Heuer, zur runden Jahreszahl 2020, feiern wir ein großes Jubiläum: Ludwig van Beethoven, der Titan, der sich dem tragischen Schicksal durch seine unsterbliche Musik widersetzte, wird 250. Diesen Anlass sehe ich nicht nur als Grund zum Feiern (natürlich!), sondern auch als Gelegenheit für eine tiefere Auseinandersetzung: Wieso bleibt Beethovens Opus nach mehr als zweihundert Jahren so aktuell?
Für mich geht es in der Musik grundsätzlich um unvergessliche Momente. Manche Konzerte verschwinden aus dem Gedächtnis, sobald man den Konzertsaal verlässt, einige (wenige) Erlebnisse trägt man jedoch für immer in sich. Ich erinnere mich zum Beispiel heute noch kristallklar, als ich vor ein paar Jahren im großen Musikvereinssaal saß – auf dem Programm Beethovens Neunte Symphonie Und in jenem Moment, als nach fünfzig Minuten reiner Orchestermusik der ganze Chor aufstand und die Ode an die Freude anstimmte, fühlte ich, wie sich die ganze Spannung der Welt löste und ich Teil von etwas viel Größerem wurde – „Alle Menschen werden Brüder“ lauten die Worte. Die Melodie war so schlicht, die Musik als Ganzes jedoch so grandios! Ich war in dem Augenblick so überwältigt, dass ich Gänsehaut bekam und die Tränen nur mit großer Mühe unterdrücken konnte. Ich merkte flüchtig, wie mein Sitznachbar, ein Mann um die vierzig, gerade heimlich eine Träne wegwischte. Und dann wusste ich es – in jenem Moment fühlten er und ich und möglicherweise alle Menschen im großen Musikvereinssaal das Gleiche. Wir waren zutiefst bewegt beim Hören dieser Musik, die vor mehr als zweihundert Jahren aus der Vision eines grandiosen, tauben Komponisten entstanden war. Und da frage ich mich: Ist es nicht erstaunlich, welche Macht die Musik besitzt, um Bögen über Jahrhunderte, Generationen und Kulturen zu spannen und Menschen jenseits der Worte miteinander zu verbinden?
Das große Jubiläum 2020 sollte uns alle, vor allem die Musikschaffenden unter uns, (nochmals) daran erinnern, wie glücklich und privilegiert wir sind, Vermittler dieses Wunders zu sein.
Vielen Dank für die Musik, Herr Beethoven!