Anti-asiatischer Rassismus hat in weißen Mehrheitsgesellschaften eine lange Tradition. Klischees und Stereotype über asiatische Menschen finden sich allerorts – auch in Musik, Theater und Film.
Toxische Repräsentationen und Narrative über Asiat_innen waren ein zentrales Thema bei der Podiumsdiskussion Anti-asiatischer Rassismus in Musik, Theater und Film, die im Rahmen der Tagung Ver_Üben. Diversität als diskriminierungskritische Praxis in Kunst, Kultur und Bildung im Mai 2023 an der mdw stattfand. Auf dem Tagungspanel formulierten Filmemacher Dieu Hao Do, Choreografin und Kuratorin Olivia Hyunsin Kim, die Leiterin des Instituts für Musiksoziologie der mdw, Rosa Reitsamer, und Regisseurin, Autorin und Produzentin Weina Zhao Kritik am Status quo und diskutierten über Forderungen und Gegenstrategien, um rassistischen Repräsentationen und Ausschlüssen zu begegnen.
Diskutiert wurde auch darüber, dass anti-asiatischer Rassismus während der Corona-Krise eine Steilkurve nach oben genommen hat. Angriffe und Beleidigungen gegen asiatische Menschen (oder Menschen, die als solche wahrgenommen werden) haben jedoch nicht erst während der Covid-19-Pandemie begonnen – vielmehr ist #AsianHate auf einen bereits vorhandenen Resonanzboden getroffen. Tatsächlich gehören anti-asiatische Ressentiments schon seit Langem zum Selbstverständnis weißer westlicher Gesellschaften. Der Blick in die Geschichte ist wesentlich, um anti-asiatische Klischees und Stereotype zu erkennen und zu problematisieren. Über Jahrhunderte tradiert und durch den Kolonialrassismus geprägt, tauchen sie bis heute beispielsweise in den erfolgreichsten Werken des Musiktheaters und Films auf. Eine der schmählichsten Traditionen ist hierbei das Yellowfacing, also die klischeehafte Darstellung von Asiat_innen durch weiße Schauspieler_innen. In der Hochphase Hollywoods war Yellowface gang und gäbe: Die Augen zu „Schlitzen“ verengt, gelblich-bräunlich geschminkte Haut, trippelnder Gang, näselnd-lächerliche Aussprache (oft mit der Vertauschung von „r“ und „l“) – so subsumiert das Lexikon der Filmbegriffe die grotesken Darbietungen, die ethnisch-kulturelle Differenz und Ungleichheit markieren sollen.
In der westlichen Kunst hat Yellowfacing – ähnlich wie Blackfacing – seit geraumer Zeit einen festen Platz: Von der Aufführung von Arthur Murphys Theaterspiel The Orphan of China (1767) über den Stummfilm Broken Blossoms (1919) von David Wark Griffith bis hin zur oscarprämierten Darstellung der O-Lan durch Luise Rainer in The Good Earth (1937) – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Eines der bekanntesten wie haarsträubendsten Beispiele stammt aus dem Filmklassiker Breakfast at Tiffany’s (1961), in dem Mickey Rooney den japanischen Hausherren Mister Yunioshi gibt. Wiederholt haben asiatisch-amerikanische Aktivist_innen darauf hingewiesen, dass die Figur Yunioshis exakt den bildlichen Karikaturen von Japaner_innen in den USA während des Zweiten Weltkriegs entspricht. Wer meint, Yellowface sei das Relikt einer fernen Vergangenheit, irrt: Noch in den 2010ern genoss Wendy van Dijk als dusselige japanische TV-Reporterin Ushi Hirosaki in den Niederlanden große Popularität. Zuletzt sorgte eine asiatisch gestylte Scarlett Johansson als Protagonistin in der Manga-Verfilmung Ghost in the Shell (2017) für laute Kritik und stieß einmal mehr eine Debatte über Whitewashing made in Hollywood an.
Bedeutsam ist, dass die rassifizierten Zuschreibungen, wie sie sich im Yellowfacing manifestieren, stets mit vergeschlechtlichten Stereotypen einhergehen. „So werden asiatische Frauen sexualisiert, exotisiert und infantilisiert, Männer dagegen desexualisiert und feminisiert“, halten etwa die Forscher_innen Kimiko Suda, Sabrina J. Mayer und Christoph Nguyen die genderspezifischen Ausformungen anti-asiatischer Darstellungsweisen fest. Vor allem der Blick auf „die Asiatin“, wie er sich in Kultur und Medien darstellt, ist reich an Tradition. Er findet sich bereits im 13. Jahrhundert bei Marco Polo, der über die Tausenden Frauen Kublai Khans und die Prostituierten außerhalb des Herrscherpalastes in Peking schreibt. Auch im späteren europäischen Kolonialismus tritt die „orientalische Frau“ als Produkt westlicher männlicher Imagination in Erscheinung: passiv, willig, in Schweigen gehüllt. – Der Orient als Ort der Verführung und verbotenen Sexualität. Die westlich-europäische Exotisierung asiatischer Frauen findet im späten 19. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt, mit dem Roman Madame Chrysanthème von Pierre Loti, der zum Bestseller avanciert. Später wird er zur Inspiration für Giacomo Puccinis Opern-Smash-Hit Madama Butterfly und das spätere Broadway-Musical Miss Saigon.
Die sich für den weißen Mann aufopfernde Kurtisane ist auch der Kern der Figur der Suzie Wong, der titelgebenden Figur des Hollywoodfilms von 1960 mit Nancy Kwan, der so ziemlich jedes anti-asiatische Stereotyp auf die Leinwand und in die Köpfe des Publikums projiziert. Auch Darstellungen wie jene der namenlosen Sexarbeiterin in Full Metal Jacket (1987) prägen seitdem nicht nur die westliche Popkultur, sondern suchen auch asiatische Frauen in ihrer heutigen Alltagsrealität immer wieder heim.