Das internationale Symposium Knowing in Performing. Artistic Research as a Distinct Practice and Discourse in the Field of Performing Arts

Das am 4. April 2018 an der mdw abgehaltene Symposium Knowing in Performing hatte zum Ziel, das breite Feld der Artistic Research zu beleuchten. Dabei wurden schwerpunktmäßig Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der performativen Künste untersucht und die Frage, wie Artistic Research sinnvoll in Curricula und universitäre Strukturen integriert werden kann, erörtert.

Nach der Begrüßung durch Rektorin Ulrike Sych und einführenden Worten von Therese Kaufmann (Forschungsförderung, mdw) brachte Nicolas Donin (IRCAM, Paris) in der Keynote Composers and Self-Analysis: From an Anti-Theoretical Stance to the Artistic Research Method (Chair: Annegret Huber, mdw) sogleich die teilweise kontroverse Natur der Artistic Research mit den Worten „I don’t know what AR is/I know what AR is“ ins Gespräch. Es gebe eine zu große Vielzahl an Definitionen, was die Integration von Artistic Research in die Studienpläne der Universitäten erschwere. Weiters beschrieb Donin, wie das Konzept der „Self-Analysis“ funktioniere: Indem der Arbeitsprozess von Komponist_innen, Dirigent_innen oder Musiker_innen protokolliert und aufgezeichnet wird, werde ihnen Selbstreflexion und Analyse der eigenen Arbeitsmethoden ermöglicht. Daraus ergebe sich ein „bottom up generalisation process“, der diametral entgegengesetzt zur herkömmlichen Formen der Theoriebildung sei. In der darauffolgenden angeregten Diskussion wurde schnell klar, wie unterschiedlich Auffassungen nicht nur von AR sein können, sondern auch hinsichtlich der Dimensionen und der Relevanz von selbstanalytischen Methoden.

Unter dem Vortragstitel Post-Digital Lutherie at the Tangible Music Lab (Chair: Peter Plessas, mdw) präsentierte Martin Kaltenbrunner (Kunstuniversität Linz) seine Arbeit an post-digitalen Instrumenten. Nach einem kurzen historischen Rückblick auf das Verhältnis Mensch-Maschine seit der industriellen Revolution, beschrieb er den Entstehungsprozess einiger post-digitaler Instrumente, u. a. des von ihm entwickelten „Reactable“. Zum Vergnügen der Zuhörenden veranschaulichte er mit der Vorstellung eines laufenden Projektes die Erforschung der Verhaltensmuster von Papageien mittels post-digitaler Instrumente als künstlerischer Prozess.

Mieko Kanno (UniArts, Helsinki) beschrieb in ihrem Vortrag Quiet is beautiful (Chair: Gesine Schröder) das in der Neuen Musik anzutreffende Konzept von „soft sound“. Durch die Verwendung von Spieltechniken, die Klänge erzeugen, die an der Grenze des Wahrnehmbaren sind, haben Komponist_innen nachwirkend Hörgewohnheiten verändert, so Kanno. Eindrucksvoll verdeutlichte sie dies durch den Vortrag von  „Capriccio di una corda“ von Salvatore Sciarrino auf der Violine.

Jörg Holkenbrink (Zentrum für Performance Studies, Universität Bremen) berichtete in seinem Vortrag Risking One’s Own Sovereignty: Transdisciplinary Research, Context-Oriented Perfomances and the Work of the Theater der Versammlung (Theatre of Assemblage) (Chair: Doris Ingrisch, mdw) von seiner Arbeit im Theater der Versammlung. Dieses ziele auf die Zusammenarbeit von Schauspieler_innen und Wissenschaftler_innen unter veränderten Bedingungen und Rollen ab, was durchaus unvorhergesehene Resultate liefern kann. Die anschließende Fragerunde wurde in Form einer improvisierten (Theater-)Performance abgehalten, auch hier kam es zu unerwarteten Einsichten.

Die zweite Keynote des Symposiums von Georgina Born (University of Oxford) Artistic Research, Music Research and Inter/Transdisciplinarity: Strenghts, Limitations and Institutional Conditions (Chair: Tasos Zembylas, mdw) beleuchtete eingehend die institutionellen und historischen Bedingungen der AR in Großbritannien. Born verortet die Institutionalisierung der AR in den 1990er Jahren, als in Großbritannien schwerwiegende Umstrukturierungen der akademischen universitären Landschaft stattfanden. Außerdem beschrieb sie verschiedene Konzepte der Interdisziplinarität anhand einiger Fallbeispiele, die sie im Rahmen ihrer ethnographischen Forschung untersucht hatte und die ihrer Meinung nach gelungene Ausformulierungen von AR darstellen.

Im Anschluss daran gab es die Präsentation zweier Forschungsprojekte der mdw (PEEK projects). Creative (Mis)Understandings – Methodologies of Inspiration von Johannes Kretz und Wei-Ya Lin versucht den Drahtseilakt zwischen Forschung und Kunst mittels einer transkulturellen, dialogischen Form der Wissensproduktion und von Kompositionsprozessen in Auseinandersetzung mit der indigenen taiwanesischen Minderheit der Tao. Rotting Sounds – Embracing the Temporal Deterioration of Digital Audio von Thomas Grill wiederum beschäftigt sich mit dem Phänomen des Informationsverlustes digitaler Medien und die Integration desselben in neue künstlerisch-ästhetische Konzepte.

Der vorletzte Programmpunkt des Symposiums war der Trailer für den Kurzfilm Jabberwocky of Kodi von Helen Hideko Aihara Parkes, der während einer von der mdw geförderten Residency im Jahr 2017 an BASE – Research Centre for Artistic Research and Arts-Based Philosophy in Kodai Kanal, Indien entstanden ist.

Die abschließende Panel-Diskussion trug den Titel Institutional Policies and Current Practices (Chair: Therese Kaufmann und Johannes Kretz, mdw). Die drei Diskutant_innen – Kathleen Coessens (Brussels Conservatoire/Orpheus Institute, Ghent), Mieko Kanno (UniArts, Helsinki) und Anton Rey (Zürcher Hochschule der Künste) – präsentierten die zum Teil sehr unterschiedlichen Auffassungen und Praktiken von AR an ihren jeweiligen Universitäten bzw. Konservatorien. In der anschließenden Diskussion wurde über die Notwendigkeit und Umsetzungen von AR debattiert. Konsens war, dass AR gerade im Bereich der performativen Künste Studierenden ermögliche, „reflective research skills“ zu entwickeln. Als Beispiel hierfür wurden u.a. wissenschaftlich fundierte Interpretationen Alter Musik auf historischen Instrumenten und die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als Künstler_innen genannt. Johannes Kretz beendete das Symposium mit der Conclusio, dass zwar die Schwierigkeiten bei der Definition von AR eine Herausforderung darstellen können, sich aber gerade dadurch ein sehr breites und flexibles Feld zwischen Wissenschaft und Kunst mit beiderseitigen Potenzialen eröffne.

 

Haruki Noda studierte klassische Gitarre an der Hochschule für Musik Köln, seit 2016 Musiktheorie an der mdw. Er ist Studienassistent am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der mdw.

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