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Drazic: Die Politik des Kritischen Komponierens

1.1 Helmut Lachenmann und das Kritische Komponieren

1 Einleitung 1.1 Helmut Lachenmann und das Kritische Komponieren   Die Frage, inwiefern ein Komponist durch sein Schaffen affirmativ oder kritisch oder gar verändernd auf das Bewußtsein seiner Zeitgenossen wirken kann, ist demnach nicht eine Frage nach den Parolen […], sie ist vielmehr eine Frage seiner Kompositionstechnik.1 [Musik] wird um so besser sein, je tiefer sie in ihrer Gestalt die …


1.2 Theorie und Methode

Die Grenzen des Sagbaren: der Diskursbegriff In Zusammenhang mit dem Diskursbegriff liegt ein Rekurs auf Michel Foucault auf der Hand. Dieser sieht den Gegenstand der Diskursanalyse durch Aussagen konstituiert, die durch ihre Wiederholung und Gleichförmigkeit über Zeit- und Textgrenzen hinweg charakterisiert sind.40 Der Diskurs bestimmt die Grenzen des Sagbaren, er legt fest, welche Aussagen in einem bestimmten Rahmen möglich sind: …


1.3 Vom Text zum Kontext: das analytische Verfahren

Wie ihre Vertreter*innen betonen, handelt es sich bei der CDA um keine festgelegte Methode.66 Ihr Ansatz wird in diesem Buch daher mit detaillierter ausgearbeiteten diskursanalytischen Verfahren – wie jenen von Reiner Keller und Hubert Knoblauch, insbesondere aber der von Achim Landwehr beschriebenen ›historischen Diskursanalyse‹ – kombiniert.67 Wie von Fairclough vorgeschlagen, vollzieht sich das Analyseverfahren in drei Etappen: I. Zunächst wird …


2.1 Der Komponist als Autor – eine problematische Doppelrolle

Teil I: Innenansicht 2 Lachenmann als Autor 2.1 Der Komponist als Autor – eine problematische Doppelrolle Sind die Texte einer Komponist*in als eine Art Gebrauchsanweisung zu lesen, wie ihre Musik ›richtig‹ zu hören und zu verstehen sei? Nichts wäre verlockender, als sich den fremdartigen zeitgenössischen Klanggebilden, all den offenen Fragen und dem Fehlen von dechiffrierbaren Signifikanten nicht schutz- und orientierungslos aussetzen zu …


2.2 Der Status von Komponist*innenkommentaren

Während ein Teil der schriftlichen Äußerungen von Komponist*innen eigenständige theoretische Entwürfe enthält, handelt es sich bei anderen um Nebenerzeugnisse der kompositorischen Praxis. In jedem Fall sind die Autor*innen nicht nur Schreibende, sondern auch (und oft primär) Komponist*innen und ihr Schreiben somit nicht unabhängig von dieser Praxis zu denken. So dient das Sprechen und Schreiben von Komponist*innen selbstverständlich auch der Wahrnehmbarkeit …


2.3 Intentio Auctoris

An der Frage, welche Bedeutung den Erläuterungen der Urheber*in für die Analyse und Deutung des Werkes zukomme, scheiden sich die Geister. Bereits in den 1940er-Jahren degradierte der New Criticism die zuvor hochgehaltene Autor*innenintention im Zeichen der Werkimmanenz zur nebensächlichen und zudem unzugänglichen Privatmeinung: »[…] the design or intention of the author is neither available nor desirable as a standard for …


2.4 Der Stellenwert der Komponist*innenkommentare im Sprechen über Lachenmann

Innerhalb der Lachenmann-Literatur genießen die Schriften des Komponisten einen hohen Stellenwert. Hiekel bezeichnet 2006 das Gros der Texte über den Komponisten als »erweiterte Paraphrase dessen […], was er selbst in seinen Kommen­taren ausführte.«24 Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich bei diesen Schriften nicht um jene eines Philosophen oder Musikwissenschaftlers handelt, erscheint bemerkenswert, wie sich nicht nur die musikwissenschaftliche …


2.5 Der Eigenkommentar als Bestandteil des Werkes?

Die Tatsache, dass Lachenmann so eingehend zu ästhetischen Fragen Position bezogen und damit den Diskurs der ›neuen Musik‹ weitreichend geprägt hat, veranlasste manche Autor*innen – etwa Albrecht Wellmer –, die Texte des Kompo­nisten als konstitutive Bestandteile seiner Werke zu begreifen.36 Auch Hiekel äußert die Vermutung, Verstehensversuche von Lachenmanns Musik (oder Musik überhaupt) seien auf die Wortsprache angewiesen,37 und stellt mit …


2.6 Brüche und Konstanten in Lachenmanns Schreiben

Aufbauend auf Reiner Kellers oben zitierter Definition von Diskursen wird das Sprechen über Lachenmann und das Kritische Komponieren nicht nur durch das gemeinsame Thema, sondern auch durch wiederkehrende Topoi, typische Argumentationsmuster sowie durch Regeln des Sagbaren und des Unsagbaren konstituiert. Dennoch wäre es fahrlässig, den hier untersuchten Diskurs als Einheit zu behandeln. Allein die Texte Lachenmanns, die den inneren Kern …


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