Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch, Birgit Huebener
Die Webressource spiel|mach|t|raum. frauen* an der mdw 1817–2017plus entstand anlässlich von 200 Jahre mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien mit dem Ziel die Inhalte der gleichnamigen analogen mdw-Ausstellung einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die musik-, theater- und filmhistorischen Erkundungen in die Geschichte der mdw einzuschreiben.
Was war der Beitrag von Frauen* – Studierenden, Lehrenden, Verwaltungsangehörigen – zu dieser 200-jährigen-Geschichte der mdw und ihrer Vorläuferinstitutionen? Diese Frage war bislang selten gestellt worden. Und genau diese Frage motivierte das Archiv der mdw 2011 zu einer Ausstellung anlässlich 100 Jahre Internationaler Frauentag einzuladen. Es entfaltete sich ein überaus breites Spektrum an Themen, die zunächst spotlights auf die Frauen*geschichte des Hauses warfen und von zwölf Kolleginnen und zwei Kollegen sowie einer externen Tanzwissenschafterin erforscht und erarbeitet wurden. Diese Beiträge wurden 2016/17 für das Internet aufbereitet und von den Autor_innen teilweise aktualisiert
Seit 2017 wurden der digitalen Wissensressource spiel|mach|t|raum kontinuierlich weitere Artikel hinzugefügt und Fragen nach strukturellen universitären Rahmenbedingungen gestellt.
Herzlichen Dank an dieser Stelle an alle Autor_innen;
Andrea Amort (aa), Monika Bernold (mb), Sabine Böck (sb), Marie-Agnes Dittrich (mad), Andrea Ellmeier (ae), Susanne Gföller (sg), Ingeborg Harer (ih), Lynne Heller (lh), Herta Hirmke-Toth (hht) Annegret Huber (ah), Doris Ingrisch (di), Christina Kramer, (chk), Karin Macher (km), Severin Matiasovits, MA (sm), Anita Mayer-Hirzberger (amh) MMag. Andreas Peterl (ap) Carole Dawn Reinhart (cdr), Elisabeth Streit (est), Erwin Strouhal (es), Cornelia Szabó-Knotik (csk)
spiel|mach|t|raum versteht sich als project in progress und erweitert nun (2024) den Fokus noch dezidierter – als im Begriff Gender, der ohne class/soziale Herkunft und race/Ethnizität ohnehin nie denkbar war –, auf weitere Ungleichheitsdimensionen wie Alter, sexuelle Orientierung, differently abled etc., um das multidimensionale und intersektionale Denken explizit zu machen. Es geht uns um soziale Inklusions- und Exklusionsprozesse, um gesellschaftliche Strukturierungs- und Machtaspekte und die Un/Möglichkeitsräume, die daraus entstehen.
Der Titel der Web-Wissensressource spiel|mach|t|raum geht auf die Ausstellung zum 100. Internationalen Frauentag zurück, die 2011 in der Aula der mdw präsentiert wurde. Der Begriff spiel|mach|t|raum, den das Ausstellungsteam damals gemeinsam prägte, erzählt davon, dass Spiel in Musik*Theater*Film, dass Spielen einen Raum braucht und dass es u.v.a. eine Frage von Macht ist, ob es solche Räume auch für Künstlerinnen* gibt. Spiel macht Raum, Raum macht Spiel. Spiel macht einen Raum auf, Spiele finden in einem Raum statt, ein Raum fängt an und hört auf, wer darf ihn betreten, welche Voraussetzungen gibt es dafür? Spiel und Spiele erzeugen aber auch imaginäre Räume – das sind Träume, an deren Umsetzung gearbeitet werden kann.
spiel|mach|t|raum ist aber nicht allein eine Webressource, sondern auch der Name des Saals der Personalentwicklung – Zentrum für Weiterbildung (S 0225), Dieser ist im Unterschied zu anderen Sälen der mdw nicht nach einem_einer Künstler_in benannt, sondern erhielt spiel|mach|t|raum als Konzeptnamen. Warum? Um neben dem digitalen Angebot auch einen analogen spiel|mach|t|raum zu schaffen. Viele Menschen, die an der mdw arbeiten oder studieren, kommen zu Weiterbildungen in diesen Saal der Personalentwicklung – Zentrum für Weiterbildung, wo ihnen ein breites Spektrum an Personen und Themen aus der Geschichte der mdw vorgestellt wird.
Der Veranstaltungssaal spiel|mach|t|raum war 2017–2023 jährlich einer anderen Frau* aus der Geschichte der mdw – Lehrerin/Professorin oder Studentin –, gewidmet. Sie waren Inspiration für das jeweilige Studienjahr.
Gestartet wurde mit der einzigen Frau unter den Gründern der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – mit Franziska Arnstein, geb. Itzig, bekannt durch Hilde Spiels Roman unter dem Namen Fanny von Arnstein (1758–1818). Jährlich wechselte der Name des Raumes spiel|mach|t|raum und wurde nach einer weiteren Frau* aus der Geschichte der mdw benannt: darunter erste Professorinnen wie auch bemerkenswerte Conservatoristinnen, d.h. Schülerinnen resp. Studentinnen, an deren Werdegang und Aktivitäten wichtige gesellschaftliche Aspekte im Sinne der Gender und Queer Studies sichtbar werden. Durch das Konzept der wechselnden Namensgebung erhielten die Besucher_innen des Veranstaltungssaals wie auch der Web-Wissensressource spiel|mach|t|raum immer wieder neue Informationen aus der Geschichte der mdw.
Das dynamische Konzept macht auf diese Weise auf bislang wenig bekannte Künstlerinnen*/Wissenschafterinnen* aufmerksam und bespielt Gender|Queer|Diversitäts-Themen aus der Geschichte der mdw und ihrer Vorgängerinneninstitutionen. spiel|mach|t|raum trägt dazu bei, dass die Institution mdw selbstkritisch reflektiert in ihre Zukunft sehen und gehen kann.
Im Folgenden ein Überblick über die bisher ausgewählten Frauen* und Gender|Queer|Diversitäts-Themen aus der Geschichte der mdw:
spiel|mach|t|raum 2017/18_Franziska Vögele Itzig | Fanny von Arnstein 1758–1818
Co-Initiatorin und Co-Gründerin der mdw sowie bekannte Salonière im Wien um 1800
spiel|mach|t|raum 2018/19_Anna Fröhlich 1793–1880
erste Professorin für Gesang (1819-1854), war eine der drei Fröhlich-Schwestern, in deren Wohnung halböffentlich Musik gemacht wurde und Franz Schubert wie auch die Gründer der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gern gesehene Gäste waren
spiel|mach|t|raum_2019/20 Erna Kremer 1896–1942
Pianistin, Dienstenthebung an der mdw im März 1938, 1942 nach Maly Trostinec deportiert und ermordet
spiel|mach|t|raum_2020/21 Gertrud Bodenwieser 1890–1959
unterrichtete 1920-1938 Tanz an der (damaligen) Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst, flüchtete vor dem NS-Regime nach Kolumbien, später nach Australien
spiel|mach|t|raum_2021/22 und 2022/23 Karin Brandauer, geb. Müller 1945–1992
war Regie-Studentin der Filmakademie und ist bekannt für ihre sozialpolitisch-historischen Filme
spiel|mach|t|raum_2023/24 Maria Becker 1923-2005
studierte ab 1936 Schauspiel am Max Reinhardt Seminar, musste 1938 vor der NS-Diktatur flüchten, ging zunächst nach England, dann ans Schauspielhaus Zürich. Hervorzuheben sind ihr lebenslanges antifaschistisches Engagement und ihr couragiertes Berufsverständnis
spiel|mach|t|raum_2024/25 positionen_visionen. zur transformation machtvoller räume im spielmachtraum.
Um neben Personen aus der Geschichte der mdw im spiel|mach|t|raum auch Gender|Queer|Diversitäts-Themen einen Raum zu geben, werden diese diskutiert und Themen wie Geschlechtervielfalt, Nachhaltigkeit und soziale Inklusion in die Geschichte der mdw eingeschrieben
Alle Texte der Webressource spiel|mach|t|raum sind in geschlechterbewusster Sprache verfasst, verwendet werden zum einen der Unterstrich (Künstler_innen) wie auch andererseits die Doppelnennung (Künstlerinnen und Künstler). Im Titel der Webressource „spiel|mach|t|raum. frauen* an der mdw 1817–2017plus“ haben wir den Begriff Frauen mit einem Sternchen/Asterisk (*) versehen, um auf diese Weise allen Gender-Identitäten jenseits der binären Heteronormativität Raum zu geben.
Die Webdesigner_innen und Künstler_innen von spiel|mach|t|raum – alien productions, das sind Martin Breindl, Norbert Math und Andrea Sodomka – schlugen als Symbol für die Webressource den Farbkreis vor:
In Kunst und Wissenschaft gab und gibt es zahlreiche Farbsysteme.
Astronomen, Physiker, Maler und Musiker entwickelten seit dem Altertum Theorien zu den Relationen zwischen Farbe, Klang und Wissenschaft.
Beginnend mit Pythagoras mit seiner Theorie der Beziehungen zwischen den Planetenpositionen und der Tonleiter, und Aristoteles, der die Farbmischungen des Lichtes im Tagesverlauf beschrieb, über Athanasius Kirchners, aus dem Jahr 1810, bis zum 20.Jahrhundert mit Alexander Skrjabins Farbenklaviatur mit Farbkreis, aus dem Jahr 1916, und dem 12-teiligen Farbkreis des Schweizer Malers Johannes Itten, aus dem Jahr 1961, ziehen sich die Kreise. Aktuelle Farbsysteme verwenden diese Theorien auch zur Umrechnung in internetbasierte Farbcodes.
Alle diese Farbsysteme haben eines gemeinsam: Sie stellen ein nicht-hierarchisches System dar.
Aus diesen Überlegungen entwickelten wir die grundlegende Gestaltungsform : Eine zufallsgenerierte Farbzuteilung. Die Farben sind durch ihre Lage definiert, nicht durch ihre Wertigkeit.
alien productions 2017.
Durch einen stündlichen Wechsel der Anordnung der Artikel-Karten, die gegen den Uhrzeigersinn von rechts unten nach links oben wandern, ist in der Übersichtsseite immer ein anderer Artikel an erster Stelle. Die Reihenfolge im der Titel im seitlichen Menu ist hingegen beliebig und folgt keiner inneren Logik.
Mit der vorliegenden Offenlegung möchten wir betonen, dass es uns ein zentrales Anliegen war, sämtliche Hierarchien und feste Zuschreibungen zu unterlaufen, diese nicht wirksam werden zu lassen. Interessant ist aber und daran möchten wir gerne erinnern, dass historisch gesehen „fast alles“ unterschiedlich auftreten kann. So sind die heute geradezu klassischen Mädchen- und Buben-Farben, da rosa, dort blau, erst ab den 1950er Jahren zu einer gesellschaftlichen Konvention geworden.