Studienassistentin und Produktions-Studentin Lena Zechner im Gespräch über den ersten Intimacy-Coordination-Workshop an der Filmakademie Wien
Die MeToo-Bewegung und speziell die im Vorjahr in Österreich aufgekommenen Debatten um Machtmissbrauch an Filmsets haben ein noch neues, bislang wenig bekanntes Berufsbild in den Fokus gerückt: das der Intimacy Coordination (IC), für das es inzwischen auf EU-Ebene anerkannte Ausbildungsmöglichkeiten gibt. Die Filmakademie Wien veranstaltete im Wintersemester 2022/23 einen mehrstufigen Workshop mit der österreichischen Stunt- und Intimitätskoordinatorin Cornelia Dworak, um Hintergründe und Arbeitsweise der IC näher kennenzulernen und erste Praxiserfahrung zu sammeln. Intimacy-Koordinator_innen übernehmen an Filmsets eine Vermittler_innenrolle, begleiten die Arbeit von Schauspieler_innen und Regisseur_innen insbesondere in der Entwicklung von Szenen, in denen Sexualität oder Gewalt dargestellt werden.
„Intimitäts- und Kampfkoordination haben sehr viel gemein“, sagt Dworak. „Eine einvernehmlich erstellte Kampfchoreografie, die im Rahmen der Möglichkeiten der Darsteller_innen liegt, ist unerlässlich für deren Sicherheit und spart Zeit durch die Wiederholbarkeit. Als Koordinatorin bin ich Bindeglied zwischen verschiedenen Departments, Choreografin, Vertrauensperson und trage dazu bei, die Vision der Regie bestmöglich in visuell berührende Bilder zu verwandeln.“ Es sei an der Zeit, an intime Szenen „mit derselben Professionalität heranzugehen und die körperlichen und mentalen Grenzen der Schauspieler_innen zu wahren“.
Für Lena Zechner, Studienassistentin der Filmakademie und Studentin des Fachs Produktion im 3. Jahr, sind strukturelle Veränderungen in der Filmbranche unausweichlich, der Workshop sei ein wichtiger Schritt gewesen, um eine reflektierte Arbeitsweise zu erleben: „Man hört zu viele Geschichten davon, wie es nicht ablaufen soll – von verbalen und sexuellen Übergriffen am Set, die eine junge Generation, wir als Studierende, einfach nicht mehr hinnehmen. So wollen wir nicht arbeiten.“ Für den IC-Workshop hat eine Drehbuchstudentin der Filmakademie eine kurze erotische Szene geschrieben, die von zwei Schauspielerinnen und einer Regisseurin gemeinsam mit der Intimacy-Koordinatorin Dworak erarbeitet wurde. „In unserer Beobachtung hat der Ablauf zunächst sehr technisch gewirkt“, erzählt Zechner, „eine Choreografie, die fast wie ein Tanz einstudiert wird. Das hat etwas Technisches, Wiederholbares, aber dadurch auch klar Definiertes. Beim Screening war ich dann überrascht, dass man davon nichts mehr gemerkt hat.“ Bloß weil Abläufe klar definiert und abgesprochen sind, bedeute das nicht, dass das Ergebnis künstlerisch weniger wertvoll sei. „Ist eine heikle Szene präzise einstudiert, wirkt sie deshalb im Film nicht zwingend ,künstlich‘“ , sagt Zechner. „Der gängige Vorwurf von Kritiker_innen, dass durch die Einbindung von IC am Set die Spontaneität, die ,Wahrheit‘ am Spiel verloren geht, kann in der Praxis leicht entkräftet werden.“
Für die Zukunft wünscht sich Zechner, dass der Einsatz von Intimacy Coordination an Sets zur fixen Gewohnheit wird. Ist man diesbezüglich derzeit noch auf den Goodwill einzelner Produzent_innen angewiesen, hofft die Studentin, dass sich auch durch entsprechende Angebote im Zuge der Grundausbildung ein Bewusstsein für den Wert eines Safe Producing entwickelt: „Wenn ich an der Filmakademie von Beginn an lerne mit IC zu arbeiten, wird es mich später irritieren, wenn diese Person am Set fehlt.“ Wichtig ist Lena Zechner, dass es dabei um eine grundsätzliche Veränderung von – in den vergangenen Monaten vielseitig und kritisch diskutierten – Arbeitsstrukturen geht und nicht um eine Vermeidung von Übergriffen. „Es geht darum, ein Arbeitsklima – für das ich als Produzentin ja auch zuständig bin – zu schaffen, in dem sich die Projektbeteiligten wohlfühlen. Das betrifft vor allem Szenen, die unangenehm oder schwierig zu drehen sind, aber auch generell die Arbeit mit Kindern oder Personen mit Einschränkungen am Set.“ Zechner hofft, dass die ersten nun an der Filmakademie gesammelten Erfahrungen zu Nachfolgeprojekten führen, in der Ausbildung verstärkt integriert werden und so auch an jüngere Jahrgänge weitergegeben werden. Sie selbst möchte in ihren zukünftigen eigenen Filmprojekten die professionelle Vermittlungsarbeit von Intimacy Coordinators einsetzen und damit weitere Erfahrungswerte für andere Filmschaffende erzeugen, denn: „Wir schaffen den Umschwung zu einem saferen Set nur, wenn allen Beteiligten auch bewusst ist, dass sie das einfordern dürfen, wenn sie es brauchen.“