An Interdisciplinary Conference on Microrhythm and Groove in Popular Music

Hört man den Song My Favorite Part von Mac Miller und Ariana Grande (2016) zum ersten Mal, wundert man sich vielleicht über den programmierten Drum-Beat, der „schräg“ oder „wankend“ erscheint. Wie in diesem Hip-Hop-Track wirken Rhythmen in vielen Stilen populärer Musik gerade dadurch interessant, dass sie sich nicht an ein mathematisch exaktes Raster von Puls-Unterteilungen halten, sondern minimal davon abweichen. Diesem Phänomen des Mikrorhythmus und dem damit verbundenen Eindruck von „Groove“ widmete sich die Konferenz Rhythm under the Microscope, die Ende September 2024 an der mdw stattfand. Tatsächlich handelte es sich um die erste wissenschaftliche Konferenz mit Fokus auf dieses Thema und so waren die rund 70 Teilnehmer_innen sehr erfreut zu sehen, dass mehr Kolleg_innen als gedacht an diesem speziellen Thema arbeiten. „It is so great to see half of my bibliography in the audience“, brachte es eine Vortragende auf den Punkt, denn es war gelungen, fast alle wichtigen Protagonist_innen dieses Forschungsfeldes an die mdw zu holen, allen voran die Keynote-Speaker Anne Danielsen (Universität Oslo) und Justin London (Carleton College, Minnesota).

Dass mikrorhythmische Phänomene bisher oft nur subjektiv und teils widersprüchlich als ein bestimmtes „Feeling“ beschrieben werden konnten, stellte die Wissenschaft vor eine Herausforderung. Mit hochentwickelten Algorithmen und Methoden des Machine Learning ist es mittlerweile aber möglich, etwa Funk-Grooves, Soli von Jazz-Saxophonist_innen oder typische Schlagzeug-Patterns der Rolling Stones auf die Millisekunde genau zu vermessen. Selbst hundert Jahre alte Player-Piano-Notenrollen lassen sich nun mithilfe hochauflösender Kameras untersuchen, wie Steffen Just eindrucksvoll präsentierte. Dabei wurde deutlich, dass deren Produzenten schon damals darauf achteten, die mechanische Musik-Wiedergabe durch nachträgliche Timing-Manipulationen nicht steif wirken zu lassen.

Neben dem Austausch über solche musikwissenschaftlichen Analysen war es ein wesentliches Ziel der Tagung, die vielen verschiedenen Fächer, für die mikrorhythmische Phänomene ebenfalls relevant sind, an einem Ort zusammenzubringen und den transdisziplinären Austausch zu fördern. So gab es z. B. auch Einsichten in die neurophysiologischen Vorgänge beim Musikhören von Parkinson-Patient_innen und Menschen mit musikalischer Anhedonie (Psyche Loui), didaktische Ansätze zur Vermittlung afro-brasilianischer Rhythmen (Gérald Guillot) oder Erkenntnisse über kulturelle Unterschiede in der Performance von nicht-isochronen Rhythmen, wie sie für Musik aus Mali charakteristisch sind (Rainer Polak und Sylvie Nozaradan). Ob „Groove“ ganz nüchtern als ein durch Musik ausgelöster angenehmer Drang zur Bewegung („pleasurable urge to move“) definiert werden kann oder ob der Begriff nicht eng an afrikanische und diasporische Musizierpraxen geknüpft sein sollte, war dann Gegenstand einer lebhaften Diskussion, die zeigte, dass auch Grundlagenforschung nicht von sozio-kulturellen Kontexten isoliert werden sollte.

© Patricia Ruesch

Die unmittelbare Relevanz solcher Forschung für die Musikpraxis wurde in nachmittäglichen Workshops demonstriert. So leitete Kristian Wahlström im Anschluss an seinen wissenschaftlichen Vortrag eine Band aus ipop-Studierenden und Tagungsteilnehmer_innen an, einen AC/DC-Song mit den charakteristischen mikrorhythmischen Verschiebungen zu spielen, wobei er pädagogische Konzepte, Timing-Forschung und Lehrpraxis überaus überzeugend miteinander verzahnte. Auf ähnliche Weise verband auch das abendliche Konzert im Klangtheater den Spaß an der Musik mit der Reflexion über ihre innere Funktionsweise: Die Band We Salute You des ipop-Alumnus Raphael Vorraber spielte Hip-Hop-Beats, bei denen sich das internationale Publikum am eigenen Leib von der ansteckenden Tanzbarkeit feinster Mikrorhythmik überzeugen konnte.

In der Schlussdiskussion waren sich alle Beteiligten einig, dass es in zwei Jahren eine Fortsetzung geben soll. Bis dahin können Studierende, die an der Konferenz teilgenommen haben, die vermittelten Werkzeuge nun im Rahmen eines Seminars am ipop selbst ausprobieren und sich an der Analyse mikrorhythmischer Phänomene versuchen.

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