Eine Analyse der Kunst- und Kulturberichte der Stadt Wien 1998 bis 2017.
Norbert Hofer, Dissertant der mdw, gibt Einblick in seine Arbeit im Fachbereich Kulturbetriebslehre und zeigt, wie sich die Wiener Kulturförderung seit 1998 entwickelt hat.
Ein historischer Abriss gibt Einblick in die organisatorische Entwicklung der Kunst- und Kulturförderung der Stadt Wien und des Bundes, auch im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung.
Ausgehend von den Begriffen „Kunst“ und „Kultur“ werden die kulturpolitischen Positionen, Ziele und Vorstellungen der im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien recherchiert, die erwartungsgemäß sehr unterschiedlich ausfallen. In einem ausführlichen Kapitel werden aus den Parteiprogrammen und den Wiener Regierungsübereinkommen die kulturpolitischen Standpunkte der österreichischen Parteien dargestellt und durch eine Timeline der Regierungen auf Bundes- und Landesebene sowie den jeweiligen personellen Besetzungen ergänzt.
Davon ausgehend wird hinterfragt, inwieweit sich diese Standpunkte in den vergebenen Förderungen widerspiegeln, welche strukturellen Probleme auf die Förderpraxis Einfluss haben und ob ein Zusammenhang zwischen der Praxis der Wiener Kunst- und Kulturförderung und der sozialen und ökonomischen Situation der Künstler_innen hergestellt werden kann.
Gerade die Stadt Wien betont immer wieder nachdrücklich die Bedeutung des (freien) Zugangs zu Kunst und Kultur für alle, womit sich die Frage der sozialen Bedeutung von Kultur an sich und der tatsächlichen Möglichkeit der Teilhabe am kulturellen Geschehen stellt. Hier orientiert sich die Arbeit wesentlich an den Theorien des französischen Soziologen und Sozialphilosophen Pierre Bourdieu, der sich in seiner „Feldtheorie“ und mit den Begriffen des „Habitus“ und des „kulturellen Kapitals“ zentral mit den Ungleichheiten in der Gesellschaft und damit zusammenhängend mit dem Zugang zu Kunst- und Kultur beschäftigt hat.
Aufgrund des Datenvolumens und der Vielzahl der geförderten Institutionen wird als Forschungsmethode eine quantitative Analyse angewandt, die punktuell durch Gespräche mit Expert_innen oder Personen, welche in den Kulturbetrieb involviert sind, ergänzt wird.
Dafür wurde bei den Vorarbeiten aus den Kunst- und Kulturberichten der Stadt Wien sowie der Kunstsektion des Bundes 1998 bis 2017 eine Datenbank mit über 40.000 Datensätzen erarbeitet. Damit kann – nicht nur im groben Überblick, sondern auch auf der Ebene der einzelnen Institutionen – eine signifikante Aussage über Art und Höhe der vergebenen Förderungen getroffen werden.
Vorläufige Ergebnisse
Korrigiert und konsolidiert stellt sich die Entwicklung der Fördersummen der Stadt Wien so dar: Die Förderungen sind nominal von 141 Millionen Euro im Jahr 1998 auf 204 Millionen im Jahr 2017 gestiegen. Für eine objektive Vergleichbarkeit müssen Beträge über einen so langen Zeitraum allerdings inflationsbereinigt (deflationiert) werden. Dafür stehen grundsätzlich zwei Berechnungsmethoden zur Verfügung: nach dem Verbraucherpreisindex (VPI) oder nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) – siehe Abbildung. Demnach liegt die Fördersumme heute praktisch auf dem gleichen Niveau wie 1998.
Nachdem es im Laufe der Jahre zwischen den Fördergruppen massive Verschiebungen gab und zahlreiche Institutionen aus mehreren Gruppen Förderungen beziehen, bringt eine Analyse der (LIKUS-)Gruppen nur bedingt signifikante Ergebnisse. Conclusio: Ein objektives Bild bringt nur eine Auswertung auf der Ebene der einzelnen Organisationen.
Der Anteil der Förderungen an die großen Organisationen hat im Zeitraum 1998–2017 um rund 15 Prozent zugenommen, was zulasten aller anderen Förderwerber_innen ging. Insgesamt werden jährlich rund 4.000 bis 5.000 Institutionen gefördert. Davon erhalten 31 Institutionen eine jährliche Förderung von 1 Million Euro oder mehr. An diese 31 Institutionen ergehen rund 78 Prozent des gesamten Fördervolumens. Anders gerechnet: Die sechs am höchsten geförderten Institutionen erhalten genauso viel, sogar etwas mehr, als alle übrigen zusammen.
Es gibt weiters eine Reihe struktureller Probleme, die sich auf die Finanzsituation insbesondere kleinerer Organisationen negativ auswirken.
Genannt sei hier die immer wiederkehrende Klage über den Mangel an Räumen für Kulturprojekte oder auch über die nur marginale mediale Berichterstattung und geringe Medienpräsenz kleiner Kulturorganisationen.
Grenzen der Analyse
In manchen Bereichen ergeben sich aufgrund des mangelhaften Datenmaterials Unschärfen, die sich jedoch auf das Gesamtergebnis nicht nennenswert auswirken. Hinsichtlich der Auswirkungen der Kulturförderung auf die Einkommenssituation der Kulturschaffenden gibt es Indizien, konkrete Zahlenwerte lassen sich jedoch nicht ermitteln. Dazu wäre eine Analyse der Jahresabschlüsse einer statistisch signifikanten Zahl von Kulturorganisationen notwendig, was den Rahmen der Arbeit bei Weitem übersteigen würde. Aber man kann hier aus Querverbindungen zu relevanten Untersuchungen (wie z. B. den Berichten zur sozialen Lage der Künstler_innen) und aus anderen Berechnungen Rückschlüsse ziehen.