Unter der Leitung von Ralf von Appen, Leiter des ipop – Institut für Popularmusik, fand im vergangenen Sommersemester an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien erstmals ein Seminar mit einem Schwerpunkt zur US-amerikanischen Sängerin Taylor Swift statt. Gemeinsam mit Studienassistentin Mira Perusich und 23 Studierenden wurde Swift wissenschaftlich genau unter die Lupe genommen.

Die Teilnehmer_innen des Seminars. © privat

Zusätzlich wurde der Diskurs von vier Gastdozenten bereichert. Der Blogger Asaf Peres sprach, via Online-Meeting aus New York, über Merkmale von aktuellen Top-40-Hits. Malte Kob vom Antonio Salieri Institut für Gesang und Stimmforschung in der Musikpädagogik ermöglichte einen genaueren Einblick in die Stimmanalyse. Patrick Pulsinger, Musikproduzent und Gastdozent in diesem Sommersemester am ipop, sowie Musiker und ipop-Lehrender Josef Doblhofer, brachten ihr vielfältiges Wissen bei der Repertoirekunde ein. Die zentrale Forschungsfrage, die sich schließlich über das ganze Semester erstreckte, lautete: Warum ist Taylor Swift so erfolgreich?

Swifties
Um diese Frage zu beantworten, beschäftigte man sich zunächst mit den Personen, die diesen Erfolg erst möglich gemacht haben: den Fans. Die selbsternannten „Swifties“ sind eine Gruppe, die vor allem durch Zusammenhalt untereinander geprägt ist. Im Zentrum dieser Popkultur steht nicht die Ausgrenzung, sondern die Inklusion von Fans, unabhängig von ihren Backgrounds. Wie involviert die Fans in Bezug auf ihre Ikone sind, wird durch die sogenannten Eastereggs sichtbar. In Äußerungen, Songtexten, Posts oder auch Farben und Zahlen werden versteckte Hinweise von Swift vermutet und akribisch gesucht. Ebenfalls wird die Beziehung der „Swifties“ zu ihrem Idol durch Interaktionen auf Social Media erkennbar, bei der „Swifties“ stets auf freundschaftlicher Ebene mit der Sängerin kommunizieren und ihre Unterstützung zum Ausdruck bringen.

Songtexte & Ästhetik
Bei der Analyse ihrer Songs kamen die Studierenden zu einem wenig überraschenden, aber dennoch aufschlussreichen Ergebnis über die von Taylor Swift verwendeten Akkordfolgen. In fast der Hälfte der über 60 analysierten Songs wird die gleiche Akkordfolge I/IV/V/vi benutzt und auch überwiegend mit leitereigenen Akkorden komponiert. Auch Swifts Spitzname als „Queen of Bridges“ ließ sich bestätigen – in 85 Prozent der analysierten Songs kommt ein solch überleitender Teil vor.

Ein Blick auf die Produktion brachte hingegen Überraschendes zu Tage. Zum einen wird mit einer Vielzahl an Klangquellen und Sounds gearbeitet, zum anderen folgt jedes ihrer Alben einer – sich stetig ändernden – klaren Ästhetik, welche sich auch durch den Einsatz unterschiedlicher Instrumentengruppen feststellen lässt. Während sie auf ihrem Debütalbum Taylor Swift etwa noch vorwiegend akustische Instrumente verwendete, finden sich auf 1989 hauptsächlich Synthesizer und Drum Machines. Mit Ausnahme der Indie-Folk-Alben Folklore und Evermore zieht sich dieser Wechsel hin zum Synthpop bis zu ihrem zuletzt veröffentlichten Album The Tortured Poets Department durch.

Eine Songzeile aus „You’re On Your Own Kid“ inspirierte Fans weltweit dazu, Freundschaftsarmbänder zu knüpfen und zu tauschen. © privat

Eine Ästhetik war auch bei der Analyse ihrer Lyrics zu erkennen. Das Thema Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Songtexte. Das sorgt dafür, dass sich für praktisch jede Phase der Liebe und des Verliebtseins ein passender Song finden lässt. Andere Themen stellen bei ihren Texten eher die Ausnahme dar. Wie manche Texte aufgefasst werden, zeigt sich auch am Phänomen der Friendship Bracelets: Die Songzeile „Make the friendship bracelets, take the moment and taste it“ aus dem Song You’re On Your Own Kid inspirierte Fans weltweit dazu, Freundschaftsarmbänder zu knüpfen und bei Konzerten untereinander zu tauschen.

Nicht nur Taylor Swifts Texte bieten die Möglichkeit, sich mit ihr zu identifizieren: Auch mit ihrem Stimmeinsatz und gesanglichen Künsten vermittelt Taylor Swift einen natürlichen Stil. Ihre Stimme ist klar und weist kaum Rauheiten auf, was diese vermeintliche Natürlichkeit hervorhebt. Swift hat ihre ersten Alben neu veröffentlicht, um, nach einem langen Streit mit ihrer ehemaligen Plattenfirma, selbst die Rechte dieser Albenzu erhalten, wobei die Produktion auf Reproduktion setzt und nur ihre Stimme als großer Unterschied wahrgenommen werden kann.

Beim Vergleich der beiden Versionen wird durchaus eine Stimmentwicklung sichtbar – sie klingt auf den sogenannten Taylor’s Versions ihrer bisherigen Alben erwachsener und ist sicherer in Intonation und Stimmführung, während auf den „Original Releases“ ihre Stimme kindlicher und unreifer klingt. Auffallend ist, dass bei den ersten Versionen der Alben Backing Vocals mit Autotune bearbeitet wurden, während ihre Stimme unbearbeitet einen authentischen Charakter aufweist.

Image
Dies könnte man als Inszenierung oder Hervorhebung ihrer Authentizität verstehen, die Taylor Swift auch in anderen Bereichen vermittelt. Ihr Image und ihre Persona – also zum einen die Art und Weise, wie sie von der Gesellschaft wahrgenommen wird, und zum anderen die Facetten, die sie von sich selbst darstellt und dem Publikum vermittelt – weisen einen hohen Grad an Nahbarkeit auf.

Sie schafft es, private Einblicke in ihren Alltag zu geben und zugleich als riesiger Popstar aufzutreten. Im Konzertfilm The Eras Tour bekommt das Publikum eine perfekt choreografierte und durchdachte Show zu sehen, während sie bei Formaten wie beispielsweise dem Tiny Desk Concert auf große Inszenierungen verzichtet, als Solokünstlerin eine Auswahl an Liedern alleine präsentiert und darüber hinaus auch Einblicke in Schreibprozesse ermöglicht sowie Hintergründe der Songs preisgibt. In der Dokumentation Miss Americana werden ebenfalls persönliche Aspekte an Zuseher_innen herangetragen, wie beispielsweise Swifts erste große – aber späte – politische Positionierung, bei der sie sich gegen eine konservative Senatorin ausgesprochen hat. Diese allerdings selten vorkommende klare politische Haltung Swifts könnte man aber auch als Vorsichtsmaßnahme betrachten, Fans nicht aufgrund von politischen Ausrichtungen zu vertreiben.

Feminismus
Die Frage, ob Taylor Swift als Feministin gesehen werden kann, ist nicht allgemeingültig zu beantworten: Während sie sich als Feministin präsentiert und auch selbst behauptet eine zu sein, repräsentiert sie dennoch sehr heteronormative und konservative Wertvorstellungen von Weiblichkeit. Während die Veröffentlichungen der Taylor’s Versions als feministischer Akt verstanden werden kann, steht auf der anderen Seite die Frage, wie inklusiv dieser von Swift verkörperte Feminismus tatsächlich ist. Ob Swifts politische Positionierung und ihr gelebter Feminismus als ausreichend gelten, muss letztendlich jede_r für sich selbst entscheiden.

Social Media & Fazit
Taylor Swift und ihr Erfolg lassen sich nicht auf eine einzige Formel zurückführen, weil viele verschiedene Aspekte zusammenwirken. Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass Kommunikation und Interaktion via Internet und vor allem Social Media neue Möglichkeiten darstellen, Reichweite zu generieren. Bei den großen Popstars früherer Jahrzehnte existierten diese Plattformen noch nicht. Für Swift ist das wohl auch einer der Gründe, warum ihre Präsenz und Relevanz in den vergangenen Jahren so bedeutend und breitenwirksam werden konnten.

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