Der Welttenor Michael Schade ist im Sommersemester Artist in Residence der mdw und hat Großes vor: die Aufführung von Mozarts Così fan tutte mit einem hauseigenen Ensemble.

Michael Schade
©Harald Hoffmann

Bei Mozart liege die Wahrheit blank, „wie auf der Schneidekante eines Messers“ sagt Michael Schade. „Wenn Guglielmo über die Frauen lästert, ist das pure Gewalt, denn er ist verletzt.“ Wie das in Mozarts Così fan tutte zu klingen hat, wird einer der führenden Mozartsänger ausgewählten Studierenden des Instituts für Gesang und Musiktheater der mdw im Sommersemester beibringen. Schade hat als Artist in Residence Großes vor: aus den angehenden OpernsängerInnen formiert er in Zusammenarbeit mit dem Institut und dessen Leiterin Margit Klaushofer ein Ensemble, das die Opernbespielung des Schönbrunner Schlosstheaters während des Sommers auf neue Beine stellt. Diesen Sommer ist Premiere mit Mozarts Così fan tutte, die von 12. bis 15. Juli viermal in semi-konzertanter Form im Schlosstheater Schönbrunn zu sehen sein wird und den Auftakt für einen regelmäßigen Sommerbetrieb geben soll.

„Da mir so viel geholfen wurde, habe ich die Pflicht, auch anderen zu helfen“, sagt Michael Schade, der die Größten, wie Riccardo Muti, Nikolaus Harnoncourt und Helmuth Rilling zu seinen prägenden Lehrern zählt. Die Così mit Muti habe ihn „in ein anderes Universum gebracht“. Und Harnoncourt sei ihm ein musikalischer Vater gewesen. Die Arbeit mit diesen Maestri resultierte in Schades klarer, ausdrucksstarker Stimmführung, fulminanter Darstellungskunst und messerscharfer Wortdeutlichkeit. Der Deutsch-Kanadier mit dem unvergleichlichen Timbre, der als Wagners Stolzing ebenso brilliert wie als Sänger von Oratorien, ist „im Herzen ein Mozart-Tenor“ geblieben, wie er sagt. In der Mozart-Interpretation setzte Schade neue Maßstäbe, ebenso unvergleichlich sind seine Strauss-Partien. Und wenn er in Schuberts Müllerin oder dessen Winterreise den Weg in den Tod antritt, werden die Leiden der jungen Liebenden fühlbar. „Oper, Lied und Oratorium gehören für mich zusammen“, erklärt er. Das setzt er auch bei seinen Studierenden voraus.

Als Entdecker und Förderer junger Talente ist Schade seit zehn Jahren aktiv und das an den ersten Adressen der Opernwelt. Anno 2008 rekrutierte er erstmals bei den Salzburger Festspielen junge, vielversprechende SängerInnen aus den besten Opernhäusern der Welt für sein erstes Young Singers Project, das an der Salzach inzwischen zur Festspiel-Institution geworden ist. Und das ist nur eines von den Projekten, das er jungen Talenten widmet. Als Intendant der Barocktage in Melk begeistert er die Jüngsten in eigenen Programmen für Musik und requirierte erfolgreich Sponsoren für den Johann Heinrich Schmelzer Wettbewerb. Zum zehnten Mal findet diesen Sommer auf hoher See der Gesangswettbewerb Stella maris statt. Auf einer Kreuzfahrt, die diesen Sommer von Barcelona nach Hamburg führt, werden aus der jungen SängerInnengeneration aus den größten Opernhäusern der Welt die Besten von einer Fachjury ermittelt. Zwei GewinnerInnen der Stella maris-Reisen sind dem Wiener Opernpublikum bereits bekannt: Hila Fahima und Jongmin Park.

„Die Welt braucht neue, lyrische, herrliche Stimmen“, sagt Schade, der darauf brennt, seine Passion als Förderer auch in Wien ausleben zu können.

„Ich glaube an die jungen SängerInnen und ich will sie anspornen“, sagt er und drückt sein Unverständnis darüber aus, dass Gesangsstudierende nicht öfter auf dem Stehplatz zu finden sind. Es gäbe zwei Arten von talentierten SängerInnen, sagt er, die einen seien schwer zu zügeln, die anderen hätten zu viel Respekt vor der Aufgabe. „SängerInnen, die kurz vor ihrer Karriere stehen, brauchen die Hilfe am meisten. Und mir geht es darum, weiterzugeben, was mir gegeben wurde“, sagt Schade. Und das ist keinesfalls wenig.

Bereits im Elternhaus des kanadischen Ingenieurssohnes wurde stets gesungen. „Ich bin mir sicher, dass mein Vater Peter Schreier oder Fritz Wunderlich ein guter Konkurrent hätte sein können“, sagt Schade. Nach dem Krieg aber hatte der sein Technik-Studium begonnen und die Karriere eines Ingenieurs eingeschlagen. „In unserer Familie wurde immer gesungen, aber niemand hätte jemals daran gedacht, sein Brot damit zu verdienen“, erzählt er. Auch er zunächst nicht. Die Familie übersiedelte in den Siebzigerjahren von Deutschland nach Kanada. Die Eltern waren in Chören aktiv, als Bub sang Michael im St. Michael’s Choir in Toronto und begann nach der Schule das Studium der Veterinärmedizin. Den Gesang aber gab Schade nie auf und trat dem Universitätschor in Ontario bei. Als ein Kollege aus der Musik-Fakultät sein hohes B vernahm, forderte er ihn auf, ihn bei einem Wettbewerb zu begleiten. Der Sänger Schade war entdeckt. Das Studium am renommierten Curtis Institute in Philadelphia war die ideale Vorbereitung für seine globale Karriere. „Dort gab es eine eigene Opern-Company, die von einem hervorragenden Orchester begleitet wurde“, erinnert sich Schade, den Ioan Holender in den Neunzigerjahren an die Wiener Staatsoper geholt hat. „Früher hat man studiert, kam an ein Haus und in ein Ensemble und irgendwann war man frei. Aber die Welt hat sich verändert.“ Die Wechsel von Dirigenten erfolgen rasch. „Als ich so weit war, dass ich mit Muti, Harnoncourt, Dohnányi und Welser-Möst gesungen habe, hatte ich gelernt, dass ein Sänger stets das richtige Pferd für den richtigen Reiter sein muss.“ Noch heute erinnert sich Schade dankbar an Mutis „Drill“. Den werde er an seine Studierenden weitergeben, „wenn sie wollen“, fügt er hinzu. Und wenn sie eine Mozart-Partie mit ihm einstudiert haben, „dann haben sie etwas in der Tasche, einen wahren Mozartklang, wenn sie in die Welt gehen“, sagt er. Einen besseren Reisepass für die Opernwelt wird man heute kaum finden.

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