März 2020: Als Österreich vor ziemlich genau einem Jahr in den ersten Lockdown ging, musste auch der Beethoven-Wettbewerb auf unbestimmte Zeit verschoben werden. 34 junge Pianist_innen hätten eigentlich im April den Hauptwettbewerb in Wien bestreiten sollen. Doch im April konnte natürlich niemand anreisen. Die Wettbewerbsorganisation musste stattdessen darüber nachdenken, wie man einen internationalen Wettbewerb inmitten einer Pandemie wieder auf die Beine stellen kann. Jetzt steht fest: Der einzigartige Klavierwettbewerb wird neue Wege gehen und könnte damit auch für andere Wettbewerbe zum Vorbild werden.

Im Beethovenjahr 2020 wäre der ausschließlich Beethovens Werken gewidmete Wettbewerb zum 16. Mal ausgetragen worden. Die Siegerin oder der Sieger werden nun in der Verlängerung, im Jahr 2021, gekürt. Applaudieren und gratulieren wird trotz allem ein Live-Publikum. Denn anstatt den Wettbewerb komplett ins Netz zu verlegen, hat man sich für eine innovative Hybrid-Lösung entschieden. Ein Teil des Wettbewerbs wird digitalisiert – ein anderer nach hinten verschoben, um auf das unersetzbare Live-Erlebnis nicht verzichten zu müssen.

Was hat man sich dafür überlegt? Die erste Runde, in der 34 Talente ihr Können unter Beweis stellen, findet virtuell statt. Denn auch im Frühjahr 2021 ist mit eingeschränkten Reisemöglichkeiten weltweit zu rechnen. Ob der Internationalität des Wettbewerbs – die Kandidat_innen leben in elf verschiedenen Ländern – sind zudem nicht nur die österreichischen Vorgaben, sondern auch die internationale Situation zu beachten.

Im Herbst – so der berechtigte Optimismus – reisen die Teilnehmer_innen wieder physisch nach Wien und feiern vor Live-Publikum einen krönenden Abschluss.

Mit Hybrid in die Zukunft

Am genauen technischen Ablauf wurde lange gefeilt. Die erste Runde wird als Streaming-Event ausgetragen. Die Kandidat_innen liefern hochwertige Videobeiträge, die der Jury als Entscheidungsgrundlage dienen. Um den hohen Anforderungen in Sachen Qualität zu genügen und auch um größtmögliche Vergleichbarkeit der Beiträge zu gewährleisten, erhalten die Teilnehmer_innen dabei Unterstützung. Aufnahmen können an der mdw und bei Bösendorfer-Händlern weltweit angefertigt werden. Termine in den Kulturmetropolen Seoul, Tokyo, New York City und voraussichtlich Sydney wurden geplant.

Das Publikum kann diese Phase des Wettbewerbs über die mdwMediathek verfolgen und alle Videobeiträge der ersten Runde ansehen – unabhängig voneinander, mehrmals und zu jeder beliebigen Zeit. Bis zum 19. April treffen alle Videoaufnahmen ein. Die hochkarätig besetzte Jury wird Ende April bekanntgeben, welche zwölf Talente für das Semifinale und schließlich für das Finale im Oktober ausgewählt wurden.

Klimafreundlich

Der digitale Part des Wettbewerbs mag aus der Pandemie heraus entstanden sein, bietet aber angesichts des Klimawandels dauerhaft die Chance, Ressourcen zu schonen. Internationale Musikwettbewerbe seien ganz wichtig für die Karriereentwicklung, betont der künstlerische Leiter des Wettbewerbs Jan Jiracek von Arnim.

Überdenken sollte man allerdings die Praxis, 100 junge Talente einzufliegen, nur um das Teilnehmer_innenfeld in einer ersten Runde dann stark zu reduzieren: „Hier müssen meiner Meinung nach neue Wege gesucht werden, um den bedenklichen ökologischen Fußabdruck angesichts dieser vielen Reisen zu verringern. Unser Weg mit einer digitalen ersten Runde ist vielversprechend. Ich bin sicher, dass diese Lösung für andere internationale Wettbewerbe eine Vorbildfunktion haben wird.“

Unersetzbares Live-Erlebnis

Eine digitale Durchführung des gesamten Wettbewerbs kam trotz dieser Vorteile nicht infrage. Denn die jungen Talente haben bei „analogen“ Wettbewerben nicht nur die Chance auf Trophäen und Preise, sondern vernetzen sich international mit Gleichgesinnten, tauschen sich aus, vergleichen sich und lassen sich inspirieren.

So ein „Festival der Musik“ dient laut Jan Jiracek von Arnim als Plattform und bietet auch für ein anwesendes Publikum eine besonders intensive Erfahrung: „Junge Teilnehmer_innen aus aller Welt spielen am selben Tag hintereinander auf dem gleichen Instrument, teilweise wiederholen sich Sonaten, und doch klingt es jedes Mal anders. Intensiver als auf diese Weise lässt sich Beethoven – noch dazu in seiner gewählten Heimatstadt! – kaum erleben.“

Das Semifinale und das Finale des Wettbewerbs werden deshalb „wie gewohnt“ vor Live-Publikum im Brahms-Saal und im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins stattfinden – von 18. bis 21. Oktober 2021. Die Jury wird die Interpret_innen auf der Bühne erleben, wird ihre Leidenschaft für die Musik, und ihr Können beobachten und sehen, wie sie mit der Auftrittssituation umgehen und das Publikum in ihren Bann ziehen.

Das Beste beider Welten

Angesichts der anhaltenden Unsicherheit in Bezug auf die Pandemie ist man für den Abschluss des Wettbewerbs im Oktober optimistisch und gleichzeitig realistisch: Bei zwölf Semifinalist_innen wird die Flexibilität groß genug sein, um auch bei andauernden Einschränkungen im Kulturbereich zur Not mit reduziertem Publikum spielen zu können.

Der Beethoven-Wettbewerb hat damit einen Weg gefunden, das Beste beider Welten zu vereinen: die Bequemlichkeit der Online-Welt und die Magie der Musik bei einem Live-Konzert.

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