DIE MACHT DER IMPLIZITEN ÜBERZEUGUNGEN
UNTERSCHEIDUNGSPRAXEN IM BIOLOGIEUNTERRICHT ALS RESULTAT VON FACHKULTURELLEN PRAKTIKEN UND SCHULISCHEN REGELUNGEN

Ilse Bartosch, Malte Hüsing, Anja Lembens, Bernhard Müllner, Agnes Turner

Judith Butler (1990) folgend ist Geschlecht ein Amalgam aus politischen Regelungen und diskursiven und kulturellen Praktiken. Diese Regelungen finden etwa Niederschlag in den Wahrnehmungs-, Denk-, Wertungs- und Handlungsmustern einer universitären Disziplin oder den schulischen Regelungen und Normen. Sie sind eingelassen in den impliziten Theorien und Beliefs der Lehrenden über Lehren und Lernen sowie über das zu unterrichtende Fach, welche die diskursiven und kulturellen Praktiken des unterrichtlichen Handelns mitbestimmen (Gess-Newsome 2015). Diskriminierungsmechanismen, die den (Fach-)Unterricht prägen, die dahinterliegende symbolische Ordnung sowie die damit einhergehenden Machtverhältnisse lassen sich durch das Dekonstruieren von Unterscheidungspraxen rekonstruieren. Anhand der Rekonstruktion des konkreten Biologieunterrichts einer Lehrerin wird dargestellt, wie die spezifische Gestaltung der Initiation in das universitäre Fach sowie das ungelöste Dilemma zwischen den (oft emotionalen) Motivationsgründen für die Fachwahl und dessen Rekonstruktion als „Hard Science“ (Kastenhofer 2004) zu Verwerfungen in der Unterrichtsgestaltung führen. Die daraus resultierenden Praktiken interferieren mit den in der Institution Schule geläufigen Wahrnehmungsmustern, Normen, Gewohnheiten und Routinen und produzieren Lern- und Motivationsunterschiede längs der Kategorien Geschlecht und natio-ethno-kultureller Hintergrund (Mescheril & Hoffarth 2009). Als Datenbasis dienen eine Gruppendiskussion, Audiomitschnitte von Unterricht, Unterrichtsbeobachtungen, Interviews und eine von den Lehrpersonen im Rahmen einer über zwei Jahre laufenden Fortbildung verfasste Studie. Die (transkribierten) Daten werden von einem interdisziplinären Forscher_innenteam in Anlehnung an die Dokumentarische Methode (Bohnsack 2014/Nohl 2012/Przyborski 2004) analysiert und interpretiert und in Form einer Fallstudie (Yin 2009) diskutiert.

Ilse Bartosch, Dr.in, lehrt und forscht an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen sind Prozesse des Lehrens und Lernens in den Naturwissenschaften mit dem Fokus auf der Wirkmächtigkeit der Kategorie Geschlecht im Hinblick auf fachkulturelle Überzeugungen

Malte Hüsing, Mag., Studium der Europäischen Ethnologie und Volkskunde in Marburg, Deutschland und Wien, Österreich. Ab Oktober 2014 Doktoratsstudium der Pädagogik in Klagenfurt und Wien. Schwerpunkte: Reflexionskulturen und Habitus Theorie nach Bourdieu

Anja Lembens, Univ.-Prof. Dr., ist Professorin für Didaktik der Chemie und Leiterin des Österreichischen Kompetenzzentrums für Didaktik der Chemie an der Universität Wien. Arbeitsschwerpunkte: Forschendes Lernen (IBSE), Genderaspekte, LehrerInnenprofessionalisierung, Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen

Bernhard Müllner, Mag., Studium der Lehrämter Deutsch und Biologie und Umweltkunde an der Universität Wien. Lehre und Forschung am AECC Biologie der Universität Wien. Arbeitsschwerpunkte: Sprache im Biologieunterricht

Agnes Turner, Assoc.-Prof.in Dr.in, ist Professorin für Pädagogik, stellvertretende Institutsvorständin am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung der Alpen Adria Universität Klagenfurt. Forschungsschwerpunkte: Psychodynamik beim Lernen und Lehren, Persönlichkeitsentwicklung und Professionalisierung in pädagogischen Arbeitskontexten