Die Wirkung von Musik auf Körper und Emotionen
Was löst es in uns aus, wenn wir Bässe hören oder genauer gesagt wenn wir sie spüren? Die Wirkung von Macht, Stärke, Ehrfurcht, aber auch Sicherheit und Vertrauen – all das kann durch Bässe und tiefe Töne vermittelt werden. Beim Spielen des Instruments nimmt jeder Musiker und jede Musikerin tiefe Töne nicht nur über das Gehör, sondern auch über taktile Reize, also über den Tastsinn wahr, da unser Körper mit Sinneszellen ausgestattet ist, mit denen wir tiefe Sequenzen durch die erzeugten Schwingungen besonders gut wahrnehmen können. Lippen, Fingerkuppen, Hände und Fußsohlen sind mit Sensoren versehen, daher spüren wir an diesen Körperpartien tiefe Sequenzen am besten. Gerne spielen manche MusikerInnen mit Hörminderung aus diesem Grund barfuß.
Physikalisch betrachtet werden tiefe Frequenzen, d. h. lange Schallwellen, durch lange, dickere Saiten oder lange Röhren erzeugt, wodurch sich die Schallwellen am weitesten ausbreiten können. Kontrabass, Orgelpfeifen oder große Lautsprecher nehmen wir daher schon von weiter Entfernung sehr gut wahr. Je tiefer das Instrument klingt, desto größer ist es auch.
Aus Sicht der Musikpsychologie erzeugen tiefe Töne und Stimmen ein Gefühl von Sicherheit und Stärke, sofern sie im ruhigen Rhythmus vorgetragen werden. Lautstärke und Rhythmus können darüber entscheiden, ob tiefe Töne als bedrohend und furchteinflößend oder beruhigend empfunden werden. Vor allem die Filmmusik bedient sich dieser Möglichkeiten, um ein Spektrum an Emotionen – von Harmonie bis Angst – darzustellen. In der Oper wirkt die Macht des Herrschers oder der Herrscherin am besten durch tiefe Töne und Stimmen auf die ZuseherInnen. Auch im nicht-musikalischen Bereich entfalten tiefe Töne ihre Wirkung: Eine Rede eines Politikers oder einer Politikerin, die mit langsamer, tiefer Stimme vorgetragen wird, wird wohl eher das Gefühl von Vertrauen hervorrufen, als wenn sie mit hoher Stimme und im schnellen Sprechtempo gehalten wird. Auch Ungeborene im Mutterleib hören tiefe Sequenzen gut, wohingegen höhere nicht durchdringen. Mit dem Dröhnen von Bässen und mit den damit verbundenen Vibrationen ist auch ein intensiveres körperliches Erlebnis verbunden, wie der Besuch eines Musikfestivals oder eines Klubs beweist. Selbst gehörlose Menschen können über Schwingungen und Vibrationen tiefe Töne genauso gut wahrnehmen wie hörende Menschen.
Mit der Wahrnehmung des eigenen Körpers beim Spielen des Instruments beschäftigt sich auch Matthias Bertsch von der Abteilung für Musikphysiologie am Institut für Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik sowie Musikphysiologie der mdw. Die MusikerInnengesundheit steht im Zentrum der Tätigkeit der Abteilung, vor dem Hintergrund, dass viele Musikstudierende und BerufsmusikerInnen im Laufe ihrer Karriere mit ernsten gesundheitlichen Problemen aufgrund des täglichen Spielens kämpfen müssen. Verspannungen von besonders geforderten Muskelpartien im Hals-, Nacken- und Schulterbereich oder bei einigen Instrumenten in den Armen sowie Beeinträchtigung der Lippen gehören für viele MusikerInnen zum Alltag. Öffentlich gesprochen wird darüber jedoch selten, vor allem wenn es neben körperlichen auch um psychische Belastungen und Auftrittsängste geht. Um Beschwerden und Belastungen aber vorzubeugen, werden in der Abteilung für Musikphysiologie Lehrveranstaltungen angeboten, um angehende BerufsmusikerInnen in ihrer Körperwahrnehmung zu schulen. Dabei wird der Musikstudierende während des Spielens am Instrument betrachtet, um mögliche belastende Sitzstellungen und Haltungen zu korrigieren. „Wichtig ist, die Selbstwahrnehmung zu trainieren und zu erkennen, dass man den eigenen Körper beeinflussen kann“, sagt Matthias Bertsch, der sich in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der mdw und als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Musik und Medizin intensiv mit der MusikerInnengesundheit auseinandersetzt.
Mithilfe von Messgeräten, die beispielsweise Puls, Atemmuster oder Muskelanspannung messen, wird dem Musiker oder der Musikerin vor Augen geführt, was im Körper während des Spielens passiert. Dadurch wird verdeutlicht, dass etwa durch eine andere Haltung weniger Anspannung nötig ist. Vor allem AnfängerInnen spannen Muskeln an, die für das Spielen nicht unbedingt nötig sind, aber dadurch übermäßig beansprucht werden. Dies ist etwa durch Wärmebildkameras feststellbar. Ein neues Messgerät, das Matthias Bertsch derzeit zusammen mit der ETH Zürich entwickelt, misst den Anpressdruck beim Spielen der Trompete. Wird das Mundstück zu fest auf die Lippen gedrückt, wozu besonders AnfängerInnen oder auch BlechbläserInnen mit Muskelermüdungen neigen, wird die Blutzufuhr zu den Lippen erschwert. Das Messgerät soll Aufschluss über den nötigen Anpressdruck liefern, ohne die Lippen zu stark zu belasten.
Das „richtige“ Spielen von Instrumenten im Sinne des Erhalts der MusikerInnengesundheit muss laut Matthias Bertsch bereits an den Musikschulen zum Thema gemacht werden. Aus diesem Grund wurde auch der Lehrgang für Musikphysiologie an der mdw ins Leben gerufen, der sich unter anderem an Lehrende musikalischer Ausbildungsstätten richtet, um so das Bewusstsein für die MusikerInnengesundheit bereits bei jungen MusikerInnen zu stärken. „In der Musikphysiologie wird vieles mit der Sportmedizin verglichen. Auch von MusikerInnen werden Spitzenleistungen erwartet – und das jeden Abend“, weist Matthias Bertsch auf die Wichtigkeit der Musikpyhsiologie und Musikmedizin hin.