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Drazic: Die Politik des Kritischen Komponierens

2.7 Verschiebungen in den jüngeren Texten

Nach Erscheinen von Musik als existentielle Erfahrung im Jahr 1996 vergingen zehn Jahre, bevor Lachenmann unter dem Titel »Kunst in (Un)Sicherheit bringen«69 wieder einen Aufsatz publizierte, der über anlassbezogene Texte wie Festreden, Statements, Interviews oder Werkeinführungen hinausging. Seither hat Lachenmann neben den bereits erwähnten Gelegenheitsprodukten (zu denen er nun als etablierte Größe im Kunstmusik-Bereich selbstredend auch häufiger aufgefordert wird) eine …

3.1 György Lukács

3 Offene und verdeckte Bezüge Bevor in Kapitel 4 zentrale Konzepte in Lachenmanns Texten unter die Lupe genommen werden, geht dieses Kapitel einigen Querverbindungen nach, die Lachenmanns Aussagen mit den Texten anderer Autoren verbinden. Lachenmanns Denken soll so nicht nur synchron, sondern auch diachron in einem diskursiven Kontext verortet und damit in seiner Entwicklung nachvollziehbar gemacht werden. Ich beschränke mich …

3.2 Theodor W. Adorno

Explizite Hinweise auf eine Beschäftigung mit Theodor W. Adorno sind in Lachenmanns frühen Texten weniger verbreitet, als dies angesichts der augenscheinlichen Parallelen zwischen dem Musikdenken der beiden Autoren zu vermuten wäre. Vereinzelte Hinweise umfassen etwa eine wohlwollende Erwähnung von Adornos Rolle bei der ästhetischen Aufarbeitung der Wiener Schule in »Zum Problem des musikalisch Schönen heute«52 von 1977.53 Deutlicher als in …

3.3 Luigi Nono

Handelt es sich bei Lukács und Adorno um Philosophen, bei deren Musikdenken Lachenmann mehr oder weniger explizite Anleihen genommen hat, so haben wir es bei Luigi Nono hingegen mit einem Komponisten zu tun, dessen Einfluss auf den jungen Lachenmann entsprechend andere Formen annahm. Lachenmann war von Herbst 1958 bis Frühling 1960 (mit einer Unterbrechung) Nonos Privatschüler in Venedig.127 Dieses Lehrer-Schüler-Verhältnis …

4.1 Sprachfähigkeit und Transzendenz

4 Zentrale Konzepte in Lachenmanns Texten 4.1 Sprachfähigkeit und Transzendenz Sowohl Lukács als auch Adorno – also jene Theoretiker, die in Lachenmanns Schreiben den deutlichsten Widerhall finden – gründet seine Ästhetik auf dem Gedanken der Mimesis, wobei die damit verbundenen Konzepte bei den beiden Philosophen beträchtlich divergieren. So begreift Lukács die Mimesis als genuin künstlerische Form der Widerspiegelung, die die …

4.2 Musikalisches Material

Der Begriff des musikalischen Materials stellt ein paradigmatisches Beispiel für das Weiterwirken Adorno’scher Kategorien in Lachenmanns Schriften dar. Ralf-Alexander Kohler zufolge liegt »ein leicht modifizierter Begriff des musikalischen Materials […], wie er sich bei Adorno findet«24, gar allen Überlegungen Lachenmanns zugrunde. Für Gianmario Borio enthält der Materialbegriff bei Adorno zwei zentrale Prämissen von dessen Musikphilosophie: daß erstens Material keine universale, …

4.3 Wahrnehmung als Mittel zur gesellschaftlichen Veränderung

Die Wahrnehmung erweist sich in Lachenmanns Texten als zentraler Schauplatz sowohl des ästhetischen Geschehens als auch der damit verbundenen existentiellen Veränderung bei den Hörenden – in ihr manifestiert sich der gesellschaftliche Gehalt und das gesellschaftsverändernde Potenzial von Musik.116 Dass Lachenmann damit im Musikdenken der Gegenwart keine Ausnahme darstellt, illustriert Martin Kaltenecker mit Verweis auf Philosophen wie Gilles Deleuze oder Jean-Luc …

5 Kritisches Komponieren als bürgerliche Kultur

Teil II: Ideologie 5 Kritisches Komponieren als bürgerliche Kultur Und das »sagt« uns eigentlich die Musik: Es gibt einen Geist.1 Die Distanzierung des Großbürgertums von allen unter ihm stehenden Gesellschaftsklassen hatte nicht nur zu seiner Abwendung vom Volkstümlichen in der Kunst geführt, sondern auch […] seine Umgangsformen und seinen gesamten Lebensstil entscheidend beeinflußt.2 Ziel des vorangegangenen Kapitels war es, die …

5.1 »Abwehrreaktionen eines Hörers« – Ideale der Rezeption

Lachenmanns Auffassung von der musikalischen Wahrnehmung als Brücke zwischen dem musikalischen Material und dem Denken der Hörenden wurde bereits in Kapitel 4.3 thematisiert. Dem vorliegenden Abschnitt liegt hingegen die Frage nach dem deskriptiven oder normativen Charakter dieses Rezeptionskonzepts zugrunde.19 Sowohl die Aussagen Lachenmanns als auch das diskursive Umfeld sind in dieser Hinsicht uneindeutig. Vordergründig betrachtet scheint der Großteil der Äußerungen …

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