Wie klingt das neue Future Art Lab der mdw? An welchen Metaphern haben sich Pichler & Traupmann Architekten im Entwurfsprozess orientiert? Und wie schafft man in so einem Gebäude die perfekte Symbiose aus visueller und akustischer Sinnlichkeit? Ein Gespräch mit den beiden Architekten Christoph Pichler und Johannes Traupmann.
Wir sitzen hier in Ihrem Besprechungszimmer, an der Wand hängen Wettbewerbs-Renderings des FAL aus dem Jahr 2014. Inwiefern hat sich das Projekt in all der Zeit verändert?
Johannes Traupmann (JT): Eigentlich sehr wenig. In den Wettbewerbsunterlagen haben wir das Future Art Lab damals noch als weißes, abstraktes Gebilde dargestellt, ohne dabei die farbliche und materielle Charakteristik des Gebäudes näher zu definieren. Man sieht gut, dass wir die Umgebung damals als warmes, goldenes Herbstrauschen dargestellt haben. Heute sieht es fast so aus, als wäre die Stimmung der umliegenden Häuser und Bäume im Laufe der Jahre vom Future Art Lab regelrecht aufgesogen worden. Das Haus wirkt warm und schimmert in schönen, goldigen Herbstfarben.
Die Ausschreibung war recht komplex, das Raumprogramm ziemlich umfangreich, mit hohen technischen Vorgaben. Wie nähert man sich so einem Projekt? Wie kriegt man die technische Pflicht und die musische Kür in den Griff?
Christoph Pichler (CP): Indem man mit der musischen Kür beginnt! Natürlich ist so ein Entwurfsprozess ein permanentes Hin und Her, aber wir finden unseren primären Ansatz immer, indem wir uns zunächst einmal mit der konzeptuellen, sinnlichen Komponente von Architektur auseinandersetzen, bevor wir damit anfangen, das geforderte Raum- und Funktionsprogramm unterzubringen.
Eine der wichtigsten Anforderungen war, die Sonderräume wie etwa Konzertsaal, Klangtheater, Aufnahmesaal und Kino schalltechnisch vom Gebäude zu entkoppeln. Wie haben Sie das gemacht?
CP: Im Großen und Ganzen haben wir die akustischen Klangräume zu einem Turm übereinandergestapelt. Damit ist es uns gelungen, das akustische Herz des Gebäudes zu bündeln und von Unterrichts- und Verwaltungsräumen zu entkoppeln.
JT: Was die bauphysikalischen Anforderungen betrifft, so haben wir in Zusammenarbeit mit dem Büro Müller-BBM alle akustischen Stückln gespielt, die es gibt: Raum-in-Raum-Konstruktion mit doppelschaligen Stahlbetonwänden, dazwischenliegende Schalldämmung, akustische Entkoppelung mit Luft und Sylomer-Lager, damit sich ja kein Luft- und Körperschall durchs Gebäude fortpflanzt, sowie innenliegende Aufdoppelungen in Holz- und Trockenbauweise.
CP: Außerdem haben wir versucht, keine Unterrichtsräume direkt neben einem Konzertsaal zu situieren, sondern nach Möglichkeit Gang- und Allgemeinflächen als Pufferzone dazwischenzuschalten. Das Schöne ist, dass wir bei diesem Projekt selbst viel Neues dazugelernt haben. Beispielsweise mussten wir das Klangtheater so gestalten, dass es für ein bestimmtes Audiowiedergabe-Verfahren – für die sogenannte Wellenfeldsynthese (WFS) – geeignet ist. Eine spannende Aufgabe!
Die Säle unterscheiden sich stark voneinander, wirken mal warm und gemütlich, mal düster und dramatisch. Welche Idee steckt da dahinter?
JT: Die Säle dienen ja unterschiedlichen Nutzungen, sind mal klassischer Konzertsaal, mal Aufnahmestudio, mal Experimentalbühne. Ein Konzertsaal verlangt in erster Linie nach reflektierenden Flächen, während ein Aufnahmestudio in vielen Bereichen mit Absorbern ausgekleidet werden muss. Das schlägt sich natürlich auch in der Architektur nieder – beispielweise, indem wir den Aufnahmesaal wie eine Holzschatulle mit akustisch wirksamen Holzflächen gestaltet haben. Der perfekte Klang, den man anstrebt, gibt viel vor.
Von allen Sinnen arbeitet die Architektur am stärksten mit der visuellen Wahrnehmung. Hier jedoch dreht sich alles ums Hören. Wie schafft man als Architekt diese Unterordnung?
JT: Raumerfahrung besteht ja nicht nur aus Sehen, sondern auch aus Tasten, Riechen und Hören. Es geht um das sinnliche Gesamterlebnis. Wir sehen das überhaupt nicht als Unterordnung, sondern als einen essenziellen Teil von Architektur. So, wie wir eine visuelle Vorstellung eines Raumes haben, stellen wir uns den Raum auch akustisch und olfaktorisch vor. Für die Details holen wir uns dann Akustikexpert_innen ins Boot.
CP: Die akustische Komponente eines Raumes ist architektonisch betrachtet ebenso spannend wie die visuelle. Manchmal, wenn ich eine Kirche oder einen Konzertsaal betrete, klatsche ich kräftig in die Hände, um zu hören, wie das Gebäude klingt.
Gibt es auch so etwas wie eine Symbiose aus Sehen und Hören?
CP: Ja, und zwar liegt die Gemeinsamkeit in der Physik. Sowohl Licht als auch Schall breiten sich über Schwingungen aus. Im Film fallen diese Schwingungen zu einem gemeinsamen Produkt zusammen: In den alten Filmrollen beispielsweise wurde die Tonspur ursprünglich mit Licht abgenommen. Wir haben uns an diesen Schwingungen orientiert und haben dieses charakteristische Sujet als Sichtschutz auf die Glaswände im Gebäude appliziert.
Haben Sie einen Lieblingsraum, eine Lieblingsecke im Haus?
CP: Oh ja! Mein liebster Blick ist, wenn man in der Filmakademie im Halbgeschoß steht und zum Foyer hochschaut und dabei die gesamte diagonale Erschließungsachse überblickt.
JT: Sehr dramatisch! Das sehe ich auch so. Ab und zu schimmert eine auberginefarbene Wandfläche durch, die anzeigt, wo sich im Haus die akustischen Sonderräume wie etwa das Klangtheater befinden. Fühlt sich an, als würde man in einer Zeichnung von M. C. Escher stehen! Abgesehen vom Innenraum blicke ich gerne auf die Fassade, die sich dynamisch ums Eck biegt.
Die Lamellen vor den Fenstern sind sehr auffallend. Man muss dabei an Saiten, Tasten, Notenlinien denken. Welches Zitat steckt denn tatsächlich dahinter?
JT: Schön, wenn man beim Blick auf die Fassade all diese Assoziationen hat. Das freut uns sehr! Die Realität ist eine viel funktionellere: Die eine Fassade blickt Richtung Süden, wo man die hochstehende Mittagssonne abschatten muss – also horizontal. Die anderen Fassaden liegen im Osten und Westen, wo man die tief stehende Sonneneinstrahlung minimieren muss – also vertikal.
Und im dramatisch gestalteten Eckbereich, wo sich der Übergang von den vertikalen auf die horizontalen Lamellen befindet?
JT: Da haben wir eine geometrische, kontinuierliche Form gesucht, um den Übergang nicht allzu abrupt erscheinen zu lassen.
CP: Eine schöne Inspirationsgrundlage dafür waren alte Transistorradios und Juke-Boxes, wie man sie aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren kennt. Diese Apparat-Anmutung eines elektroakustischen Geräts mit hartem Gehäuse und linearen Lautsprecher-Öffnungen hat uns von Anfang an fasziniert.
Warum gerade in dieser Farbe?
CP: Wir wollten uns an Musikinstrumenten orientieren, das Gebäude aber gleichzeitig nicht zu messinghaft und zu trompetenmäßig erscheinen lassen. Ein guter Kompromiss ist dieser herbstliche Champagner-Ton.
Abschlussfrage: Wie klingt das Future Art Lab?
CP: Für mich klingt der Campus nach einem wilden Zusammenspiel, nach einem dissonanten Klangteppich, der aus den Räumen und Instituten ins Campusareal hinausdringt.
JT: Ich denke an die Nouvelle Cuisine Big Band – konkret vielleicht sogar an das Album Mozart Revisited, das vor einigen Jahren erschienen ist. Es geht um das Weiterdenken und Weiterentwickeln einer scheinbar längst bekannten, bestens vertrauten Musik, die dann doch zu unglaublichen Überraschungen führt.