Jürg Jecklin, 1938 in der Schweiz geboren, war 30 Jahre lang Tonmeister und Aufnahmeleiter beim Radio, bevor es ihn als Lehrenden an die mdw verschlug, wo er bis 2016 vor allem Beschallung und Klangregie sowie Aufnahmeanalyse unterrichtete. Er trug außerdem zum Aufbau des TonmeisterInnen-Studiums bei.
Vom Radio an eine Universität zu wechseln, war eine große Umstellung für den bis heute sehr aktiven Jürg Jecklin. „Ich hatte keine Ahnung von Didaktik und Pädagogik“, erinnert er sich. Sein Bruder, damals Rektor an einer pädagogischen Hochschule, gab ihm den Rat, zusätzlich zu seiner fachlichen Kompetenz, die er aus vielen Jahren im Beruf einbringen konnte, die Studierenden vor allem ernst zu nehmen und für diese da zu sein. Das tat er dann auch. Bis heute sind seine Skripten rund um die Tontechnik im Einsatz und „Jecklin“ einer der am häufigsten gesuchten Begriffe auf der Website der Universität – was den heute 79-Jährigen schon ein wenig freut, als er davon erfährt.
„Ich wollte den Studierenden natürlich vorrangig das berufsnotwendige Wissen und das Handwerk mitgeben. Wichtig war mir aber immer, sie auch bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres eigenen Stils zu unterstützen.“ Er hielt die Studierenden stets dazu an, ihre ganz eigenen Aufnahmen zu machen. Was er aus der jahrelangen Berufspraxis vor allem weitergeben konnte, war auch die Vermittlung des richtigen Umgangs mit Menschen: „TonmeisterInnen scheitern in der Praxis oft am Umgang mit den MusikerInnen, die in dieser Beziehung besonders sensibel sind. Ich habe diesen Umgang vorgelebt“, erklärt er im Gespräch mit dem mdw- Magazin.
Die große Herausforderung in der Interaktion mit ganz unterschiedlichen Menschen beziehungsweise KünstlerInnen macht für ihn aber gleichzeitig auch einen der größten Reize des Berufsfelds aus: „Der Tonmeister/die Tonmeisterin sitzt in der Postproduktion heute vor allem mit Tastatur und Maus vor dem Bildschirm. Geblieben sind jedoch der direkte Kontakt mit den MusikerInnen, die Musik und der Sound als Resultat der Aufnahme, die Reaktion der MusikerInnen auf die Aufnahme.“ All das und vieles mehr mache die Sinnlichkeit des Berufes aus, was aus seiner Sicht heute leider oft keine allzu große Rolle mehr spielt in der Arbeitswelt.
Das Berufsfeld des Tonmeisters/der Tonmeisterin hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und „das Klima ist rauer geworden“. „Gefragt sind vor allem Flexibilität, ständige Weiterbildung, Offenheit für Neues – also die Bereitschaft zu Neuorientierungen“, ist Jecklin überzeugt. Flexibilität und Erfindergeist haben auch ihn über die Jahre immer wieder ausgezeichnet. Not macht ja bekanntlich erfinderisch, was dazu führte, dass Jürg Jecklin in den 1970er Jahren einen eigenen Kopfhörer, den sogenannten Float anfertigte, um bei Aufnahmen in Konzertsälen oder Kirchen eine bessere Abhörsituation zu schaffen und nicht erst im Studio festzustellen, wie gut oder schlecht eine Aufnahme war. „Der erste Kopfhörer war als Einzelstück für mich gedacht und sah mit seiner Helmform auch ziemlich unüblich aus.“ Schließlich wollten einige MusikerInnen und auch andere Personen einen solchen Float – bis heute wurden rund 10.000 Stück hergestellt und verkauft. Auch in die Industriedesign-Sammlung des Museum of Modern Art (MoMa) in New York ist der Kopfhörer aufgenommen worden.
Eine weitere Erfindung von ihm ist die sogenannte Jecklin-Scheibe. Weil man in den 1970er Jahren begann, Klassik-Aufnahmen mit möglichst vielen Mikrofonen zu machen, die Aufnahmen dadurch aber nicht unbedingt besser wurden, überlegte er sich eine Lösung mit nur zwei Mikrofonen. „Ich habe die Forderung vertreten ‚so viele Mikrofone wie nötig, so wenige Mikrofone wie möglich‘. Das sind bei einer Stereoaufnahme zwei Mikrofone in einer optimalen Anordnung.“ Mit seiner Jecklin-Scheibe sorgte er für eine brauchbare Zweimikrofon-Anordnung, die sich gut umsetzen ließ. Sein Wissen und die Erfahrungen, die er in all den Jahren sammeln konnte, fasst er momentan in einem Buch zusammen: All about the Recording and Reproducing of Music soll sein Wissen für alle Interessierten „auch mit einem gewissen Unterhaltungswert“ zugänglich machen.
An der Universität vermisst er vor allem den regelmäßigen Austausch mit den Studierenden. „Ich vermisse den Kontakt mit den Studierenden, die neuen Gesichter am Anfang des ersten Studienjahrs und mitzuverfolgen, wie sie sich entwickeln bis zum Abschluss ihres Studiums. Auch die Fragen der Studierenden fehlen mir, weil sie mich immer wieder gezwungen haben, mich mit manchem ausführlicher zu beschäftigen.“