Nicht erst seit der Invasion russischer Truppen in der Ukraine, seit dem jüngsten Krieg in Europa, ist die mdw bemüht, geflüchteten Menschen ein Studium an unserer Universität zu ermöglichen. Niederschwelliger Zugang zur Universität kann für Geflüchtete enorme Relevanz erlangen. Denn Flucht bedeutet nicht selten auch eine Unterbrechung von Ausbildung und einen erschwerten Zugang zu Bildungsinstitutionen im neuen Aufenthaltsland.
Flucht kann viele Ursachen haben: Krieg und Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Hunger, Klima und nicht zuletzt die Furcht vor Verfolgung aufgrund der eigenen Identität – all diesen Fluchtgründen gemein ist die Angst um das eigene Leben. Es ist bemerkenswert, wie Flucht heute im medialen und politischen Diskurs kriminalisiert wird, wie das Recht auf das eigene Leben zum Spielball rassistischer Stimmungsmache und politischer Begehrlichkeiten wird. Asyl wird in den letzten Jahren vermehrt als Synonym für ‚illegale‘ Migration wahrgenommen, als Problem und als Gefahr und leider immer seltener als das, was es ist: ein grundlegendes Menschenrecht.
Die mdw hat schon in den 1990er Jahren Studierenden der Musikakademie Sarajevo während des Bosnienkrieges die Fortführung ihrer Musikstudien unbürokratisch ermöglicht. Nach dem Sommer 2015 (der sogenannten Flüchtlingskrise, die eher eine Krise des europäischen Grenzregimes war) hat sich die mdw wie alle anderen staatlichen österreichischen Universitäten der Geflüchteteninitiative MORE der Österreichischen Universitätenkonferenz (Uniko) angeschlossen. MORE-Studierende können als außerordentliche Studierende an Lehrveranstaltungen teilnehmen und so das universitäre Leben und vor allem die Kunst und Wissenschaft, die an der mdw vermittelt werden, kennenlernen.
In der zweiten Hälfte der 2010er Jahre war an der mdw eine überschaubare Anzahl an MORE-Studierenden hauptsächlich aus Syrien, dem Irak und aus Afghanistan inskribiert. Afghanische Studierende waren beispielsweise am Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie Teil eines Forschungsprojekts zu afghanischer Musik in Wien – ihre Sprachkenntnisse und ihr musikalisches Wissen waren in der Forschung zentral. An den meisten österreichischen Universitäten, so auch an der mdw, hat der Zulauf zum MORE-Programm in den letzten Jahren abgenommen. Die Uniko und die MORE-Koordinator_innen der Universitäten waren sich aber einig: MORE muss weitergeführt werden, die Initiative muss unabhängig von aktuellen Fluchtgründen, Kriegen und Katastrophen bestehen. Denn Flucht findet immer statt.
Im Februar 2022 hat das MORE-Programm aus traurigem Anlass wieder an Aktualität gewonnen. Geflüchtete aus der Ukraine zeigten großes Interesse an einem Weiterstudium an unserer Universität, um die Studien, die sie aufgrund des Krieges abbrechen mussten, wieder aufzunehmen. Rasch etablierte die MORE-Koordination an der mdw gemeinsam mit dem Vizerektorat für Organisationsentwicklung, Gender und Diversity, dem Vizerektorat für Lehre und dem StudienCenter ein den ukrainischen Studierenden eigens angepasstes Programm. Zentral ist dabei die Möglichkeit, Kontakt zu den Lehrenden aus den jeweiligen künstlerischen Schwerpunktfächern der Studierenden zu knüpfen und mitunter auch informell Erfahrungen im künstlerischen Unterricht zu sammeln, der den außerordentlichen MORE-Studierenden bisher nicht zugänglich war. Die Fachvertreter_innen und Institute beraten MORE-Studierende individuell, was insbesondere in Bezug auf die Vorbereitung auf künstlerische Zulassungsprüfungen sehr wertvoll ist. Die österreichische Nationalbank ermöglichte mit einer Spende von 25.000 Euro auch Stipendien für MORE-Studierende, die über den Verein der Freunde der mdw ausgezahlt wurden.
Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist zu Redaktionsschluss kaum einschätzbar. Umso wichtiger scheint MORE als Möglichkeit, Zugang zur mdw zu finden und die eigenen Lebensträume auch im Schatten von Krieg und Flucht verfolgen zu können. Das MORE-Programm wird von allen Universitätsangehörigen getragen und entfaltet seine Wirkung insbesondere in individuellen Unterrichtssituationen, wo Studierende zwischenmenschliche Beziehungen zu Lehrenden und anderen Studierenden aufbauen können und ihren künstlerischen Interessen nahe sind. Das ist immens wertvoll – vor allem im Kontext von Fluchttrauma, Verlust von Familienangehörigen und Freund_innen und der politischen Ungewissheit im Heimatland.
Du interessierst dich für das MORE-Programm? mdw.ac.at/refugees_mdw/more