Am Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der mdw pflegt man den „Humus der abendländischen Kunstmusik“. Institutsleiter Wolfgang Sauseng, sein Stellvertreter Johannes Ebenbauer, Matthias Krampe, Landeskantor der Evangelischen Kirche, sowie Konstantin Reymaier, Leiter des Referates für Kirchenmusik der Erzdiözese Wien, im Gespräch mit dem mdw-Magazin.
Wenn man sich die Struktur des Instituts vor Augen führt, fällt auf, dass es vielfältigen Ansprüchen genügt.
Wolfgang Sauseng (WS): Wir sprechen von den zwei „Säulen“: Taste und Stimme. Das ist schon bei der Aufnahmeprüfung relevant – man muss singen und spielen können. Unterrichtet wird bei uns hinsichtlich des Instruments natürlich schwerpunktmäßig Orgel, wie man sie spielt und lehrt. Und was die Stimmen betrifft, geht es um Gesangsausbildung, Chorleitung und Gregorianik. Und das wird dann noch erweitert durch Improvisation, Komposition, Musikwissenschaft (in der Gregorianik), Hymnologie, Liturgik und Orgelforschung. Gewissermaßen ein Abbild des alten Kirchenmusikerberufes und gewiss eines der umfassendsten Studien der mdw. Botanisch gesprochen: Kein Orchideenstudium, sondern Humus der abendländischen Kunstmusik.
Das Institut ist ja auch ökumenisch strukturiert durch die Tatsache, dass sowohl katholische als auch evangelische Kirchenmusiker_innen ausgebildet werden. Was ist dabei aus evangelischer Sicht wichtig?
Matthias Krampe (MK): Für uns ist auch die Orientierung an dem wichtig, was in den deutschen Ausbildungsstätten passiert. Wenn sich dort die Rahmenordnungen ändern, ist das auch für uns von Bedeutung, damit der Studierendenaustausch – was Lehrplan und wechselweise Anerkennungen angeht – innerhalb des deutschsprachigen Raums weiterhin gewährleistet ist. Auch was die dortigen evangelischen Landeskirchen für Anstellungsvoraussetzungen haben, ist natürlich von großer Bedeutung. Zum Beispiel erweitert sich in Deutschland momentan das kirchenmusikalische Berufsbild massiv in Richtung Popularmusik.
Reagiert man hier am Institut auf solche aktuellen Anforderungen?
Johannes Ebenbauer (JE): Allein die Tatsache, dass sich die Stilistik in den Kirchengesangbüchern (Gotteslob und Evangelisches Gesangsbuch) von Gregorianik bis zum „neuen geistlichen Lied“ spannt, hat zur Folge, dass man das adäquat an der Orgel begleiten und für mehrere Instrumente arrangieren können muss.
WS: Manche Studierende möchten das sehr gerne lernen, andere wieder überhaupt nicht. Die interessieren sich beispielsweise mehr für Zwölftonmusik. In meinen Kompositionsklassen gehe ich dann immer flexibel auf die verschiedenen Interessen ein.
Wie schätzen Sie das ein, was in den Pfarren gebraucht und gewünscht wird?
Konstantin Reymaier (KR): Da gibt es große Unterschiede. Manche Pfarren haben fast jeden Sonntag eine klassische Orchestermesse, in anderen Gemeinden wieder legt man auf Musik überhaupt keinen Wert. Generell ist die budgetäre Ausstattung der österreichischen katholischen Kirchenmusik mit evangelischen Kirchen oder der Situation in Deutschland leider nicht zu vergleichen. Es gibt immer weniger Chöre und traditionelle Musik, dafür aber immer mehr Bands. Und das verstehe ich, weil Kirchenmusik immer mit dem Leben der Gemeinde zu tun haben muss. Das ist ein ungemein wichtiges Unterrichtsfeld der Diözesankonservatorien. Hier am Kirchenmusikinstitut der mdw sehe ich vor allem die Aufgabe, den riesigen Schatz der abendländischen Kirchenmusik zu pflegen und lebendig zu halten, denn deren Verlust ginge an die Wurzeln unserer europäischen Identität.
JE: Dafür sind wir innerhalb der mdw eine erste Adresse mit mehrfachen Alleinstellungsmerkmalen: Wir behandeln von der Gregorianik und der frühen Mehrstimmigkeit bis zur Renaissance und dem Frühbarock, was meines Wissens anderswo in der Praxis nicht oder kaum angeboten wird. Ebenso die klassische Mess- und Oratorienliteratur – die daher hauptsächlich bei uns behandelt wird. Nicht zu reden von der geistlichen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Ich denke, das ist innerhalb der mdw viel zu wenigen bekannt und bewusst.
Die Durchlässigkeit zu den anderen Instituten ist bei uns vor allem mit IGP (Instrumental- und Gesangspädagogik) gegeben, weil an unserem Institut ursprünglich auch die Pädagogik verankert war. Und gerade im Pädagogikbereich liegt meines Erachtens ein breites Feld an Möglichkeiten. Es gibt ja in Österreich bei Weitem nicht so viele Stellen für Kirchenmusiker_innen wie etwa in Deutschland. Allerdings bestehen für Absolvent_innen unseres Instituts, wenn sie willens sind, dorthin zu übersiedeln, durchaus Chancen. Darüber hinaus aber sehe ich ein großes zukünftiges Betätigungsfeld im Bereich der Musikschulen und Diözesankonservatorien. Nur als Beispiel: Helmut Traxler-Turner hat Kirchenmusik und Flöte (IGP) studiert und ist jetzt Direktor der Musikschule in Kapfenberg, leitet dort das Orchester mit Konzertsaal und die Stadtpfarrkirche hat kürzlich eine neue Orgel bekommen. Auch unsere Absolventin Bine Katrine Bryndorf ist z. B. sehr erfolgreich und derzeit u. a. als Professorin an der Royal Academy of Music in London tätig (Anm. der Redaktion: siehe Alumni im Fokus).
Es ist bereits angeklungen: Wie groß sind die Chancen, nach Abschluss des Studiums auch Arbeit zu finden?
WS: In den letzten fünf, sechs Jahren sind unsere Master-Absolvent_innen an sehr guten Stellen untergekommen. Marco Paolacci etwa ist jetzt Stiftsorganist in Zwettl und hat dort in den letzten zwei Jahren Unglaubliches aufgebaut.
JE: Es ist natürlich so, dass man auf Stellenausschreibungen auch reagieren muss. In vielen Fällen wird das mit einem Ortswechsel verbunden sein. Wenn das mit der Lebensplanung vereinbar ist, wird das funktionieren.
KR: Also ich denke auch, dass man Arbeit finden kann. Es gibt Stifte, Dome und Pfarren, wo Stellen – auch Vollzeitstellen – ausgeschrieben werden, das sind allerdings nicht sehr viele. Es gibt aber Fälle, wo sich Musiker_innen ihre Stelle sozusagen selbst geschaffen haben.
Aber gesetzt den Fall, man hat sich mit viel Schweiß, Herzblut und Charisma so einen kirchenmusikalisch vitalen Bereich geschaffen: Zahlt der Pfarrer dann auch?
KR: Es wird selten eine Vollzeitstelle an einer Kirche sein. Ich bin bestrebt, das im Zuge der momentanen Umstrukturierung des Pfarrfinanzierungssystems besser zu verankern. Dennoch wird es immer wieder auf die Eigeninitiative und Umtriebigkeit der Einzelnen ankommen.
MK: Wir haben in den letzten Jahren in den evangelischen Diözesen einige aus verschiedensten Quellen dotierte, ordentlich bezahlte Stellen geschaffen. Das ist ein Riesenfortschritt. Zentraler Gedanke dabei war: „Für eine missionarische Kirche ist Kirchenmusik unverzichtbar!“ Darüber hinaus werden wir in nächster Zeit nicht expandieren können, allenfalls ein paar Projekte sind möglich. Dafür ist aus evangelischer Sicht der deutsche Markt mit seinen Vollzeitstellen besonders attraktiv, weil dort auch die Bezahlung flächendeckend besser ist als im katholischen Bereich.
WS: Dazu kommt, dass, wie ich höre, unser Ausbildungsniveau im Bereich der Chorleitung und im Orgelspiel international eines der Besten ist. Und wir haben ein Rektorat, das hinter uns steht und unseren Anspruch unterstützt, die Gesamtheit der abendländischen Musikkultur weiterzutragen. Unsere Chorleitungsstudierenden haben wie nirgends sonst die Möglichkeit, mit Spitzenensembles Erfahrung zu sammeln und unser „Orgelpark“ ist – auch mit all den hervorragenden Orgeln der Wiener Innenstadt, die wir bespielen dürfen – auf so hohem Niveau, dass wir das auch über die Grenzen Österreichs hinaus anerkennend zu hören bekommen.