Nach 20 Jahren steht das Institut für Popularmusik gut da. Intern, aber auch nach außen: Im Rahmen der mdw ist es längst etabliert. Die Gelegenheit, Absolvent_innen und Studierende einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, wurde zuletzt etwa im Rahmen der „20 Jahre ipop“-Jubiläumsshow, die am 24. Oktober im Schlosstheater Schönbrunn stattfand, genutzt. „Das ipop ist die beste Anlaufstelle, wenn man in Österreich Pop studieren möchte“, sagt die bayerisch-wienerische Discopop-Queen Ankathie Koi.
Die Musikerin, die hier ihren Master gemacht hat, unterrichtet heute selbst am Institut Gesang. Ihre Abschlussarbeit hat damals Harald Huber betreut. Huber ist sozusagen der Vater des ipop. 1972 begann er sein Studium an der mdw, die damals noch den Namen Hochschule für Musik und darstellende Kunst trug. Zu seiner Verwunderung kamen Pop und Jazz überhaupt nicht vor. „Es gab keine einzige Lehrveranstaltung dazu“, erinnert er sich. Als Student_innenvertreter war er bereits kurz darauf Teil des Studienreformprozesses in den 1970ern. Ab 1980 entwickelte er den Fachbereich Popularmusik. Ein Meilenstein war die erste einschlägige Vorlesung. Sie trug den Titel Einführung in die Popularmusik, Huber hielt sie im Studienjahr 1980/81. Gleichzeitig wurden in der Ausbildung angehender Musiklehrer_innen Jazzschlagzeug, Tasteninstrumente und Saxophon eingeführt. Mit der Zeit folgten weitere Instrumente, das Angebot wuchs.
Im Jahr 2000 erfolgte die Umwandlung der Hochschule in eine Kunstuniversität, verbunden mit einer kompletten Neuaufstellung. „Diese Chance haben wir genutzt und Leitlinien für ein Institut für Popularmusik entwickelt“, sagt Huber, der auch im Ruhestand weiterhin im Bereich Didaktik der zeitgenössischen Popularmusik tätig ist und Dissertationen betreut. 22 Jahre nach der ersten Vorlesung wurde schließlich das ipop gegründet („ipop“ und nicht „eipop“ ausgesprochen). Der Studienbetrieb begann vor genau 20 Jahren, im Wintersemester 2003/04. Geboten wird seitdem ein fundiertes und breit gefächertes Studium in instrumentaler und künstlerischer Hinsicht wie auch im pädagogischen und wissenschaftlichen Bereich.
Institutsleiter ist seit eineinhalb Jahren der Pianist und Keyboarder Gerald „Geri“ Schuller. Er findet: „Wir hatten das Glück der späten Gründung. Die Mauer zum Pop ist um 2000 schon sehr durchlässig geworden. Davor war Jazz noch halbwegs akzeptabel, Pop nicht.“ Hierzulande, aber auch international ziemlich einzigartig ist die stilistische Vielfalt des Angebots: Von Pop und Rock über volkstümliche Unterhaltung bis zum Free Jazz ist am Institut alles vertreten. „Es gibt bei uns kein Schlager-Bashing. Jedes Genre hat seine Berechtigung“, betont Musik- und Literaturmanager Günther Wildner, er ist am ipop für den Bereich Musikbusiness zuständig. Diversität ist nicht erst, seitdem der Begriff in aller Munde ist, am ipop eine Leitlinie. Die stilistische Breite zeigt sich vor allem an den angebotenen Ensembles, die von World Music bis Heavy Metal reichen. Die Studierenden nehmen diese Möglichkeiten dankbar an – die meisten besuchen mehr Ensembles, als sie müssten. Der Frauenanteil ist in einzelnen Fächern wie E-Gitarre zwar verschwindend gering, insgesamt aber recht hoch. Es gibt immer mehr Studierende mit Migrationshintergrund und die blinde Bassistin und ipop-Studierende Ciara Moser ist gerade am Sprung zu einer Weltkarriere.
Steigern und weiterentwickeln kann sich das ipop natürlich noch. „In Österreich geht es oft zu sehr in Richtung Ausbildung von hervorragenden Sidemen und Sidewomen“, sagt Schuller. Huber ergänzt: „Wir könnten auch die Lady Gaga von Österreich hervorbringen.“ Davon ist man zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber weit entfernt. Das ipop ist keine Popakademie, sondern bildet in erster Linie Musiklehrer_innen aus. Nach dem Abschluss können sie an einer Musikschule oder in Schulen Musikunterricht geben. Allerdings sind 60 Prozent der Studierenden vor allem künstlerisch interessiert. Institutsintern wurde daher in den letzten Jahren auf ein künstlerisches Studium hingearbeitet, das ohne pädagogische Fächer auskommt und gerade Gestalt annimmt. Momentan befindet man sich in einer Übergangsphase.
Quo vadis, ipop? Günther Wildner findet, dass bei der Ausbildung verstärkt in Richtung Berufsausübung und Karriere gedacht werden sollte. Denn: „Jede_r wird hier mal fertig. Und dann wird es interessant.“ Ankathie Koi stimmt dem zu, sie hätte sich während ihres Studiums viel mehr Inhalte zum Thema Musikbusiness gewünscht. Der umtriebige Jazz-Saxophonist Leonhard Skorupa, ebenfalls ipop-Absolvent, dagegen findet es wichtig, „Kunstunis als geschützte Werkstätten zu sehen und zu betreiben, in denen man Dinge unbeschwert ausprobieren kann“. Skorupa ergänzt weiters: „Ich hatte das Glück, von kreativen Freigeistern als Lehrenden umgeben zu sein, die mich sehr inspiriert haben.“ Beide Seiten und Ansätze haben natürlich ihre Berechtigung.
Institutsleiter Schuller bemängelt insgesamt, dass Popmusik in Österreich bis heute nicht als Exportartikel begriffen wird: „Dafür braucht es eine langfristige Strategie, aber da muss der Groschen erst fallen. In Schweden zum Beispiel verfolgen die Musikindustrie, die öffentliche Hand und die ausbildenden Institutionen einen großen Masterplan: mit Musik Geld verdienen.“ Freilich habe die fehlende Nähe zur Musikindustrie auch Vorteile, ergänzt er. Die Freiheit in der Lehre sei dadurch gesichert.
Lässt sich das ipop in einem Satz zusammenfassen? Schuller versucht es: „Wer Neugierde für Popularmusik hat und Menschen treffen möchte, die diese Neugierde teilen, findet in Österreich keinen besseren Platz.“ Zwei Sätze möchte er dennoch hinzufügen: „Mich hat erstaunt, wie hoch das Niveau der Bewerber_innen heute ist. Mein 19-jähriges Ich hätte keine Chance, aufgenommen zu werden.“