Die Werkschau der Filmakademie Wien findet jährlich statt und ist für Studierende eine Möglichkeit, ihre Projekte auf der großen Leinwand einem breiten Publikum zu präsentieren. Im Gartenbaukino, dem Stadtkino Wien und dem Arthouse-Kino der mdw kann das Publikum das facettenreiche Programm von Lang- und Kurzfilmen der Studierenden aus verschiedenen Studienrichtungen und Semestern der Filmakademie Wien innerhalb von drei Tagen erleben. 2024 hat die Werkschau über 2.500 Zuseher_innen ins Kino gelockt und mit insgesamt 31 Filmen begeistert. 2025 wird das 10-jährige Jubiläum der Werkschau gefeiert.

Cordula Rieger ist im achten Semester ihres Bachelorstudiums Regie und hat bei der Werkschau 2024 ihren ersten Dokumentarfilm uraufgeführt. Nebenan handelt von ganz gewöhnlichen Menschen in Wien, die der Filmcrew Zutritt zu ihrem Privatleben gegeben haben, und zeigt, wie die Protagonist_innen Christine, Johanna, Nico und Hans mit ihrer Einsamkeit und dem Alleinsein umgehen. Die ursprüngliche Idee zum Film entstand, als die Filmemacherin in ihrem Stiegenhaus zufällig auf Christine traf, während diese gerade einen Tisch am Gang des Hauses für ein Nachbarschaftstreffen aufstellte. Protagonistin Johanna hat die Regisseurin hingegen bei einem anderen Projekt kennengelernt: Cordula bat Menschen aus einem Haus in Wien, einen Gegenstand aus ihren eigenen vier Wänden zu zeichnen, der für sie das Wort „Zuhause“ am treffendsten beschreibt. Die Zeichnungen wurden in einem Buch zusammengefasst. Mit Nico ist die Regisseurin schon lange befreundet und der Protagonist Hans aus Nebenan ist Cordulas Vater. Während des ersten Corona-Lockdowns hat sich Cordula zum ersten Mal die Frage gestellt, wer eigentlich die Leute sind, die neben ihr wohnen und die sie meistens nur hört: „Ich hab durch das Hören gemerkt, dass wir alle sehr unterschiedliche Alltage haben müssen. Auf der einen Seite hört man Kinder, dann riecht man ein gekochtes Essen und dann hört man wiederum auf der anderen Seite, wie jemand Sex hat.“ Obwohl Cordula schon an einigen Kurzfilmen gearbeitet hat, ist dies ihr erster Film in Spielfilmlänge. Die größte Herausforderung sieht sie bei einem Langfilm im zeitlichen Aspekt: „Alles dauert viel länger. Ich glaube, die große Herausforderung hier ist, dass wir alle nebenbei auch arbeiten müssen. Dadurch ist manchmal der Fokus schwer zu halten und man muss daher immer wieder reinkommen.“ Spannend war auch herauszufinden, wie die Dramaturgie im Gegensatz zu einem Kurzfilm funktioniert: Wie komplex kann man eine Person erzählen, wie viel Zeit kann man sich dafür nehmen, sind nur einige der Fragen, die Cordula dabei beschäftigt haben. Nebenan wird momentan für weitere Festivals verwertet.

Pipi Fröstl und Felix Krisai waren eines der wenigen Regie-Duos bei der Werkschau 2024. Pipi macht den Master in Buch und Dramaturgie, Felix absolviert gerade seinen Master in Regie. Strangers Like Us zeigt Laura und ihren Partner, die in ihr neues Haus das befreundete Pärchen Nina und Patrick einladen. Im Laufe des Abends gerät die Hauptfigur in einige zunehmend absurde Situationen und fragt sich: Ist das wirklich noch mein Zuhause oder das von Nina und Patrick? Die Idee zu dem Film kam Felix auf dem Nachhauseweg: Was ist, wenn ich meine Wohnung nicht mehr aufsperren kann und jemand anderer öffnet mir die Tür? Pipi und Felix haben bei ihren bisherigen Arbeiten immer schon in unterschiedlicher Weise zusammengearbeitet, die Co-Regie bei Strangers Like Us ist jedoch eine Premiere. Für beide war es bereichernd, jederzeit im Prozess des Films eine zweite Meinung zu haben und über alles diskutieren zu können. Pipi arbeitet schon länger bei Projekten gern mit mehreren Personen zusammen: „Ich finde kollaboratives Arbeiten und die Aufteilung von künstlerischer Verantwortung extrem spannend. Es ist automatisch auch eine Form von Entlastung, dass man nicht alles alleine tragen muss.“ Mit ihrem Kurzfilm waren Pipi und Felix schon bei den Vienna Shorts, der Shortynale in Klosterneuburg und der Diagonale in Graz, wo sie auch mit dem Thomas-Pluch-Drehbuchpreis für das beste Kurzfilm-Drehbuch ausgezeichnet wurden. Während sich die beiden über die gewonnene Aufmerksamkeit rund um ihren Film freuen, wollen sie sich doch von dem großen Konkurrenzdenken bei Festivals distanzieren. „Einen Erfolg zu antizipieren führt nur zu Enttäuschung und lenkt vom eigentlichen Erzählen und Forschen ab“, so Felix.

Martin Weiss’ Kurzfilm Stillstand einer Welle war Teil der Eröffnung der Werkschau 2024, die im Gartenbaukino stattfand. Der Film handelt von Georg, dessen Frau Sieglinde sich kürzlich von ihm getrennt hat. Nun lebt er alleine in dem großen Haus mit Garten, um den sich eigentlich immer seine Ehefrau gekümmert hat. Mit seiner Hingabe zu dem Stückchen Grün versucht der Protagonist, Sieglinde wieder zurückzugewinnen. Welche Filme bei der Eröffnung gezeigt werden, wird im Rahmen eines Auswahlverfahrens der Institutsleitung der Filmakademie Wien festgelegt. Das Drehbuch für Stillstand einer Welle hat Martin schon im ersten Semester seines Montage-Studiums im Zuge einer Studienaufgabe geschrieben. Während der Scheidung seiner Eltern hat sein Vater ein Bügelbrett transportiert, das ein Portier mit einem Surfbrett verwechselte und damit die Grundlage für Martins Filmprojekt schuf. Für Stillstand einer Welle war er nicht nur für das Drehbuch zuständig, sondern übernahm auch Regie und Montage. Die Vorteile sah er darin, dass er jederzeit an dem Film arbeiten und sich außerdem in verschiedenen Bereichen ausprobieren konnte. Der große Nachteil für Martin ist jedoch der fehlende Austausch mit Kolleg_innen während des Arbeitens und die Einsamkeit in der Mittagspause. Bei der Werkschau schätzt Martin das Familiäre des Festivals und das sichere Umfeld durch Studierende: „Bei der Werkschau ist es so, dass wir unsere Filme anschauen und uns gegenseitig auch kennenlernen.“ Bei der Werkschau 2024 haben die Studierenden der Filmakademie selbst die Moderation der Gespräche, die unmittelbar nach den Vorstellungen im Stadtkino und Arthouse-Kino stattfanden, übernommen. „Indem Filmemacher_innen die Interviews führen, war es eher so ein Austausch von Expertise zu Expertise. Das macht schon einen Unterschied, wie die Filmgespräche ablaufen. Das fand ich sehr schön“, so Martin. Weitere Regiearbeiten oder ein mögliches weiterführendes Studium in diesem Bereich will Martin in Zukunft nicht ausschließen.
2025 feiert die Werkschau im November 10-jähriges Bestehen. Besucher_innen können sich neben dem Filmprogramm auch über Spezialveranstaltungen freuen. Mehr Infos dazu werden im Laufe der nächsten Monate auf der Website der Filmakademie Wien veröffentlicht.