Angela Myles Beeching, Autorin des Buches „Beyond Talent – Creating A Successful Career in Music“ war im September im Rahmen der Vienna Music Busines Research Days 2016, zu Gast in Wien. Im Gespräch mit dem mdw-Magazin gibt sie Einblick in ihre Arbeit als Karriereberaterin und Coach für MusikerInnen, spricht über die Rolle des Publikums und vor welchen Herausforderungen junge KünstlerInnen heute stehen.

 

Die Musikwelt hat sich grundlegend verändert. Ist es für junge MusikerInnen heute schwerer erfolgreich zu sein?

Angela Myles Beeching (AMB): Zunächst stellt sich die Frage, wie jede/r einzelne „Erfolg“ für sich definiert. Es gibt KünstlerInnen, die ihr ganzes Leben auf der Bühne stehen, mit den besten Orchestern zusammenarbeiten oder an den renommiertesten Opernhäusern singen wollen. Andere wiederum möchten ihr eigenes Ensemble gründen. Viele MusikerInnen haben zudem irgendwann auch den Wunsch, zu unterrichten und ihr Wissen weiterzugeben. Daher empfehle ich immer, zu hinterfragen, welche Möglichkeiten es gibt, diese verschiedenen Wege konsequent zu verfolgen. Es reicht nicht mehr aus, technisch perfekt ausgebildet zu sein. Das Berufsbild hat sich gewandelt. Die Konkurrenz ist groß. Wer erfolgreich sein will, muss lernen, selbstverantwortlich zu handeln. Umso wichtiger ist es, seine Ziele genau zu definieren: Wer bin ich? Was macht mich aus? Welche Zielgruppe spreche ich an? Wie sieht mein Arbeitsumfeld aus? Wie kann ich die AkteurInnen des Musikbusiness auf mich aufmerksam machen? „Karriere“ ist ein so vielfältiger Begriff.

Angela Myles Beeching
Angela Myles Beeching im September 2016 in Wien © Doris Piller

Wie schafft man als MusikerIn diesen schmalen Grat zwischen Kunst und Geschäft? Für viele sind Begriffe wie „Selbstmanagement“ und „Businessplan“ immer noch Fremdwörter.

AMB: Zunächst glaube ich, dass gerade junge MusikerInnen mittlerweile eine gewisse Sensibilität für diese Themen entwickelt haben, die real werden, wenn sie selbst auf der Bühne stehen und ein Honorar bekommen. Hier kommen unweigerlich wirtschaftliche Aspekte ins Spiel. Und spätestens dann sollte sich jede/r fragen, werde ich angemessen bezahlt und kann ich überhaupt davon leben.

Sie widmen in Ihrem Buch ein ganzes Kapitel dem Publikum. Warum ist die Auseinandersetzung mit dem Publikum heute so wichtig?

AMB: Zunächst denke ich, dass Musikschaffende heute mehr denn je die gesellschaftliche Verantwortung tragen, den bewussten Umgang mit Musik zu fördern. Jede/r soll die Möglichkeit haben, mit Musik in Kontakt zu kommen. Musik berührt, bewegt, fasziniert und inspiriert. Damit das gelingt, muss sie richtig vermittelt werden – innovativ, kreativ und mutig, abseits des klassischen Gefälles zwischen Sender und RezipientIn. Die Menschen sind hungrig nach Musik! Die Vielfalt der Musik ist so groß, dass für jede/n etwas dabei ist. Ich sage immer: „Finde heraus, wer dein Publikum ist und baue eine Beziehung zu ihm auf.“ In den USA, zum Beispiel, wird von immer mehr KonzertveranstalterInnen erwartet, dass die KünstlerInnen ein paar einführende Worte an das Publikum richten – nicht nur bei zeitgenössischer Musik.

Glauben Sie, dass das klassische Konzertritual, so wie wir es kennen, eine Zukunft hat?

AMB: Ein Teil davon bestimmt. Aber die Strukturen haben sich verändert, im positiven Sinne. Die Genre-Grenzen verschwimmen zunehmend, zeitgenössische KomponistInnen arbeiten mit Soundcollagen, KünstlerInnen und VeranstalterInnen experimentieren immer mit neuen, ungewöhnlichen Konzertformaten. Das Publikum von heute gibt sich nicht mehr damit zufrieden, Musik ausschließlich passiv zu konsumieren. Auf der anderen Seite wollen gerade junge MusikerInnen Konzerterfahrungen schaffen, die bei ihren ZuhörerInnen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. So entsteht eine sehr wichtige emotionale Bindung.

Vor welchen Herausforderungen stehen Musikschaffende heute?

AMB: Der CD- und DVD-Markt hat sich stark verändert, vom physischen CD-Vertrieb hin zur einer Digitalisierungs- und Streamingkultur. Früher waren A&R-ManagerInnen großer Plattenfirmen für den Erfolg der KünstlerInnen verantwortlich. Heute müssen Musikschaffende ihre Zukunft zu einem großen Teil selbst gestalten und ein passendes Konzept entwickeln. Der Mythos vom Demotape, das an eine Plattenfirma geschickt wird und den ersehnten Plattenvertrag einbringt, bewahrheitet sich nur selten. Auf der anderen Seite gab es nie einen besseren Zeitpunkt für das „Do it yourself“-Prinzip. Wer weiß, wie das Geschäft funktioniert, braucht weder ein Label, noch ein Management, um erfolgreich zu sein. Die vielen neuen Distributionsformen und Social Media-Plattformen sind die beste Promotion, die ein/e junge/r, noch unbekannte/r KünstlerIn haben kann. Viele bevorzugen es, ihre Karriere selbst zu steuern – von der Kommunikation über die Konzert-Bookings bis hin zu CD-Produktionen und Vertrieb. So sind sie frei und unabhängig.

Kann sich jede/r für ein persönliches Coaching an Sie wenden?

AMB: Natürlich! Wer sich mit mir in Verbindung setzen möchte, schreibt mir eine E-Mail und wir vereinbaren ein erstes Kennenlernen via Skype oder Facetime. Wenn wir uns dazu entschließen, zusammenzuarbeiten, treffen wir uns zwei Mal im Monat zu einer Coaching-Session. Dazwischen gibt es kleine Hausaufgaben. Oft stellt sich im Zuge des Gesprächs heraus, dass im Hinterkopf ein geheimes Wunschprojekt schlummert. Manche wollten immer schon ein Buch schreiben, ein Ensemble gründen oder ein Werk für ihr Instrument in Auftrag geben. Darüber zu sprechen und die Idee zu konkretisieren, kann helfen, den weiteren Werdegang zu bestimmen. Ich möchte den Menschen die Angst nehmen, ihr Projekt voranzutreiben.

Ist es schon vorgekommen, dass Sie einer/einem MusikerIn von ihrem/seinem Beruf abgeraten haben?

AMB: Nein. MusikerIn zu sein, ist mehr als ein Beruf. Für viele ist es eine Berufung. Musik ist mit Liebe und Leidenschaft verbunden. Allerdings wird das Geschäft durch so viele Faktoren beeinflusst, dass man nicht immer alles in erfolgreiche Bahnen lenken kann. Oft wenden sich Leute an mich, die sich gerade in einer Sackgasse befinden. Dann versuchen wir gemeinsam neue Wege zum Erfolg zu finden.

Was würden Sie jungen MusikerInnen, die gerade in der Ausbildung sind oder am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit auf den Weg geben?

AMB: Lerne die Prozesse und sei offen für das, was um dich herum passiert. Vernetze dich. Kenne deine Fähigkeiten genau und hole dir für Dinge, die du selbst nicht kannst, kompetente PartnerInnen mit ins Boot. Das erspart Zeit, die man für seine künstlerischen Aktivitäten braucht. Musik muss nicht immer im stillen Kämmerchen passieren.

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