Marie-Luise Stockinger im Portrait


Vor kurzem noch Studentin am Max Reinhardt Seminar, mittlerweile engagiert am Burgtheater


Marie-Luise StockingerFoto: ©Christoph M. Bieber

Erst kürzlich feierte Marie-Luise Stockinger in Albert Camus' "Das Missverständnis" ihre letzte Premiere am Max Reinhardt Seminar. Nebenbei spielte die 22-jährige Oberösterreicherin auch am Theater in der Josefstadt und trat gleich nach dem ausgezeichneten Abschluss ihres Studiums ein Engagement am Burgtheater an.

In Ausgabe #2-2015 des mdw-Magazins Kunsträume spricht die junge Mimin über das Schauspielen, das Max Reinhardt Seminar und – falls es so etwas gibt – über ihre Traumrolle.

Sie wurden gleich nach der Matura am Max Reinhardt Seminar als jüngste Studentin des Instituts aufgenommen. Welches Gefühl war das?

Nach einer kurzen Euphorie, ehrlich gesagt, ein ziemlich unspektakuläres. Ich dachte lediglich: 'Gut, dann werde ich jetzt wohl Schauspielerin – wenigstens eine Entscheidung wird mir abgenommen.' Wahrscheinlich lag das an meinem jungen Alter; ich wusste nicht wohin mit mir und vier Jahre Schauspielschule schienen mir eine 'vernünftige' Sache zu sein.

Wie haben Sie sich auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet?

Auch sehr unspektakulär: Ich las ziemlich viel; so habe ich Rollen gefunden, die etwas in mir angestoßen haben, bei denen ich dachte: die hat wohl etwas mit mir zu tun. Dann bin ich viel spazieren gegangen und habe die Texte immer laut gesprochen. Mir war es unangenehm, jemandem vorzuspielen oder um Hilfe zu fragen. Eine Schauspielerin vom Landestheater Linz hat sich dann meiner angenommen und mich in den letzten Wochen begleitet.

Marie-Luise StockingerFoto: Marie-Luise Stockinger in "Lulu" ©David Stöhr


Sie haben schon in Ihrer Schulzeit Theater gespielt, wollten Sie immer Schauspielerin werden?

Eigentlich nicht. Ich war ziemlich pflichtbewusst und angepasst in meiner Schulzeit. Ich glaube, viele haben damit gerechnet, dass ich eine Karriere als Juristin hinlegen werde. Die Idee vom Theater hat sich in meinem Kopf eingenistet, weil ich dadurch Raum für mich gewinnen konnte. Einen Ort, wo man mich nicht fassen und auf etwas festmachen konnte, wo ich größer und autonomer sein konnte, als im eigentlichen Leben.


Was ist das Faszinierende an diesem Beruf?

Für mich persönlich ist es die ganze Zeit vor der Premiere, also die Probenzeit. Wochenlang sich mit einer kleinen Gruppe von Menschen mit einem Stoff auseinanderzusetzen. Mit ihrem Denken, Vorstellungen, ihrer Fantasie; Schnittstellen oder Differenzen zu mir ausfindig zu machen, mich in dieser Gruppe zu positionieren. Und dann herausfinden, was man gemeinsam über das Leben erzählen kann.


Und was ist das Schwierige?

Oft das Gefühl zu haben man schwimme in einem Mikrokosmos: man beschäftigt sich die ganze Zeit damit, das Leben darzustellen und vergisst dabei, selber zu leben. Und natürlich Versagensängste, Selbstzweifel, gepaart mit der Hoffnung ein kleines bisschen mehr geliebt zu werden, wenn man auf der Bühne steht. Was wohl jeder Mensch auf die eine oder andere Weise empfindet.


Wie kann man sich den Tagesablauf an einer Ausbildung wie dem Max Reinhardt Seminar vorstellen?

Wir sind ja nur etwa 50 Studierende, was bedeutet, dass jeder jeden kennt. Eine sehr familiäre Struktur. Man hat in der Früh gemeinsam Körperunterricht, gefolgt von Sprecherziehung, Gesang und Rollenunterricht. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr ist man an Produktionen beteiligt, um Probenprozesse kennenzulernen, Rollen zu erarbeiten, Stücke zu spielen. Da kommt man dann leicht auf 15-Stunden Tage, sechs Tage die Woche.

Marie-Luise StockingerFoto: Marie-Luise Stockinger in "Lulu" ©David Stöhr


Sie sind bald mit dem Studium fertig, welche Pläne haben Sie für danach?

Gerade hatte ich meine letzte Premiere am Seminar, dann werde ich hoffentlich meine Diplomarbeit schreiben und danach werde ich ein Engagement am Burgtheater antreten.

Und noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Wenn es so etwas gibt, was ist Ihre Traumrolle, die Sie unbedingt einmal spielen möchten?

Gibt es leider nicht. So bleibt es auch spannender für mich: zu denken, 'das liegt mir doch gar nicht', um dann doch einen Zugang zu finden.


Interview: Doris Piller

Das Interview ist in der Kunsträume Ausgabe #2-2015 erschienen.