SICH-HALTEN AUF DER LINIE. ORTE DER AUSDEHNUNG SCHREIBEN

(Lecture Performance)

Joke Janssen

Viele unserer Lebensrealitäten sind Schwellensituationen. Sie können nur gefasst werden als Entweder-Oder oder Weder-Noch, sie sind ein Platz zwischen den Kästchen oder sie sprengen die Auswahl. Wir müssen uns entscheiden: Ein Pass, ein Geschlecht, eine Zugehörigkeit bitte, wenn es geht.

Ich finde in Verunklarungen performative und philosophische Hoffnung.

Meine Lecture Performance ist ein Versuch, sich genau auf der Grenze zu positionieren und sie damit zu einem eigenen Raum zu erklären. Ein Versuch, auf der Linie zu laufen, auf der Mauer zu balancieren. Es geht mir darum, gemeinschaftlich den Blick zu wenden und den Raum zu verschieben. Was kann unsere Vorstellung bewirken, welche Sprachen können wir finden, um die Linie, die sonst Binaritäten trennt, zu einem Ort zu machen, an dem ein Aufenthalt sich gut anfühlen könnte?

Über eine Verknüpfung von Jacques Lacans Spiegelstadium mit Donna Haraways und Karen Barads Versuchen, (quanten-)physikalische Konzepte feministisch produktiv zu machen, erarbeite ich eine Perspektive auf Subjektbildung, die sich nicht (nur) über Reflexion bildet, sondern über Diffraktion. Damit wird mir ein Verständnis von Subjektivität als kollektivem Prozess möglich, in dem wir uns nicht über di_en Andere_n bilden, sondern im konstanten Austausch sind – in der Überlagerung sich befindende komplexe Situationen, die die Grenzen des Individuums überschreiben.

Joke Janssen lebt in Hamburg und promoviert mit einer künstlerisch-wissenschaftlichen Dissertation zu Materialisierungen von trans*. In seinen Arbeiten zentriert si_er Zurichtungen der Körper und Subjekte und deren Verflechtungen mit ihrer jeweiligen Umgebung. Sein Aufenthaltsort sind die sich überlagernden Schnittstellen von Kunst, Wissen(schaft) und Aktivismus, wo er_ nach Formen des gemeinsamen Handelns sucht