Ein Gespräch mit Hans-Peter Weiss (BIG) im Vorfeld der Eröffnung des Future Art Lab
Bereits vergangenen Sommer fertiggestellt, wurde im Future Art Lab rasch der Betrieb aufgenommen. Auf seine feierliche Eröffnung musste der Neubau am Campus der mdw aber pandemiebedingt länger warten. Hans-Peter Weiss, CEO der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), hat den gesamten Planungs- und Bauprozess begleitet und erzählt im Vorfeld der Eröffnung des Future Art Lab am 7. Juni 2021, wie die BIG als Bauherrin inspirierende Orte zum Lernen und Arbeiten gestaltet, wie sie auf Klima- und Coronakrise reagiert und wie die Zusammenarbeit mit einer Kunstuniversität aussieht.
Universitäten haben mit Blick auf die räumliche Ausstattung ganz spezielle Bedürfnisse. Welche Rolle nimmt die Bundesimmobiliengesellschaft bei der Gestaltung von Universitäten ein?
Hans-Peter Weiss (HW): Die Gestaltung von Universitätsgebäuden und die Entwicklung ganzer Campusstandorte erleben seit einigen Jahren eine ungeheure Dynamik. Vor zehn Jahren haben wir zusammen mit der Wirtschaftsuniversität Wien den Campus WU gleichsam auf der grünen Wiese geplant und errichtet. Bei seiner Eröffnung war er eine Sensation in Wien. Inzwischen hat er mit seinen vielen Freiflächen und dem gastronomischen Angebot einen ganzen Stadtteil belebt und ist zur touristischen Attraktion geworden. Für das Aufblühen von Universitätsvierteln und ihrer Nachbarschaft gibt es etliche Beispiele aus Wien und aus den Landeshauptstädten. Ein besonders Schönes, an dessen Anfang allerdings nicht die grüne Wiese, sondern ein bestehender Gebäudekomplex mit überraschender Vorgeschichte stand, ist der Campus der mdw. Die Errichtung und Entwicklung von Universitätsstandorten ist eine spannende, verantwortungsvolle Aufgabe. Besonders herausfordernd ist die Adaptierung von historischer Bausubstanz für einen zeitgemäßen Universitätsbetrieb und die Verbindung mit neuen baulichen Elementen. Sie setzt eine besondere technische Expertise und viel Verständnis für den universitären Betrieb voraus. Immerhin beherbergen unsere Universitätsgebäude alles vom Flügel bis zu Elektronenmikroskop, von tausenden Studienanfänger_innen bis zu Spitzenwissenschaftler_innen und zum Oscar-Preisträger. Architektur und atmosphärische Komponenten spielen eine gewichtige Rolle, wenn wir inspirierende Orte zum Lernen und Arbeiten schaffen wollen, ebenso wie Klimaschutz und die Langlebigkeit von Gebäuden.
Die BIG und die mdw verbindet ein langer gemeinsamer Weg: Der Campus am Anton-von-Webern-Platz ist durch Um-, Zu- und Neubauten zu einem lebendigen, bestens ausgestatteten Zentrum für musikalische, pädagogische und wissenschaftliche Ausbildung geworden. Welche Bedeutung hat diese langfristige und grundlegende Zusammenarbeit für die BIG?
HW: Das Gebäudeensemble am heutigen Anton-von-Webern-Platz, der übrigens eigens für die mdw erst zu einem eigenen Platz wurde, hat eine besondere Geschichte. Kaiser Joseph II. ließ hier am damaligen Wiener Neustädter Kanal ein Tierspital errichten, das im Laufe der Jahre mehrfach adaptiert und schließlich von der k. u. k. Tierärztlichen Hochschule zur Veterinärmedizinischen Universität Wien wurde. Nach einer Generalsanierung mit Architekt Reinhardt Gallister, bei der die historische Struktur bewahrt wurde und die Räumlichkeiten akustisch für eine Musikuniversität vorbereitet wurden, zog Ende der 1990er-Jahre die mdw ein. Seitdem haben wir gemeinsam einen modernen Campus geschaffen, der der international führenden Musikuniversität in der Musikwelthauptstadt Wien würdig ist. Das ist das schöne Ergebnis einer langfristigen, vertrauensvollen und kreativen Zusammenarbeit, die sich seitens der Universität und der Bundesimmobiliengesellschaft auf allen Ebenen etabliert hat. Bei uns liegt sie in den engagierten Händen von Projektleiter Thomas Breitsching, der gemeinsam mit dem kurz nach Baubeginn in den Ruhestand gewechselten Berthold Scheurer auch den Bau des Future Art Lab verantwortet hat, und Asset Manager Christian Wagner. Das Future Art Lab ist der jüngste Baustein im Campus-Inneren.
An der mdw ist die Freude groß, dass das von Pichler & Traupmann entworfene Future Art Lab seinerseits als architektonisches Kunstwerk die besten Bedingungen für die Entfaltung der an unserer Universität gelehrten Künste bietet. Worin bestehen für Sie die speziellen Herausforderungen einer Kunstuniversität?
HW: Da möchte ich zuerst ein Beispiel aus Linz bringen: Dort haben wir die beiden massiven Brückenkopfgebäude für die Kunstuniversität adaptiert. Sie sollten ursprünglich der monumentale bauliche Auftakt eines Prachtboulevards für Hitlers geplante „Führerstadt“ werden und wurden dann jahrzehntelang als Finanzamt genutzt. Es bedeutete eine große Zäsur, eine Kunstuniversität in Gebäuden mit dieser Geschichte heimisch zu machen – und sichtbar sollte die neue Nutzung auch sein. Dafür sorgt jetzt mit dem „Transzendenzaufzug“ ein „Kunst & Bau“-Projekt unserer Kunstinitiative „Big Art“: eine begehbare Lichtskulptur der Künstlerin Karin Sander, die zehn Meter aus dem Gebäude herausragt und als weithin sichtbares städtebauliches Zeichen für die neue Nutzung wirkt. Während technische Universitäten bei ihren Bauvorhaben oft sehr funktional denken, muss für eine Kunstuniversität auch das Ambiente passen. Das war uns auch bei der Planung für das Future Art Lab bewusst. Mit dem Future Art Lab haben wir gemeinsam mit der mdw und dem Architektenteam ein Universitätsgebäude geschaffen, das in jeder Hinsicht besonders ist. Die Architektur ist spektakulär und gleichzeitig auf das Wesentliche reduziert. Bauweise und Raumkonzept liefern die Voraussetzung für Aufnahmen und Aufführungen auf Weltniveau. Atmosphärisch konnten wir eine Umgebung gestalten, die künstlerisches Schaffen anregt. Die Fassade besteht aus Aluminiumverbundplatten, die das charakteristische Schimmern erzeugen, im Inneren des Gebäudes kommt Sichtbeton als nüchterner Gegenspieler zur „glänzenden“ Fassade zum Einsatz. Die beiden großzügigen Terrassen schaffen eine Verbindung zum grünen Campushof. Die Architektur eines Universitätsgebäudes ist auch immer ein Statement. Für die Universität für Bodenkultur Wien haben wir ziemlich zeitgleich mit dem Future Art Lab ein Seminargebäude aus Holz errichtet. Für den mdw Campus war die goldige, moderne Fassade passend.
Mitten in der Pandemie fertiggestellt und bezogen, hat sich das Future Art Lab als Glücksfall für die mdw erwiesen und dazu beigetragen, dass der Unterricht auch in Zeiten von Corona-Beschränkungen bestmöglich fortgeführt werden konnte: Topinfrastruktur in Übe- und Unterrichtsräumlichkeiten, Konzertsaal, Kino und Klangtheater und nicht zuletzt die Aufnahmestudios erlauben es, sich die Welt digital ins Haus zu holen, bzw. ebenso aus dem Campus in die Welt hinaus zu streamen. Was kann man aus der Krise mitnehmen für zukünftige Bauprojekte? Wie können die BIG und die Universitäten den gegenwärtigen Krisen – von der Corona- bis zur Klimakrise – begegnen?
HW: Uns und auch den Universitäten ist an einer langfristigen, vorausschauenden, verantwortungsvollen und damit nachhaltigen Planung gelegen. Das beginnt mit der Frage, wie wir Bestandsgebäude sinnvoll nutzen. Diese Fragen haben wir gemeinsam mit der mdw wunderbar gelöst. Denkmalschutz wird mehr und mehr auch zu einem Faktor für den Klimaschutz, wenn wir Bestandsobjekte konsequent instandhalten, vielleicht für neue Nutzungen adaptieren und vor allem nutzen. Gerade unsere Universitätsbauten aus den letzten Jahren sind Musterschüler beim nachhaltigen Bauen. Beim zuvor erwähnten Holzbau für die BOKU sieht man das von außen, bei den großen Stahlbetonbauten wie dem Med Campus Graz spielt sich dafür oft viel unter der Erde ab, mit Geothermiesonden, die hundert Meter unter der Erde installiert wurden und Erdwärme nutzbar machen. Auch beim Future Art Lab haben wir Energieeffizienz im Betrieb bedacht. Während der Pandemie hat sich ein Trend ganz klar bestätigt, den wir schon erkannt haben: Optimal ist, wenn man Größe und Funktion von Räumen im Laufe der Zeit adaptieren kann. Gleichzeitig braucht es gerade im Universitätsbau so spezialisierte Bauwerke wie das Future Art Lab, das mit dem Klangtheater, einem Arthouse-Kino, einem Aufnahmesaal und einem Konzertsaal mit hundert Plätzen vier sehr verschiedene Säle unter einem Dach vereint, die technisch, akustisch und atmosphärisch sprichwörtlich alle Stückerl spielen.