PORNOGRAPHIE: SPIEGEL BIOTECHNOLOGISCHER MACHTBEZIEHUNGEN?
Stefanie Graul
Pornographie wurde seit den 1960er-Jahren äußerst kontrovers im Spannungsfeld zwischen Repression/Misogynität und Befreiung/Wissen/Lust diskutiert. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass sie sowohl repressiv, also heteronorme Machtbeziehungen verstärkend, als auch gegenhegemonial, also befreiend sein kann. Jedoch handelt es sich hierbei nicht um Gegensätze, sondern eher um foucaultsche Verflechtungen multipler Beziehungen, die durch die diskursive Inbesitznahme aller Teile des weiblichen Körpers (insbesondere der Vulva) gleichzeitig repressiv und ermächtigend wirken, weil hierdurch einerseits biotechnologische Normalisierungen stattfinden, andererseits über neues Wissen Lust erzeugt wird. Diese Paradoxien werden inzwischen als äußerst produktiver Kern von Kapitalismus und Macht gesehen, weil hinter ihrer Janusköpfigkeit genealogische Funktionsweisen verborgen werden: Hinter der Sichtweise des „porn“ als etwas ganz anderem, als einer Welt „außerhalb“ mit eigenen Regeln, verbirgt sich, dass er gesellschaftliche Regeln bzw. das Spiel der Heteronormativität spiegelt, indem er es teils mitgeneriert und verstärkend festschreibt, teils erweitert, verändert, ironisiert und konterkariert.
Stefanie Graul, Dr. phil., beschäftigt sich mit Gender, Visual Cultural and Postcolonial Studies. Sie hat über geschlechtsspezifische Körperbilder in der Fotografie publiziert und über die Geschlechterbeziehungen des mexikanischen indigenen Volks der Binnizá, einem Volk mit drei sozialen Geschlechtern, promoviert. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitet sie als freie Fotografin