Andrea Kuhn, Diskutantin bei der Podiumsdiskussion „Würde – Freiheit – Gerechtigkeit“ am 10. 12. 2018 an der mdw, ist Leiterin des Nuremberg International Human Rights Film Festival (NIHRFF).

Andrea Kuhn
Andrea Kuhn ©Marcel Nimfuehr

Sie haben in der Diskussion anklingen lassen, dass nicht allein die Auswahl der Festivalfilme zum Thema Menschenrechte politisch sei, sondern auch das Filmemachen selbst. Wie meinen Sie das?

Andrea Kuhn (AK): Wir glauben nicht, dass der Zweck die Mittel heiligt, also dass Filme zum Thema Menschenrechte möglichst starke Emotionen wie Mitleid oder Schock auslösen müssen. Solche Filme machen ihre Protagonist_innen (im Dokumentarfilm) oder ihre Figuren (im Spielfilm) zu bloßen Objekten, eindimensional und entpolitisiert. Solchen Filmen wollen wir gerne komplexe Filme entgegensetzen, die sowohl die Menschen vor der Kamera in ihrer ganzen Menschlichkeit und Widersprüchlichkeit zeigen als auch das Publikum als ein denkendes konstruieren. Und die ihre jeweils ganz eigene Ausdrucksform finden.

Wie versuchen Sie im Rahmen Ihres Filmfestivals in Nürnberg Inklusion im Sinn von Teilhabe möglichst vieler vor dem Hintergrund politischer Repräsentation selbst umzusetzen?

AK: Wir öffnen unser Filmfestival für möglichst viele Menschen wie zum Beispiel Menschen mit geringem Einkommen (freier Eintritt) und gehörlosem Publikum (umfassend integrativer Ansatz). In der Programmierung liegt unser Schwerpunkt auf Filmen, die von Menschen gedreht wurden, die aus der jeweiligen Region stammen, von der der Film handelt, und von einer möglichst diversen Gruppe von Filmschaffenden (Frauen, People of Color etc.) gemacht wurden und daher neue Perspektiven anbieten. Und wir verstehen unser Festival nicht als exklusives, zeitlich begrenztes und lokales Event, sondern wir versuchen unsere Ressourcen (v. a. Fachwissen, Kontakte, Manpower) solidarisch mit Kolleg_innen auf der ganzen Welt zu teilen, wenn diese das wollen, und ihre Stimme zu verstärken, wenn sie in ihrer Heimat unter Druck geraten.

Andrea Kuhn, Beate Winkler
Andrea Kuhn, Beate Winkler ©Marcel Nimfuehr

Inwiefern kann und soll das von Ihnen geleitete Filmfestival auch ein Freiraum sein?

AK: Wir verstehen unser Festival als Ort des Austauschs, aber auch des gemeinsamen Feierns und der Solidarität für Publikum, Filmschaffende und Team. Bei uns gibt es keinen VIP-Bereich – alle sollen sich gleichermaßen gewertschätzt fühlen und miteinander ins Gespräch kommen. Wir wollen die interessantesten Gäste (nicht die berühmtesten) und die beeindruckendsten Filme (nicht die einfachsten und publikumsträchtigsten). Das bedeutet Freiraum für uns. Das bedeutet auch eine Verweigerung des Wachstum-Diktats und leider immer wieder auch Selbstbeschränkung. Und es bedeutet Überzeugungsarbeit zu leisten bei unseren Förderern, auf Corporate Sponsoring weitgehend zu verzichten und Menschen zu finden, die Lust haben, unseren Ansatz zu unterstützen.

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