mdw-Studierende Kathrin Fabian gibt Einblick in ihre musikpädagogische Masterarbeit Konzeption eines musikbasierten pädagogisch-psychologischen Programms auf Basis der Selbstbestimmungstheorie zur Förderung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Einbindung im inklusiven Musizieren (2022).
Schon einmal etwas von den Bedürfnissen nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Einbindung gehört? Nein? Dann möchte ich sie Ihnen jetzt kurz näherbringen, denn sie sind laut Selbstbestimmungstheorie (SDT, Deci & Ryan, 1985, 2000) universelle psychologische Basisbedürfnisse, die essenziell für menschliche Motivation, Wohlbefinden und eine optimale psychische Entwicklung sind.
Was genau sind nun diese psychischen „Wundervitamine“? Ich habe mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit den psychologischen Basisbedürfnissen der Selbstbestimmungstheorie auseinandergesetzt und möchte sie hier kurz vorstellen.
SDT forwards the proposition that there are specifiable psychological and social nutrients which, when satisfied within the interpersonal and cultural contexts of an individual’s development, facilitate growth, integrity, and well-being. (Ryan & Deci 2017)
To be self-determined or autonomous in their actions, people must (1) be aware of the needs, processes, feelings, cognitions, and relationships that make up their true or integrated sense of who they are and (2) act in accordance with that integrated sense of self. To a large extent, this involves people allowing their basic needs to emerge and behaving in ways that satisfy those needs. (Ryan & Deci, 2017)
Autonomie ist selbstbestimmtes Handeln. Aber was genau bedeutet „selbstbestimmt“, wenn ich beispielsweise von einer inneren Stimme im Hintergrund „ermahnt“ werde, ich solle doch so oder so sein oder dies oder jenes tun?
Die Selbstbestimmungstheorie geht dann von introjiziertem Handeln aus, das wenig selbstbestimmt ist. Introjekte, innere Repräsentation äußerer Personen beispielsweise, kennen Sie vielleicht aus der Psychologie: Die inneren Eltern, der innere Kritiker und so weiter. Die Selbstbestimmungstheorie hebt hervor, wie wichtig es ist, selbstreflexiv zu handeln: Ist das wirklich, was ich will? Sind das wirklich meine Werte und Ziele? Woran habe ich wirklich Freude? Sich diese Fragen zu stellen, kann zu tatsächlich autonomem und selbstbestimmtem Handeln führen.
Insbesondere Kinder zeigen ihre autonome Motivation noch häufig in intrinsisch motiviertem Tun. Im Laufe der Sozialisation verliere diese jedoch an Bedeutung, könne aber durch Verhalten, das persönliche Ziele und Interessen widerspiegelt, ergänzt werden. Jedoch mahnt die Theorie zur Vorsicht: Viele Menschen hätten den Kontakt mit sich selbst und ihren eigentlichen Bedürfnissen verloren und würden ihr Handeln so auf sogenannte extrinsische Ziele hin orientieren, jene, die nicht mit der Erfüllung psychologischer Basisbedürfnisse in direkter Verbindung stehen. Daher wird in der Selbstbestimmungstheorie auch zwischen der Persönlichkeit und dem Selbst eines Menschen unterschieden.
Wenn Sie jetzt verunsichert sind und denken: „Ja, wie kann ich denn nun wissen, ob mein Verhalten selbstbestimmt ist?“ Die Theorie empfiehlt Achtsamkeit und Selbstreflexion, denn: Was Ihre wahren persönlichen Werte, Ziele und Interessen sind, wissen Sie selbst am besten.
Wie steht es um die anderen zwei Bedürfnisse? Kompetenz betrifft nicht Ihr bereits erlerntes persönliches Können, sondern Erfahrungen, in denen Ihnen etwas gelungen ist, in denen Sie intentionale Effekte erzielen konnten und Aufgaben Ihrem persönlichen Schwierigkeitsniveau entsprachen. Das bedeutet: Um das Bedürfnis nach Kompetenz zu erfüllen, ist es notwendig, die Möglichkeit zu haben, sich persönlich weiterzuentwickeln und Erfahrungen des Gelingens zu machen.
Die Erfüllung des Bedürfnisses nach sozialer Einbindung schließlich ist das Gegenteil der Erfahrung sozialer Entfremdung und emotional unbefriedigender Beziehungen. Wenn Sie sich nach „echten“ emotionalen Bindungen sehnen, in denen Sie Ihr wahres Selbst sein können, unterstützt werden und Fürsorge erfahren, sind Sie in Kontakt mit dem menschlichen Basisbedürfnis nach sozialer Einbindung, das nicht durch oberflächliche Kontakte oder Beziehungen rein transaktionaler Natur erfüllt werden kann.
Im Einklang mit Ryan & Deci (2017) – „[…] for we cannot conclude a treatise on self-determination by looking wholly to environments to improve the human condition“ – habe ich in meiner Masterarbeit ein Programm entworfen, das Teilnehmende dabei unterstützen soll, sich ihre psychologischen Basisbedürfnisse besser zu erfüllen; selbst unter Umständen eines widrigen Umfelds, das ihre Erfüllung nicht unterstützt. Darin erlernen die Teilnehmenden beispielsweise Fähigkeiten der Selbstreflexion und Achtsamkeit, lernen interessefördernde Strategien kennen und unterstützen sich gegenseitig in der Erfüllung psychologischer Basisbedürfnisse. Das Programm soll so zu einer verbesserten Wahrnehmung der Bedürfnisse bei sich selbst und anderen beitragen und neue Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf die Verwirklichung von Bedürfniserfüllung eröffnen. Auf diese Art können die Inhalte des Programms auf vielseitige Weise in musikpädagogische Settings und Bezüge eingebunden werden und diese bereichern. Neben inklusiv musizierenden Gruppen bietet sich sein Einsatz beispielsweise in Schulklassen, elementaren Musiziergruppen sowie Musik- und Bewegungsgruppen an.