Karin Wagner, Hugo Kauder (1888–1972): Komponist – Musikphilosoph – Theoretiker, Eine Biographie (exil.arte-Schriften 4) (Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2018); ISBN: 978-3-205-20015-4
Mit der 2018 in der exil.arte-Schriftenreihe erschienen Monografie über Hugo Kauder (1888–1972) legt die Musikwissenschaftlerin Karin Wagner eine rezente Biografie über einen Komponisten, Musikphilosophen und Theoretiker vor, der vor den Nationalsozialist_innen aus Österreich fliehen musste. Wagner gibt intime Einblicke in die Gefühlswelt eines Protagonisten, der auf dem Land aufwuchs und in der europäischen Musik und Großstadt seine Erfüllung fand. Entlang der Lebensstationen Kauders arrangiert sie die Biografie: das mährische Tobitschau/Tovačov – die Stadt seiner Kindheit und Verortung in einem religiös-jüdischen Umfeld sowie der musikalischen Isolation; Wien – Stadt seines musikalischen Erwachens im Austausch mit Karl Weigl, Alexander Zemlinsky, Robert Fuchs und Gustav Mahler; und schließlich New York – Lebensstadt für die Musik.
Zwischen Wien und New York stellt die Autorin das bewegte Kapitel Pause zwischen Vergangenheit und Zukunft und damit viele weitere Erfahrungen: Kauders Erleben des „Anschlusses“ in Wien, der für ihn in dieser Zeit immer wichtiger werdende Austausch mit dem Schönberg-Schüler Hermann Grab, Kauders Auseinandersetzung mit Flucht und Exil und schließlich die nicht mehr aufzuschiebende Notwendigkeit und gleichzeitig das Glück, im Dezember 1938 aus Wien zu fliehen. Wagner lässt den Protagonisten immer wieder in Form seiner zum Beispiel an den Philosophen Rudolf Pannwitz verfassten Briefe zu Wort kommen. So erhalten die Leser_innen Einblick in Kauders Emigration, zunächst in die Niederlande und wenige Monate später weiter zu seiner Frau und seinem Sohn nach London, und erfahren seine Eindrücke von der Ankunft in New York im Februar 1940 – am Endpunkt einer Emigration, die für Kauder „Ein=für allemal“ – also nie wieder zurück nach Wien – bedeute. Alle Lebensstationen umrahmt die Autorin mit einer detaillierten Analyse von Kauders musikalischem Schaffen: in Wien die Entwicklung einer Skalentheorie, angelehnt an die griechische Tetrachordlehre, was der „leidenschaftliche Lehrer“ in New York mit dem Kontrapunkt verband und dafür verschiedene Positionen an amerikanischen Hochschulen angeboten bekam. Wagner bietet zudem das erste umfassende Werkverzeichnis und überrascht ihre Leser_innen mit ausgewählten Korrespondenzen im Anhang.