielen Daten auf, das Innovative hingegen ist das von Menschen Gemachte.

Mit u. a. dieser Frage haben wir uns im Vorjahr am Menschenrechtstag beschäftigt, wo es um das Spannungsfeld zwischen KI, Kunst und Menschenrechten ging – und um eine KI-Ästhetik, die vorrangig solche Bilder produziert, die von der alten Patina konservativer Bilderwelten gespeist werden und diese in die Gesellschaft zurückspiegelt.

DA: Ja, da kommt ein zweiter Themenschwerpunkt ins Spiel, wo es um geistiges Eigentum geht: Dadurch, dass im Mainstream konservatives, bereits in großer Menge vorhandenes Material zurückgespiegelt wird, kommt man mit eigenen innovativen Ideen noch schwieriger zu einer Monetarisierung. Das wird zu einem großen Problem für Künstler_innen.

CS: Man muss differenzieren, das eine ist die Innovation der KI per se, dass wir überhaupt so ein Tool heute in den Händen halten dürfen, und das andere ist, wie es gespeist wird. Die Menge und die Art der Daten beeinflussen das Resultat. Es gibt aber viele Arten von KI, die für die mdw interessanter sein können, als Textverarbeitungsprogramme: sei es Stimmenisolierung oder Notengenerierung, wo der Alltag einer Lehrperson erleichtert werden kann. Das ist eben die Frage: Wie nutze ich KI?

Walter Werzowa, Professor für Medienkomposition am Institut für Kompositionsstudien, Ton- und Musikproduktion © Daniel Willinger

WW: Das ist der Punkt. KI ist ein Tool. KI ist keine Suchmaschine, wo man eine Lösung sucht und verkauft, sondern wo man sich inspirieren lassen kann.

KGS: Inspiration finde ich ein gutes Wort in dem Kontext. Es impliziert aber, dass man mit dieser Inspiration umgehen können muss. Die Fähigkeit des Hinterfragens der Ergebnisse aus der Anwendung des KI-Tools muss man lernen und lehren, da hinken wir sicher noch hinterher. Per se ist es ein neues Tool, aufbauend auf dem vorhandenen Mainstream. Es ist immer kritisch zu hinterfragen, was aus dem KI-Tool herauskommt. Und da rede ich noch gar nicht von juristischen Fragestellungen, von Urheberrecht und Verantwortlichkeiten.

WW: Was verstehen wir unter Mainstream?

DA: Da geht es jetzt nicht um eine Wertung, sondern um eine große Verbreitung in der Gesellschaft oder bei bestimmten Gruppen. Ich habe das Wort deshalb verwendet, um zu sagen, diejenigen, die nicht Mainstream sind, in der Mitte, diese Randgruppen werden vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Monetarisierung künstlerischen Tuns wird schwieriger. Weil viele menschliche Leistungen dann von der KI übernommen werden – ja, das ist eine Chance, das macht für viele auch den Zugang einfacher, demokratischer, aber gleichzeitig verändern sich die künstlerischen Arbeitswelten und da sind diejenigen, die am innovativsten Rande dieser Schöpfung sind, unter Umständen jene, die ökonomisch benachteiligt werden.

WW: Ist Mainstream nicht ein Zeitproblem? Van Gogh war zu seiner Zeit sicher nicht Mainstream und heute zählen seine Kunstwerke zu den teuersten und begehrtesten weltweit.

DA: Das ist aber ein gutes Beispiel, denn Van Gogh hat selbst nichts mehr davon und gleichzeitig, wir nennen das „crowding out“, nimmt er am Markt eine große Position ein, was jungen, lebenden Künstler_innen Finanzierungsmöglichkeiten wegnimmt. Ohne in Abrede zu stellen, dass Van Gogh ein großer, inspirierender Künstler war und diese Wertschätzung auch posthum verdient.

WW: Wir alle werden durch große Kunstwerke aus der Vergangenheit beeinflusst. Ich erzähle meinen Studierenden über die Bedeutung von David Raksin, Bernard Herrmann. Was ist jetzt der Unterschied, ob ich ihnen das sage, oder die KI es ihnen sagt?

DA: Kunst und Musikmärkte sind ja ohnehin immer beeinflusst worden. Wenn du, Walter, mir eine Empfehlung gibst, kann ich einen Blick auf deinen Lebenslauf werfen um herauszufinden, was dich geprägt hat und die Basis für deine Empfehlung bildet. Die KI ist hingegen eine Blackbox. Es stehen große Firmen mit ökonomischen Interessen dahinter. Das macht mir die menschliche Einschätzung wesentlich wertvoller und vertrauenswürdiger.

KGS: Das heißt, wir Menschen stellen uns mit unserem Geist über programmierte Maschinen. Da braucht es Standards, auf die wir uns verständigen können, damit auch das Vertrauen in das, was bei KI herauskommt, gegeben ist. Da hängt auch das Vertrauen gegenüber Universitäten und der Wissensproduktion mit dran.

CS: Ich frage mich: Wenn eine Maschine etwas auf Knopfdruck leisten kann, wie wertvoll ist es dann, dass Absolvent_innen ebendiese Tätigkeit noch beherrschen? Sollen wir uns dann nicht um andere Dinge kümmern?

Wir werden an den Punkt gelangen, wo wir nicht mehr fragen, wo wir KI einsetzen wollen, sondern – auch unter wirtschaftlichem Druck – ob es noch vertretbar ist, dass Menschen Arbeiten verrichten, die KI schneller und besser macht. Was soll aus Ihrer Sicht und in Ihren jeweiligen Fachbereichen die KI nun machen? Wo soll sie auf produktive und sinnvolle Weise eingesetzt werden?

WW: Ich hoffe und glaube, dass KI uns hilft, eine Schwellenangst zu überwinden, dass wir wieder kreativer werden. Das kann zum Spaß privat sein, aber auch in einer Arbeitssituation. Technologie kann dem kreativen Prozess helfen – so wie der Federkiel und das Metronom Beethoven beim Komponieren geholfen haben.

KGS: KI kann kein Urheber sein. Juristisch verantwortlich ist die Person, die die von KI geschaffenen Texte und Bilder verwendet. Dieser Verantwortung muss man sich bewusst werden. Trotzdem ist es eine große Chance, hier im Hinblick auf schriftliche Arbeiten von Studierenden an Universitäten etwas zu verändern. Wir als Kunstuniversität haben da noch mehr Möglichkeiten und sollten überlegen, wie wir KI sinnvoll und geprüft nutzen wollen. Hintergrund dafür sind aber die Standards: Nachvollziehbarkeit, Ehrlichkeit usw.

Karl-Gerhard Straßl, Jurist u. Leiter der Abteilung Organisationsrecht und Berufungsmanagement inkl. Kompetenzzentrum für Akademische Integrität © Daniel Willinger

DA: Auch in einer Verwendung von KI würde ich die Prinzipien von Rigor und Relevance beibehalten wollen. Ich würde mir wünschen, dass die KI uns mehr Freiräume schafft, dass wir Hürden abbauen können. Dass wir uns stärker auf das Wichtige konzentrieren können, auf das, was uns zu Forscher_innen macht: Dinge zu kombinieren, neu und anders zu denken, gesellschaftliche Themen stärker einzubeziehen. Da hätte ich gerne, dass mir KI den nervigen Teil der Forschung wegnimmt – das kann die Interviewtranskription sein, das Suchen von Literatur … Für die Studierenden möchte ich, dass KI Druck aus ihrem Alltag nimmt. Dass man ihnen Räume gibt, in denen sie die wichtigen Dinge lernen, sich entfalten und ausprobieren können.

Welche Rolle kann oder soll eine Universität in diesem Spannungsfeld zwischen Innovation, Verwertungsinteressen, Qualitätskriterien, sozialer Verantwortung und Verantwortung als Bildungseinrichtung mit Blick auf KI einnehmen?

WW: Am MIT gibt es einen Kurs, den man nur mit KI-verfassten Produkten meistern darf. Man sieht dort, wie schwer das dann ist. Ich fände es toll, wenn wir an der mdw Ähnliches ausprobieren – denn da sieht man schnell die Grenzen und kann am meisten lernen. Da sollte jede_r mitmachen dürfen.

KGS: Ich sehe unsere Aufgabe als Universität und vor allem von uns als großer Kunstuniversität darin, dass wir die Möglichkeiten, die uns die KI bietet, in einem gesicherten Raum erlebbar machen. Damit die Studierenden, die Lehrenden, Künstler_innen und Forscher_innen etwas für sich mitnehmen können und auch außerhalb der mdw einen Mehrwert haben.

CS: Ich glaube, dass die Konzerne, das Geld, hier die Richtung vorgeben und Universitäten da wenig Einfluss haben. Wir können aber Bewusstsein schaffen.

DA: Ich sehe nicht, dass sich die Rolle der Universitäten hier ändert, denn es geht ja darum, dass sich Studierende ausprobieren können. Unsere Rolle wird weiterhin sein, kreatives und kritisches Denken zu fördern.

 

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