Festwoche am Institut für Kompositionsstudien, Ton- und Musikproduktion der mdw

Die Festwoche BALLADE(N) F//R EINE*N BULLDØZER im April 2024 – die erste ihrer Art am Institut für Kompositionsstudien, Ton- und Musikproduktion – bot eine eindrucksvolle Plattform zur Präsentation und Reflexion zeitgenössischer Musik. Anlass waren zwei Antrittskonzerte und eine Antrittsvorlesung von neuen Professor_innen, die damit ehemaligen bzw. scheidenden Kolleg_innen die Hand reichten. Dieser Generationenwechsel führt im Hinblick auf das neu zu entwickelnde Bachelor-Master-Studium Komposition/Musiktheorie zu einer Vielzahl von Fragen, die im Rahmen eines Roundtables diskutiert wurden. Als Moderatorin kehrte Ursula Strubinsky an die mdw zurück, die nicht allein als Ö1-Redakteurin und Expertin für zeitgenössische Musik großes Ansehen genießt, sondern einst an der mdw ihr Kompositionsstudium abgeschlossen hat.

© Stephan Polzer

Inspiriert vom gleichnamigen Werk der ehemaligen Professorin Iris ter Schiphorst aus dem Jahr 1989 beleuchtete die thematische Rahmung der ganzen Festwoche die dynamische Beziehung zwischen Musik und Gesellschaft, symbolisiert durch die Metaphern der Ballade und des Bulldozers. Als stellvertretender Instituts- und Ressortleiter für Komposition und Musiktheorie betonte Wolfgang Suppan, wie essenziell es sei, die Bedeutung zeitgenössischer Musik und ihre gesellschaftliche Verankerung durch ständige Reflexion und praxisnahe Aufführungen voranzubringen.

© Stephan Polzer

Künstlerisch federführend wirkte der Leiter des Platypus Ensembles Jaime Wolfson – auch er ein mdw-Absolvent des Studienzweigs Komposition –, der die Festwoche mit dem Schwerpunkt Medienkomposition eröffnete. Das Eröffnungskonzert diente zur Vorstellung der beiden jüngst berufenen Professoren – Jorge Sánchez-Chiong und Walter Werzowa – und war zugleich das Antrittskonzert von Judit Varga, das der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen war. Den Ausgangspunkt bildete Iris Ter Schiphorsts Ballade, in der die brachiale Präsenz des Bulldozers mit einer Violine und elektronischen Klängen zusammenprallt und damit klangliche Radikalität mit gesellschaftlichem Kommentar vereint. Judit Vargas Variazioni con Tema (I. Beethoven is Fading Away) ist zwar eine – nicht zuletzt theatralische – Hommage an Beethoven zu seinem 250. Geburtstag, zugleich aber eine kritische Auseinandersetzung mit seinem musikalischen Erbe. Walter Werzowa holte Beethoven in die Gegenwart und zeigte mit dem dritten Satz seiner Rekonstruktion von Beethovens unvollendeter 10. Symphonie ein Projekt, das mithilfe künstlicher Intelligenz realisiert wurde. Jorge Sánchez-Chiongs audiovisuelle Komposition HYPERHYPERDUST verweist mit gehackten Überwachungskamerabildern, 3-D-Chimären und fehlerhaften Metamorphosen poetische und immersive Erfahrungen auf krisenhafte Konstellationen der Gegenwart.

© Stephan Polzer

Das zweite Konzert galt den neuen Professor_innen für Komposition Clara Iannotta, Gerald Resch und Olga Neuwirth. Gerald Resch schloss mit seinem Werk Con moto an ästhetische Fragen der Medienkomposition an, indem er seine Studie über Transformationen von Bewegungsmustern mit einem Video von Simon Vosecek verband. Ebenso wie Iris ter Schiphorst knüpften Olga Neuwirth und Clara Iannotta an lebensweltliche Klangszenarien an: Neuwirths Magic Flu-idity erkundet die klanglichen Möglichkeiten und die Virtuosität der Soloflöte im Dialog mit der assoziationsreichen Klangumgebung einer Schreibmaschine, während Iannottas echo from afar (II) die akustische Raumerfahrung in Geräten für Strahlentherapie mit der sich wandelnden Struktur einer therapierten α-Helix überschreibt. Martin Lichtfuss schließlich verabschiedete sich mit seiner satirischen Hommage K*tzbühel – eine patriotische Huldigung aus dem Institut in den Ruhestand.

© Stephan Polzer

Das Thema Geoff Palmers ’News from the Kepler Space Telescope’: Musikalischer Satz einer modernen metaphysischen Dichterin erlaubte es Frauke Jürgensen als neue Inhaberin des Gründungslehrstuhls Musiktheorie Fragen aufzuwerfen, die dem Fach aus den Digital Humanities erwachsen und gleichzeitig Technikbezug und kompositorische Kreativität mit ihrer eigenen künstlerischen Praxis als Sängerin in Verbindung bringen.

So führte schließlich das Thema des Roundtables Zwischen Kontrapunkt und KI die Diskussion der neuen und alten Kolleg_innen zu einer Annäherung aller in den Antrittsveranstaltungen aufgeworfenen Fragen, die das Institut in den kommenden Jahren auf dem Weg zu den neuen Studienplänen Komposition/Musiktheorie begleiten müssen.

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