Es ist einer sonderbaren Medienlogik geschuldet, dass man großen Künstler_innen immer besonders zu runden Geburts- oder Todestagen huldigt. In der Literatur ist es 2024 Franz Kafka, der vor genau 100 Jahren gestorben ist. In der Welt der Musik sind es Arnold Schönberg, er wäre 150 Jahre alt geworden, und Anton Bruckner, sein 200. Geburtstag steht im September an. Doch warum kapriziert man sich so auf Jubiläen?
Das hat einerseits mit Planbarkeit zu tun. Wenn ein Jubiläum ansteht, kommt es ja nicht überraschend und man kann schon lange vorher einen Schwerpunkt konzipieren. Das gilt für Medien ebenso wie für die Kultur- und Veranstaltungsbranche. Ehrentage, die der Kalender vorgibt, drängen sich auf. Für wechselseitige Aufmerksamkeit ist zudem gesorgt. Wenn sehr viel über das Werk einer Person publiziert wird, steigt das Interesse des Publikums automatisch, so die ökonomischen Überlegungen. Andererseits spielen dabei leider auch Ignoranz und Unwissenheit eine große Rolle. Die Studierenden der Musikuniversitäten wissen natürlich um die Bedeutsamkeit des Werkes einzelner Komponist_innen. Niemand von ihnen würde auf die Idee kommen, sich mit ihnen nur an einem runden Geburtstag auseinanderzusetzen. Aber wie sieht es in den Redaktionen und leider auch in den Programmabteilungen von großen Veranstaltungsbüros aus? Gibt es dort noch echte Auseinandersetzung mit Kunst, das Wissen um das Werk Einzelner, das Voraussetzung wäre, um mit Mut eigenständig Programmschwerpunkte zu planen, Querverbindungen herzustellen zwischen zeitgeistigen Phänomenen und dem, was zu diesen Themen bereits komponiert, geschrieben, gedacht wurde? Es wäre wünschenswert, würde sich das auch abseits von Jubiläumsjahren zeigen. Wie sagte eine Studentin der mdw so treffend, als ich mit ihr über Schönbergs Geburtstag sprach: „Für mich ist jedes Jahr Schönberg-Jahr.“