Die vom Institut für Kulturmanagement und Gender Studies initiierte und in Zusammenarbeit mit einem Netzwerk kritischer Freunde aus Wissenschaft und Praxis ko-kuratierte internationale Veranstaltung Critiques of Power in the Arts (25. bis 27. April 2024) zeichnete sich durch ungewöhnliche akademische Formate wie Performances, Workshops und Jamsessions aus, die sowohl in verschiedenen Räumen der mdw als auch im Freien und im Kulturzentrum Brunnenpassage stattfanden.

© Igor Ripak

Viele Präsentationen thematisierten das Aufdecken von Machtasymmetrien und das Durchbrechen des Status quo. So wurde z. B. der Anspruch, „es anders zu machen“ durch den Eröffnungsbeitrag von Meriam Bousselmi und Özlem Canyürek erfüllt. Die Lecture-Performance wurde mit einer ungewöhnlichen Sitzordnung gestaltet, die zur interaktiven Teilnahme und zum Nachdenken über eigene Positionen anregte. Besonders hervorzuheben ist Bousselmis Konzept der Kartografie als Methode der Disruption, um koloniale Strukturen zu dezentrieren und zu destabilisieren. Meike Lettaus Präsentation lieferte eine tiefgehende Analyse der Ereignisse nach dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 in Israel sowie deren Auswirkungen in der Region. Cancel Culture und Zensur in der deutschen Kulturdiplomatie wurden hervorgehoben und Machtstrukturen in der Kulturpolitik in Relation zu Vertrauen und Misstrauen beleuchtet.

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Durch die 20 vielfältigen Präsentationen von rund 80 Personen, die zwar teilweise im sogenannten Westen wohnen, jedoch etwa zur Hälfte aus Ländern des Globalen Südens stammen, wurden bislang wenig repräsentierte Perspektiven wie auch beispielsweise aus queerer Position sichtbar gemacht. Jason Otoo leitete einen partizipativen Tanzworkshop und stellte seine Forschung zu den Überlebensstrategien männlicher Cross-Dressing-Darsteller in indigenen Tanzgruppen in Ghana vor, wobei er auf Geschlechternonkonformität, religiöse Machtstrukturen und die „doppelt marginalisierte“ Situation von Gender-Queerness in westafrikanischen künstlerischen Praktiken einging.

© Stephan Polzer

Auch Qilaatersorneq, Inuit Drum Singing aus Grönland, das als immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anerkannt wurde und sich durch seine Verbindung zur inneren Rhythmik und dem Herzschlag von „westlicher“, technikbasierter Musik unterscheidet, regte zum Perspektivenwechsel hinsichtlich der Rolle der Wissenschaften, Verkörperung und Spiritualität an. Nuka Alice Lunds Workshop thematisierte auf diese Weise Dekolonialisierung durch die Verbindung dieser Kunstform mit persönlichen Einblicken.

Viele Präsentationen diskutierten Strategien gegen Machtungleichgewichte im Kulturbetrieb. Višnja Kisić und Goran Tomka von der Walduniversität Fruška Gora, Serbien, untersuchten die Verflechtungen zwischen Kultur, Politik und ökologischen Beziehungen und betonten das Konzept des „Co-Becoming“ zur Auseinandersetzung mit kapitalistischen, kolonialen und heteropatriarchalen Strukturen. Ihre Präsentation forderte die Teilnehmenden heraus, die Rolle von Künstler_innen als Mitgestalter_innen von Politik zu reflektieren.

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Vor der Tagung diskutierten Studierende der mdw, der University of Michigan, der Hochschule Niederrhein sowie weiterer (Kunst-)Universitäten von verschiedenen Kontinenten u. a. mit Milo Rau und Kolja Burgschuld (Wiener Festwochen) über die Entwicklung eines „Code of Ethics“ für Kulturschaffende in Relation zur „Verfassung/Code of Conduct“ der „Wiener Republik“ der Wiener Festwochen. Aus dieser Kooperation entwickelte sich ein weiteres, für das Sommersemester 2025 geplantes Seminarkonzept in Zusammenarbeit mit der internationalen Graduiertenschule „Performing Sustainability“ (Cape Coast/Ghana; Maiduguri/Nigeria; Hildesheim/Deutschland).

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An den Diskussionen waren insgesamt 225 registrierte Personen beteiligt. Diese hohe Anzahl ist als Beleg dafür zu sehen, dass das Thema der Tagung als relevant und notwendig einzuordnen ist. Etwa 28 Prozent der Teilnehmenden sind aus dem Globalen Süden nach Wien gereist. Einige eingeladene Stipendiat_innen aus Übersee konnten jedoch aufgrund von Problemen mit Visum und Einreise und geopolitischen Unsicherheiten nicht anreisen.

mdw.ac.at/ikm/veranstaltungen/critique-of-power-in-the-arts

Autorinnen: Lisa Gaupp, Tatjana Nikolić, Slavomíra Martišková

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