5.4 Zwischen Egalitarismus und Elitismus



»Denn […] Unterhaltung soll sein«: Gleichwertigkeit der Musik- und Rezeptionsformen?

1971 äußert Lachenmann in einem »Werkstatt-Gespräch« mit Ursula Stürzbecher: »Was ich will, mein ›Ziel‹, ist immer dasselbe: eine Musik, die mitzuvollziehen nicht eine Frage privilegierter intellektueller Vorbildung ist, sondern einzig eine Frage kompositionstechnischer Klarheit und Konsequenz«212. Im antiautoritären Geist der 1968er-Bewegung und unter dem Eindruck einer neomarxistischen Hegemonie in linksintellektuellen Kreisen wendet sich Lachenmann hier gegen den exklusiven Charakter bürgerlicher Kultur, indem er eine Kunst einfordert, die alle Menschen gleichermaßen erreicht. Noch 1997 – fast 30 Jahre später – äußert sich Lachenmann, wiederum in einem Interview, auf ähnliche Weise:

Wenn ich daran denke, wieviel Reklame und Propaganda für Sport oder für welche Waren oder Unterhaltungsdienstleistungen auch immer gemacht wird. Das trifft bei der Neuen Musik nicht zu. Für die wird eher Anti-Reklame gemacht in Form frustrierender oder Stirn-in-Falten-bringender Sendungen zu spätabendlichen Zeiten. Oft wird sie mit irgendwelchen fachbezogenen Thematiken verknüpft, die dem Menschen gar nicht mehr erlauben, die Musik wirklich zu erleben, auch emotional zu erleben, vielleicht sogar zu genießen.213

Auch hier scheint Lachenmann daran gelegen zu sein, Barrieren abzubauen, um jenen unmittelbaren, authentischen und lustvollen Zugang zur ›neuen Musik‹ zu ermöglichen, der dieser eigentlich gerecht werde. In diesem Zusammenhang kritisiert der Komponist auch den ausschließenden Charakter dessen, was er als »Neue-Musik-Ghettos«214 bezeichnet, und plädiert für eine Integration zeitgenössischer Kompositionen in das reguläre Abonnementprogramm. Eine solche habe etwa Michael Gielen erfolgreich praktiziert, als er Lachenmanns Komposition Fassade mit der sechsten Symphonie von Gustav Mahler kombiniert habe:

Man merkt bei einer solchen Gelegenheit, daß sich diese Stücke nicht an den Intellekt, sondern an den gleichen ästhetischen Hintergrund wenden, vor dem wir uns normalerweise Musik zuzuführen pflegen.215

Auch eingedenk der Tatsache, dass es sich beim Publikum eines Symphoniekonzerts nicht um einen repräsentativen Ausschnitt der westdeutschen Bevölkerung handelt, manifestiert sich in diesen Stellungnahmen ein klares Interesse daran, Zugangshürden bei der Rezeption ›neuer Musik‹ zu beseitigen. Nun kann die Annahme, dass es zur Rezeption der Musik etwa eines Helmut Lachenmann keiner besonderen Voraussetzungen bedürfe, einerseits als weltfremd, zumindest aber als idealistisch gedeutet werden – sie wäre in diesem Sinn dazu angetan, die Kluft zwischen dem Anspruch Lachenmanns und der tatsächlichen Rezeption durch ein Konzertpublikum sogar noch zu vergrößern. Bleiben wir indessen auf der Ebene der Intentionalität, ohne in diesem Rahmen ohnehin nicht zu bearbeitende empirische Fragen nach der Verständlichkeit von Lachenmanns Musik aufzuwerfen, so spricht daraus eine Denkweise, die einen alltäglichen Konsum klassisch-romantischer Kunstmusik als angemessenen Maßstab für die Rezeption ›neuer Musik‹ heranzieht und somit die Rezeptionshaltung eines Publikums ohne spezifische Vorbildung als legitim definiert.

Eine ähnliche Stoßrichtung besitzt eine Reihe von Äußerungen, in denen Lachenmann ebenfalls die Wahrnehmung von Hörenden ohne spezifisches Wissen über ›neue Musik‹ als Maßstab der Rezeption heranzieht bzw. unterschiedliche Rezeptionsweisen als gleichwertig nebeneinanderstellt. In einem Text von 1973, in dem Lachenmann in polemischem Tonfall auf Kritik seitens der Zeitschrift Kunst und Gesellschaft reagiert, die von der Vereinigung sozialistischer Kulturschaffender in der BRD herausgegeben wurde, zieht Lachenmann Luigi Nono gegenüber Hanns Eisler als zeitgemäßen politischen Komponisten vor. Mit dem Einsatz für Nonos Musik sieht er »eine Kontinuität angesprochen, die heute wie damals auch vom Laien prinzipiell dialektisches Hören verlangt und ihm dies zutraut«216. Während Lachenmann mit der Annahme, Laien seien zu dialektischem Hören fähig,217 einerseits einen geradezu aberwitzig hohen Maßstab anlegt, spricht aus dieser Äußerung andererseits eine große Wertschätzung für Rezipient*innen, die nicht dem engsten Kreis der Expert*innen ›neuer Musik‹ zuzurechnen sind.

1991 legt Lachenmann ein Bekenntnis zur Toleranz gegenüber unterschiedlichen Rezeptionsweisen ab: »Und niemand ist gezwungen, Musik ›strukturell‹ zu hören, oder wie auch immer der geistigen Leistung, die ein Werk verkörpert, intellektuell gerecht zu werden.«218 Sosehr in Lachenmanns Schriften ein Rezeptionsideal vorherrscht, das dem Begriff des strukturellen Hörens entspricht, wie ihn Adorno in seinen »Anweisungen zum Hören neuer Musik«219 definiert, wird hier doch alternativen Rezeptionsweisen prinzipielle Legitimität zuerkannt. Eine solche pluralistische Haltung kommt auch in anderen Äußerungen zum Tragen. 2004 bemerkt der Komponist über sein Musiktheater Das Mädchen mit den Schwefelhölzern: »Die Oper ist eigentlich eine politische Oper, sie klagt die Gesellschaft an. Aber nicht, indem sie den Zeigefinger hebt, sondern indem sie eine Situation schafft. Alles andere muss aus dem Kopf des Rezipienten selbst kommen.«220 Auch hier scheint der Autor den Hörenden ein großes Maß an Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung zuzugestehen.

Mitunter erscheint die Wahrnehmung von Hörenden ohne spezifische Vorkenntnis derjenigen von solchen, die mit ›neuer Musik‹ vertraut sind, sogar überlegen. In einer Radiosendung, in der er Musik aus dem Bereich der »E- und U-Musik«221 moderiert, bemerkt Lachenmann 2010 über die Structures pour 2 pianos von Pierre Boulez:

Und noch heute sagen manche erschrockene Hörer – denn auch dem Komponisten Boulez sind gelegentlich Hörer weggelaufen: »Das ist doch keine Musik!« Und ich sage: »Wunderbar! Ihr habt genau verstanden. Es ist keine Musik, weil hier der Musikbegriff noch einmal ganz neu erfunden wird.«222

Diese Aussage variiert mehrere aus dem Diskurs der Avantgarde vertraute Topoi: zum einen die Figur des ›Spießers‹, der der avancierten Kunst mit Unverständnis begegnet; zum anderen die absichtsvolle Provokation ebendieses spießbürgerlichen Publikums durch die (zumeist männlichen) Vertreter der Avantgarde.223 In einer ironischen Volte wird hier gerade die Abwehrreaktion mancher Hörender als konstitutives Merkmal avantgardistischer Kunst gedeutet – ein Motiv, das etwa aus der Anti-Kunst eines Marcel Duchamp bekannt ist.224 Diesem Blickwinkel zufolge erscheint die negative Reaktion nicht als Scheitern der Kommunikation, sondern im Gegenteil gerade als Ziel der künstlerischen Anstrengung. Dass es sich dabei um ein rhetorisches Mittel handelt, da sich jede*r Künstler*in verständnisvolle Zuhörer*innen und nicht Buh-Rufer*innen wünscht, sei nur nebenbei bemerkt. Auch das Bekenntnis des Künstlers, gerade keine Kunst bzw. Musik herstellen zu wollen, gehört zum Narrativ der Anti-Kunst. Im Musikbereich steht dafür neben dem prominenten Beispiel John Cage etwa auch Adornos Aussage, wonach gerade der Schock der Zuhörer*innen Indiz dafür sei, dass sie die Botschaft von Schönbergs Musik verstanden hätten.225 Lachenmanns Bemerkung, bei der Abwehrreaktion von Teilen des Publikums von Boulez’ Structures handle es sich gerade um Anzeichen eines besonders unmittelbaren Verständnisses der Musik, ist ebenfalls dieser Tradition zuzurechnen.

In derselben Radiosendung nimmt Lachenmann eine Definition von ›Unterhaltungsmusik‹ vor:

Das ist nach meiner Privatdefinition jene Musik, bei der der Hörer gleichzeitig etwas anderes treiben kann, also zum Beispiel seine Geschirrspülmaschine ausräumen, ohne dass ihm von der Substanz der gleichzeitig gespielten Musik etwas entgeht. Während er bei sogenannter ernster, sprich E-Musik, sich hinsetzt und sich total aufs Hören konzentriert, beziehungsweise sich darauf konzentrieren sollte.226

Der Zusatz »Privatdefinition« deutet an, dass Lachenmann bei dieser Charakterisierung von ›Unterhaltungsmusik‹ nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wissen will. Abgesehen davon folgt die dichotome Gegenüberstellung von ›E‹- und ›U‹-Musik wiederum einem gängigen Schema, das im Diskurs über Musik seit dem späten 18. Jahrhundert besteht und einer kontemplativ zu hörenden ›ernsten‹ eine ›unterhaltende‹ Musik gegenüberstellt, die aufgrund ihrer geringeren Komplexität auch als Hintergrund geeignet ist.227 Zwar ist die hier von Lachenmann aufgegriffene Kategorisierung dualistisch, die Äußerung geht aber mit keiner expliziten Wertung einher, wodurch wiederum der Eindruck einer toleranten Haltung gegenüber unterschiedlichen Musik- und Rezeptionsformen entsteht. Dieser wird in besagter Radiosendung noch weiter bestätigt, wenn Lachenmann in der Überleitung zwischen Weberns Orchesterstücken Op. 10 und einer Nummer von Oscar Peterson äußert: »Ich liebe diese Musik unendlich, aber diese Liebe hindert mich nicht, auch die folgende zu lieben.«228 Nach der Jazznummer fügt Lachenmann hinzu: »Und wie schon gesagt: Ich liebe diese Musik, und ich liebe die Musik von Anton Webern. Und ich frage, warum müssen wir die gegeneinander ausspielen? Das sind zwei verschiedene Baustellen.«229 Der grundsätzliche Unterschied zwischen ›E‹ und ›U‹, von dem Lachenmann hier ausgeht, dient gerade als Möglichkeitsbedingung von Toleranz: Eine Hierarchisierung der beiden Genres ist gewissermaßen genauso unsinnig, wie es, bildlich gesprochen, unsinnig wäre, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

»Billige Anpassung […] im Sinn der herrschenden Geschmackszwänge«: die Abwertung des Populären

Während sich daraus eine Offenheit Lachenmanns gegenüber populären Musikformen ableiten lässt, deuten jedoch zahlreiche Äußerungen des Komponisten auf eine Hierarchisierung zugunsten der Kunstmusik hin. Im Übrigen lässt schon die diametrale Gegenüberstellung der Sphären ›E‹ und ›U‹ auf eine zumindest implizite Wertung schließen. Wie zu zeigen sein wird, erstreckt sich die Hierarchisierung der Musik­sparten bei Lachenmann auch auf die damit verbundenen Rezeptionsformen und Publika. Dies soll hier beispielhaft anhand der Analyse eines Textes aus dem Jahr 1976 deutlich gemacht werden, in dem Lachenmann eine Studienordnung für das Fach Schulmusik entwirft.230

Der Entwurf war Teil eines Diskussions- und Reformprozesses hinsichtlich der Studien- und Prüfungsordnung für das Fach Schulmusik an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, der in den späten 1970er-Jahren begann und sich über zwei Jahrzehnte hinzog. Lachenmann war in diesem Rahmen für den Teilbereich Musiktheorie zuständig. Auslöser war zum einen der Wunsch nach Vereinheitlichung der Lehrpraxis, die in Ermangelung klarer Bestimmungen je nach Lehrperson variierte. Zum anderen gingen diese Bestrebungen mit einem vom Niedersächsischen Kultus­ministerium initiierten landesweiten Reformvorhaben einher. Bis dahin war die Schulmusikausbildung noch von Leo Kestenbergs – zur Zeit seiner Implementierung äußerst fortschrittlichem – Modell aus den 1920er-Jahren geprägt gewesen, das Musik erstmals als komplexe kulturelle Erscheinung vermitteln wollte, wozu es höchster künstlerischer, wissenschaftlicher und pädagogischer Kompetenz bedürfe. Diese Erneuerungsbestrebungen waren wiederum Teil einer umfassenden Bildungsreform, die von der sozialliberalen Regierung Willy Brandt initiiert wurde und eine Abkehr von den klassischen Bildungsidealen sowie die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit mit dem theoretischen Rüstzeug der Frankfurter Schule implizierte. Sie waren ein Kernstück staatlicher Reformtendenzen, die das institutionelle Gegenstück jenes gesamtgesellschaftlichen Liberalisierungsprozesses darstellten, der von der Protestbewegung um 1968 eingeläutet wurde.

Ergebnis des Reformprozesses an der Musikhochschule Hannover war das sogenannte Hannover’sche Modell ›Musik im Lehramt an Gymnasien‹. Inhaltlich sah es die Gliederung des Gegenstands in vier Teilbereiche vor, wobei dem künstlerischen Teil die Fächer Musiktheorie, Musikwissenschaft und Musikpädagogik gegenüber­standen. Lachenmanns den Teilbereich Musiktheorie betreffende Über­legungen fanden Eingang in das finale Modell.231

Der Text »Aufgaben des Fachs Musiktheorie in der Schulmusik-Ausbildung« ist einerseits untypisch für Lachenmanns musikpublizistische Äußerungen – erfüllt er doch eine klare funktionale Bestimmung, die seiner äußeren Gestalt strikte Grenzen setzt. Er teilt sich grob in zwei Abschnitte, wobei der zweite eine Auflistung der vorgeschlagenen Unterrichtsfächer enthält, während der erste ästhetischen Grundlagen des Musiktheorie-Unterrichts gewidmet ist. Dieser Abschnitt ist es auch, welcher – der vergleichsweise rigiden äußeren Gestalt der Textsorte zum Trotz – ein umfassendes Bild von Lachenmanns Musikverständnis vermittelt.

Als primären Gegenstand des Musiktheorie-Unterrichts definiert Lachenmann eine emphatisch verstandene ›neue Musik‹, die über den negativen Bezug zur Tonalität definiert und aus einer Tradition der kritischen Befragung und Erweiterung des musikalischen Materials innerhalb der europäischen Kunstmusik hergeleitet wird. Diese Tradition, verstanden als Fortschrittsgeschichte des Komponierens, ist in dem Ausmaß Gegenstand der Unterweisung, in dem sie »nach wie vor ein wesentlicher Teil unserer gegenwärtigen Musik-Erfahrung und eine Grundbedingung für das ästhetische Verhalten und Selbstverständnis unserer Gesellschaft ist.«232 Da sich die als legitim verstandene Musik in Werken niederschlägt, wird denn auch der werk­analytische Zugang als zentrale Form der Beschäftigung mit Musik definiert.233

Lachenmann benennt auch die Verortung der Werke in einem gesell­schaftlichen und politischen Kontext als erstrebenswertes Ziel.234 Zentral bleibt dabei aber stets die strukturanalytische Auseinandersetzung mit den Kompositionen. Aus ihr gehe unter anderem auch die Fähigkeit hervor, ›Kunstmusik‹ gegenüber Musikformen abzugrenzen, die nicht als Kunst angesehen werden könnten:

Erst von da aus ergibt sich zugleich die Möglichkeit einer objektiven, den Gegensatz versachlichenden Abgrenzung von Kunst gegenüber den pseudokünstlerischen (dekorativen, angepaßten, modernistischen, kommerziell gesteuerten usw.) Musikangeboten in unserer pluralistischen, keineswegs von sich aus kunst-bewegten Gesellschaft, und die Möglichkeit angemessener Auseinandersetzung mit all den Musikerscheinungen, denen man unter künstlerischen Gesichtspunkten der Sache nach nicht gerecht wird.235

Daneben grenzt Lachenmann auch populäre und außereuropäische Musik von der ›Kunstmusik‹ ab. Die Neutralität dieser Differenzierung, die Lachenmann zufolge keine Wertung einschließen soll, wird allerdings durch den evaluativen Charakter des Kunstbegriffs in Frage gestellt: Durch die Feststellung, etwas sei keine Kunst, wird dieses Etwas aufgrund der positiven Besetzung des Kunstbegriffs implizit abgewertet. So heißt es in der Folge, populäre und außereuropäische Musik seien in dem Ausmaß in den Unterricht mit einzubeziehen, in dem sie sich in einem Wechselverhältnis mit der europäischen ›Kunstmusik‹ befänden, was den Austausch musikalischen Materials betreffe: »Denn anders ist eine vernünftige Abgrenzung von Kunst gegenüber Musik mit anderen Funktionen (und anderen Interessen) nicht möglich.«236 Populäre und nicht-europäische Musiken erscheinen also nicht an und für sich als würdige Objekte der musiktheoretischen Auseinandersetzung, sondern erst durch ihren Bezug zu deren primärem Gegenstand, der westlichen ›Kunstmusik‹.

Hierzu ist anzumerken, dass deren Privilegierung in den 1970er-Jahren gängige Praxis war und die Einbeziehung von populärer Musik, Jazz und außereuropäischen Musikformen in die Ausbildungswege an Musikhochschulen erst allmählich im Verlauf der folgenden Jahrzehnte etabliert wurde.237 So gründete die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover als eine der ersten deutschen Hochschulen im Jahr 1985 die Studienrichtung Jazz, Rock und Pop. Die Humboldt-Universität zu Berlin hatte zwei Jahre zuvor ein Forschungszentrum für populäre Musik errichtet, die Hochschule für Musik und Theater Hamburg 1982 als erste deutsche Musikhochschule einen Kontaktstudiengang für Popularmusik eingeführt.238 Auch wenn die ausdrückliche Erwähnung populärer und nicht-europäischer Musiken im historischen Kontext also als fortschrittlich zu werten ist, erscheint die dabei vorgenommene Gewichtung aus heutiger Sicht als fragwürdig.

Diese Wertung wird immerhin durch den Umstand konterkariert, dass Lachenmann im B-Teil der Studienordnung dezidiert »Jazz, Free Jazz, Beat, Pop – Kommerzielle Unterhaltungs- und Tanzmusik – Folklore – Musik fremder Kulturen«239 als Bestandteil der Musikgeschichts-Unterweisung anführt. Außerdem wird erwähnt, dass Popmusik auch als Schwerpunktfach gewählt werden könne.240 Dennoch konstituiert die Aussage »Insofern sich Musik in Werken objektiviert hat, steht im Mittelpunkt des Fachs Musiktheorie die Werk-Analyse«241 jene Art von Musik, die sich mit dem Begriff des ›Werkes‹ fassen lässt, als paradigmatische Form von Musik, während Musikformen, auf die das nicht zutrifft, eine untergeordnete Position zugewiesen wird. Hierin tritt die Prämisse zutage, dass schriftlich verfasster Musik gegenüber oralen Musiktraditionen Superiorität einzuräumen sei – eine Sichtweise, die in den 1970er-Jahren freilich noch weitgehend unbestritten war.

Auch die Formulierung, dass »Popularmusik, Jazz, Pop, Folklore, Musik fremder Kulturen […] [z]um Einzugsgebiet der analytisch zu erschließenden Materie […] unbedingt«242 dazugehörten, impliziert dem bekräftigenden »unbedingt« zum Trotz, dass diese nicht zum Kernbestand dieser Materie zählen. Indem der Forderung nach der Identifikation von Elementen der europäischen Kunstmusik in der Popularmusik die Äußerung »Denn anders ist eine vernünftige Abgrenzung von Kunst gegenüber Musik mit anderen Funktionen (und anderen Interessen) nicht möglich«243 folgt, wird nochmals bekräftigt, dass das Studium ›kunstfremder‹ Musikformen letztlich einer Demarkation der ›Kunstmusik‹ dient, die als zentraler Gegenstand des Musiktheorie-Unterrichts definiert wird. Implizit spricht aus dem Hinweis auf die anderen ›Funktionen‹ populärer Musik auch der Topos einer Funktionslosigkeit der Kunstmusik, wie er in Bezug auf die ›neue Musik‹ etwa von Adorno vertreten wurde.244

Die Abgrenzung von Musik als Kunst gegenüber Musikformen, die keine Kunst sind, ist jedoch nicht nur in diesem frühen Text zu beobachten – sie bildet vielmehr über die Jahrzehnte hinweg eine Konstante in Lachenmanns Schreiben. So heißt es in dem 1984 entstandenen Text »Musik als Abbild vom Menschen« in Bezug auf den Ästhetischen Apparat: »Musikkultur ist der Walkman, womit man hört und sich zu­gleich die Ohren zuhält.«245 Zwar geht es hier nicht ausdrücklich um Popularmusik, doch assoziiert die Erwähnung des Walkman als typischen Accessoires damaliger populärer Musikkulturen das Bild eines Musikkonsums, der mit einer Art von Betäubung einhergeht und somit dem von Lachenmann favorisierten Modell einer reflektierenden Wahrnehmung diametral entgegengesetzt ist, mit der Sphäre populärer Musik.

In einem 1999 erschienenen Interview äußert Lachenmann:

Als Künstler habe ich nicht den geringsten Einfluss auf das politische Geschehen, aber ich habe die Möglichkeit – und die Pflicht –, jener Geistfeindlichkeit entgegenzuwirken und zur Sensibilisierung und zur Hellhörigkeit gegenüber jenen billigen Magien, von denen unsere kulturellen Landschaften vergiftet sind, beizutragen […].246

Der Begriff der ›Magie‹ dient Lachenmann generell als Chiffre für ein Phänomen, das er als gemeinsame Wurzel des europäischen und eines Kunstbegriffs begreift, wie er auf außereuropäische Musik anzuwenden sei.247 In dieser Textstelle begegnet ›Magie‹ in der gleichsam degenerierten Gestalt westlicher ›Unterhaltungsmusik‹, wo sie als bloß mechanisch Produziertes erscheint und damit in Gegensatz zu Kunst als authen­tischem Ausdruck des Subjekts tritt. Die hier als ›billig‹ bewertete Magie steht für die trügerische Idylle, die mit ›Geistfeindlichkeit‹ in Verbindung gebracht und als ein Übel dargestellt wird, dem der*die Künstler*in entgegentreten müsse.

In dem Essay »Kunst in (Un)Sicherheit bringen« folgt 2006 auf eine an Adornos Kulturindustrie-Kritik angelehnte pessimistische Gegenwartsdiagnose die Forderung nach einer klaren Abgrenzung von ›Kunst‹ gegenüber ›Unterhaltung‹, hier als ›Entertainment‹ bezeichnet:

Im öffentlichen Diskurs der Gesellschaft muß der europäische Kunstbegriff – und in ihm der Musikbegriff und der Begriff des Schönen – zur Diskussion gestellt werden. Er muß/sollte in seiner Substanz per Definitionem von dem des Entertainments – übrigens mit allem Respekt, denn nichts gegen dessen Existenzberechtigung – abgegrenzt werden. Nur so kann seine Unverzichtbarkeit bewußtgemacht werden als Medium der Erinnerung des Menschen an die Geistfähigkeit seiner Gattung, ohne die diese in den Untergang taumelt.248

Zwar bringt Lachenmann hier dezidiert Respekt gegenüber dem ›Entertainment‹ zum Ausdruck. Dennoch lässt dessen entschiedene Abgrenzung gegenüber Kunst sowie deren emphatische Beschwörung als für die Menschheit existenzielle Notwendigkeit diese als höherwertig erscheinen. Dabei wird auf ein zentrales Motiv des ästhetischen Diskurses rekurriert, das auch in Schillers Vorstellung von Kunst als Mittel zur »Veredelung des Charakters«249 oder in Schopenhauers Rede von Kunst als Trost, der den Menschen von der Herrschaft des Willens befreie, zum Ausdruck kommt.250

Auf ähnliche Weise argumentiert Lachenmann in dem zwei Jahre später erschienenen Text »›East meets West? West eats meat‹ … oder das Crescendo des Bolero« dafür, den westlichen Kunstbegriff zu konkretisieren und

ihn versuchsweise so zu definieren, dass er sich gegenüber dem abgrenzt, was die Kulturindustrie – durchaus legitim und vermutlich unverzichtbar – nicht nur als ›Entertainment‹, sondern auch überhaupt als Medium einer weit verzweigten Dienstleistung im Hinblick auf kollektive Erbauung, sprich glücksversprechende Ablenkung im Alltag unseres gottverlassenen, weil ›aufgeklärten‹ Daseins anbietet.251

Dass Lachenmann den europäischen Kunstbegriff nicht nur gegenüber dem Begriff des Entertainments abgrenzt, sondern auch gegenüber den Produkten außereuropäischer Musikkulturen, wird ab S. 171 detailliert ausgeführt.252 Hier sei nur festgehalten, dass Lachenmann beide Sphären im Urgrund des Magischen verwurzelt sieht, welcher in der europäischen Kunst jedoch nur als ›gebrochener‹ fortbestehe:

Der emphatisch verstandene europäische Kunstbegriff, so wie er durch unsere Tradition auf uns gekommen ist und wir uns ihm verpflichtet wissen, müsste sich, zumindest provisorisch, bestimmen […] als […] ästhetisch vermittelte, im Namen des sich erkennenden Geistes beschworene und zugleich geistvoll gebrochene Magie […].253

Lachenmanns Betonung seines Respekts vor jenen »weithin eher statisch verharrenden außereuropäischen Kulturen«254, denen er ein ungebrochenes Verweilen im Magischen attestiert, könnte dazu verleiten, diese Abgrenzung als grundsätzlich wertfreie Ausdifferenzierung zu verstehen.255 Dem steht jedoch der Sprachgebrauch des Autors entgegen: So tritt das Wort ›Magie‹, bezogen auf westliche Popularmusik, mehrfach in Verbindung mit dem Adjektiv ›billig‹ auf: »Was wir zum Beispiel in der Techno-Musik erleben, ist als repetitiver Gestus industrialiter fabrizierte Magie und zugleich Idylle, basierend auf dem elementarsten, billigsten Phänomen des Magischen: der Repetition.«256 Der Begriff des industriell Verfertigten kann im ästhetischen Denken durchaus positiv konnotiert sein: Zu denken wäre etwa an den Futurismus oder – wenigstens im Hinblick auf den Aspekt der massenhaften Reproduktion – an Walter Benjamin.257 Für Lachenmann hingegen steht das Repetitive und industriell Verfertigte allerdings (in Übereinstimmung mit Adornos Verwendung des Industriebegriffs im Kontext von Standardisierung und Uniformierung des Denkens und Handelns) im Gegensatz zu einem als organisch verstandenen, authentischen Schaffensvorgang des künstlerischen Subjekts, das sich in der Auseinandersetzung mit dem Material selbst zum Ausdruck bringt und zugleich den im Material beschlossenen latenten Möglichkeiten zur Entfaltung verhilft.258

»Die Ignoranz des Publikums«

Verbunden mit einer überwiegend negativen Bewertung von Popularmusik ist ein abschätziges Urteil über das breite Publikum sowie generell breitere Bevölkerungskreise – ein Zug, der sich durch die Gesamtspanne von Lachenmanns publizistischer Tätigkeit zieht. Dass er auch innerhalb des Soziotops ›neue Musik‹ mit einem Großteil des Publikums nicht übereinstimmt, bringt der Komponist bereits in »Zur Analyse Neuer Musik« zum Ausdruck, wo es über die zunehmend auf tonale Wirkungen setzende Musik der 1960er-Jahre heißt:

Werke wie Anaklasis von Penderecki, Atmosphères von Ligeti und Kagels Sur Scène gaben, jedes auf seine Weise, das Signal zu einer Verharmlosung des avantgardistischen Anspruchs, und damit zu einer Verbrüderung mit jenen Publikumserwartungen, die mitsamt ihrer bürgerlichen Ideologie zu überwinden Avantgarde sich einstmals vorgenommen hatte.259

Das Publikum erscheint hier als Träger*in von Erwartungshaltungen, von dessen ›bürgerlicher Ideologie‹ Lachenmann sich distanziert. In demselben Text wird hinsichtlich der »Regression«260 der zeitgenössischen Musiksprache kritisiert, dass diese »ohne die Ignoranz des Publikums kaum denkbar wäre«261. Verallgemeinernd heißt es hier auch: »Kunst als Reflexion und Überwindung des Verfestigten wird wie eh und je auf die Gleichgültigkeit, Ignoranz und Feindschaft ihrer Umgebung stoßen.«262 Lachenmann stellt somit klar, dass selbst die überschaubare Gruppe des Publikums ›neuer Musik‹ in Summe für die von ihm vertretene ästhetische Position kein Verständnis zeigt.

Der kritische Blick des Komponisten erstreckt sich jedoch nicht nur auf das Publikum, sondern auf die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. So ist in einem 2003 geführten Interview von »[s]ociety’s laziness«263 die Rede, und in einer Leserzuschrift an die Zeitschrift Das Orchester anlässlich des Fusionsplans der beiden SWR-Symphonieorchester schreibt Lachenmann 2012 von der

geistige[n] Verflachung im Bewusstsein einer Gesellschaft, welche im Zuge der Gleichmacherei zwischen dem Wirken solcher Einrichtungen wie der hier gefährdeten Orchester und demjenigen weniger sensibler Einrichtungen, etwa solcher des Sports oder der Unterhaltung, den substanziellen Unterschied zu erkennen weithin unfähig ist […].264

Auf inhaltlicher Ebene insistiert Lachenmann also auf dem fundamentalen Unterschied zwischen Institutionen der Hoch- und solchen der Populärkultur. Auf sprachlicher Ebene suggeriert die Charakterisierung als ›weniger sensibel‹ auch einen geringeren Wert pop- oder alltagskultureller Einrichtungen. Lachenmanns pessimistisches Urteil über ›die Gesellschaft‹ ist indessen wenig verwunderlich, bildet es doch einen zentralen Topos der Kritischen Theorie, in deren Denktradition sich Lachenmann mit solchen Äußerungen einschreibt.

Diesem Verdikt über das breite Publikum steht die auf S. 2 zitierte Forderung nach einem niederschwellig zugänglichen Komponieren scheinbar entgegen. Der Topos einer Allgemeinverständlichkeit von ›neuer Musik‹ ist im Diskurs des Kritischen Komponierens wiederholt anzutreffen und wird im Hinblick auf Lachenmanns Schaffen etwa von Rainer Nonnenmann artikuliert.265 Noch allgemeiner, nämlich auf den Bereich der ›neuen Musik‹ in ihrer Gesamtheit bezogen, wird der Topos von Mathias Spahlinger bedient. Dieser sieht die ›neue Musik‹ von einer radikalen Einfachheit geprägt, deren Ergebnisse von jedem Menschen verstanden und ausgeübt werden könnten: »was diesen aspekt betrifft jedenfalls, ist die neue musik (entgegen ihrem ruf) die am wenigsten elitäre, demokratischste, die internationalste und offenste.«266

Die These einer besonders leichten Verständlichkeit von ›neuer Musik‹ kann hier nicht überprüft werden. Es sei jedoch mit Pierre Bourdieu darauf hingewiesen, dass die Rezeption von Kunst, die mit den etablierten Codes bricht, auf der Fähigkeit zur Suspension der Codes beruht, die ihrerseits im Zuge einer langjährigen engen Vertrautheit mit Kunstwerken der Avantgarde erworben wird: »[D]iese Fähigkeit, alle verfügbaren Codes zugunsten des Werkes selbst zu suspendieren, […] setzt eine vollkommene Beherrschung des Codes der Codes voraus«267. In eine ähnliche Kerbe schlägt Harry Lehmann, wenn er Avantgarde-Kunst als »eine Art von Konzeptkunst« begreift, »in die man vorab eingeweiht sein muss, um sie überhaupt als Kunst identifizieren zu können.«268 Dem Anschein von niederschwelliger Zugänglichkeit zum Trotz ist der Topos der Verständlichkeit auch deswegen problematisch, weil er die sozialen Kontexte unterschlägt, die dem unterschiedlichen Zugang zu neuer Kunstmusik zugrunde liegen. Anzumerken wäre schließlich, dass die Abgrenzung gegenüber der populären Musik im Speziellen und der Populärkultur im Allgemeinen kein Alleinstellungsmerkmal des Kritischen Komponierens darstellt, sondern möglicherweise – so Frank Henschel – für die ›neue Musik‹ insgesamt konstitutiv ist:

Es ist schwer, sich des Eindrucks zu erwehren […], dass sich Neue Musik durch die Abgrenzung von ihrem Konzept der Kulturindustrie – oder einfacher: von der Popmusik – definiert. All das, was populäre Musik auszeichnet und was in breiterem Umfang musikalisch akzeptiert ist, wird von der neuen Musik systematisch negiert.269

Auch Lehmann weist darauf hin, dass das Elitäre grundlegend für das Selbstverständnis der historischen Avantgarde gewesen sei – habe sich diese doch »als kleine Minderheit [verstanden], die an der Spitze einer historischen Bewegung in den Künsten steht.«270 Auch die bei Lachenmann anzutreffende Dialektik von Kommunikationswillen und Hermetik sieht Lehmann als konstitutiv für die Avantgarde in ihrer Gesamtheit, deren ostentativen Kommunikationsbestrebungen das Unverständnis breiter Publikumskreise gegenüberstehe.271

Das diskursive Umfeld

Wie erwähnt ist Lachenmann lediglich eine Stimme innerhalb des Diskurses über das Kritische Komponieren, der den Topos einer Höherwertigkeit von ›neuer Musik‹ und ihres Publikums variiert. So heißt es in Mahnkopfs Kritik der neuen Musik:

Während Literaturexperten davon ausgehen, daß es in Deutschland nur etwa 5000 »wirkliche« Leser gibt, dürfte der Kreis derer, die sachgerecht das Verhältnis von Musik und Ästhetik, also die interne Vermittlung der Musik selbst, verstehen, vielleicht 600 bis 800 Personen umfassen.272

Dass wahres Kunstverständnis, wie die Äußerung impliziert, einer überaus kleinen Gruppe von Menschen vorbehalten ist, geht mit der Annahme einher, der breiten Masse sei in ästhetischen Belangen grundsätzlich zu misstrauen – eine Ansicht, wie sie etwa in Hans-Werner Heisters Annahme zum Tragen kommt, Ablehnung gegenüber der ›neuen Musik‹ sei damit zu erklären, dass »von seiten der Mittelmäßigkeit und des Mainstream Feindschaft gegen was wirklich Neue«273 entwickelt werde. Die unterstellte Inkompetenz der Masse beschränkt sich dabei oft nicht auf den Bereich der ›neuen Musik‹, sondern steigert sich ins Allgemeine: So sieht Max Nyffeler den »Konsumhedonismus der Popmoderne«274 als Ursache für »eine geistig heruntergekommene Gesellschaft, an der mit Harz IV herumgedoktert wird.«275 Angesichts eines solchen Verdikts nimmt es nicht wunder, wenn der Versuch der Annäherung ›neuer Musik‹ an breitere Bevölkerungskreise mit Ablehnung bedacht wird, wie dies – wiederum bei Mahnkopf – geschieht:

Schließlich machte, zumal in Deutschland, eine nachrückende Komponisten­generation lauthals von sich reden, die als »Neue Einfachheit« wieder zur angeblichen Unmittelbarkeit in Form von Publikumsnähe, Emotionalität und Spontaneität in kreativen Dingen zurück wollte. […] Die anhaltende Zersetzung der »neuen« Musik als eines kulturellen Subsystems konnte beginnen.276

Es erstaunt nicht, dass jene Musik, die sich dem allgemeinen Vernehmen nach wie keine zweite am Publikumsgeschmack orientiert – nämlich die populäre Musik –, im beschriebenen Diskurs eine Abwertung erfährt. So schreibt etwa Heinz-Klaus Metzger der ›Unterhaltungsmusik‹ eine zentrale Rolle im zivilisatorischen Niedergang zu: »Das Übel, das Schlechte manifestiert sich im Unterhaltungswesen, in der Kulturindustrie, musikalisch gesehen in der Diktatur des Schalls.«277 Dagegen sei »die neue Musik […] eine Gegenposition zur Unterhaltungsindustrie. Gemeint ist damit aber letztlich eine Alternative zum Weltuntergang«278. Die negative Bewertung des Populären bedingt umgekehrt die heroische Rolle einer ›neuen Musik‹, die in Opposition zur Masse und ihren ästhetischen Vorlieben positioniert werden kann.

Endnoten


  1. Lachenmann, »Werkstatt-Gespräch mit Ursula Stürzbecher«, S. 152.↩︎

  2. Hilberg, »›Nicht hörig, sondern hellhörig‹«, S. 90.↩︎

  3. Ebd.↩︎

  4. Ebd., S. 91.↩︎

  5. Lachenmann, »In Sachen Eisler«, S. 329.↩︎

  6. Der Begriff des ›dialektischen Hörens‹ wird von Lachenmann nicht definiert. In dem Gespräch mit Hannah Birkenkötter bringt Lachenmann das ›dialektische Hören‹ in Zusammenhang mit Adorno. Häufiger tritt das Wort ›dialektisch‹ bei Lachenmann im Kontext des von ihm geprägten Begriffs des ›dialektischen Strukturalismus‹ auf; vgl. Kapitel 4.2.↩︎

  7. Lachenmann, »Herausforderung an das Hören«, S. 356.↩︎

  8. Theodor W. Adorno, »Anleitungen zum Hören neuer Musik«, in: Komposition für den Film (= GS, Bd. 15), Frankfurt a.M. 2003, S. 188-248, hier S. 245.↩︎

  9. Birkenkötter, Das Postmoderne in der Musik Helmut Lachenmanns am Beispiel der »Musik mit Bildern« Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, S. 67-68.↩︎

  10. Helmut Lachenmann, »›… total verformt natürlich‹. Helmut Lachenmann moderiert E- und U-Musik«, in: MusikTexte (2010), Heft 126, S. 90.↩︎

  11. Ebd.↩︎

  12. Ein Vorgehen, von dem sich Lachenmann allerdings andernorts distanziert: »Schönberg im Zeitalter des mutwilligen ›Epatez le bourgeois‹ macht eben nicht bloß Spaß, sondern Ernst«: Helmut Lachenmann, »Präzision und Utopie. Die Musik des Komponisten Mark Andre lässt das Zuhören zum Hören werden«, in: NZfM 169 (2008), Heft 2, S. 14-16, hier S. 14.↩︎

  13. Peter Wulf Hartmann, Kunstlexikon, https://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_503.html (Zugriff am 16. Juli 2019).↩︎

  14. »Die Dissonanzen, die sie schrecken, reden von ihrem eigenen Zustand: einzig darum sind sie ihnen unerträglich. […] Wo sie zu verstehen glauben, nehmen sie bloß noch den toten Abguß dessen wahr, was sie als fraglosen Besitz hüten und was schon verloren ist in dem Augenblick, in dem es zum Besitz wird: […] gleichgültiges Schaustück. […] Der musikalische Zusammenhang, der den Sinn stiftet, bleibt in jeder frühen Beethovensonate dem […] Hörer nicht weniger verborgen als in einem Schönbergquartett, das ihn wenigstens daran gemahnt, daß sein Himmel nicht voll der Geigen hängt, an deren süßem Ton er sich weidet.« Adorno, Philosophie der neuen Musik, S. 18.↩︎

  15. Lachenmann, »›… total verformt natürlich‹«, S. 90.↩︎

  16. Andreas Ballstaedt, »Unterhaltungsmusik« [1998], in: MGG2 Bd. 9, hg. von Ludwig Finscher, Kassel, https://www.mgg-online.com (Zugriff am 31. Oktober 2020), Sp. 1186-1199.↩︎

  17. Lachenmann, »›… total verformt natürlich‹«, S. 90.↩︎

  18. Ebd.↩︎

  19. Lachenmann, »Aufgaben des Fachs Musiktheorie in der Schulmusik-Ausbildung«, S. 359-366.↩︎

  20. Für ausführliche Hinweise zur Studienordnungsdiskussion an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover danke ich Karl-Jürgen Kemmelmeyer, langjähriger Professor am dortigen Institut für Musikpädagogik.↩︎

  21. Lachenmann, »Aufgaben des Fachs Musiktheorie in der Schulmusik-Ausbildung«, S. 361.↩︎

  22. Ebd., S. 359.↩︎

  23. Ebd., S. 362.↩︎

  24. Ebd., S. 359.↩︎

  25. Ebd., S. 362.↩︎

  26. Ob die damals in Hannover gültige Studienordnung für das Fach Schulmusik diese Musikformen berücksichtigte, lässt sich aus heutiger Sicht leider nicht beantworten, da das Hochschularchiv zum Entstehungszeitpunkt dieser Arbeit erst in Planung begriffen war und die entsprechenden Unterlagen daher nicht zugänglich waren.↩︎

  27. An anderen deutschen Musikhochschulen und ‑universitäten (Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin: 2005, Folkwang Universität der Künste: 2013, Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar: 2015) wurden entsprechende Institute bzw. Studiengänge erst in den 2000er-Jahren geschaffen, sofern sie überhaupt existieren.↩︎

  28. Lachenmann, »Aufgaben des Fachs Musiktheorie in der Schulmusik-Ausbildung«, S. 364.↩︎

  29. Ebd., S. 365.↩︎

  30. Ebd., S. 359.↩︎

  31. Ebd., S. 361.↩︎

  32. Ebd., S. 362.↩︎

  33. Vgl. Adorno, Ästhetische Theorie, S. 96-97, 336.↩︎

  34. Lachenmann, »Musik als Abbild vom Menschen«, S. 113.↩︎

  35. Ryan, »Musik als ›Gefahr‹ für das Hören«, S. 14.↩︎

  36. Lachenmann, »›East meets West? West eats meat‹ … oder das Crescendo des Bolero«, S. 94-95.↩︎

  37. Lachenmann, Kunst in (Un)Sicherheit bringen, S. 3.↩︎

  38. Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, S. 33.↩︎

  39. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung. Nach der ersten, von Julius Frauenstädt besorgten Gesamtausgabe neu bearbeitet und herausgegeben von Arthur Hübscher, Mannheim 1988, S. 315-316.↩︎

  40. Lachenmann, »›East meets West? West eats meat‹ … oder das Crescendo des Bolero«, S. 88.↩︎

  41. Ebd., S. 88, 94-95.↩︎

  42. Ebd., S. 94.↩︎

  43. Ebd., S. 88.↩︎

  44. Ebd., S. 90.↩︎

  45. Ebd., S. 95.↩︎

  46. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie, Frankfurt a.M. 1963, passim.↩︎

  47. Angela Keppler, »Ambivalenzen der Kulturindustrie«, in: Adorno-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, hg. von Richard Klein u.a., Stuttgart 22019, S. 307-315, hier S. 308.↩︎

  48. Lachenmann, »Zur Analyse Neuer Musik«, S. 29.↩︎

  49. Ebd., S. 33.↩︎

  50. Ebd.↩︎

  51. Ebd., S. 34.↩︎

  52. Dan Albertson (Hg.), Helmut Lachenmann – Inward Beauty (= Contemporary Music Review, Bd. 23/3-4), Abingdon 2004↩︎

  53. Helmut Lachenmann, »Leserzuschrift zum Fusionsplan der beiden SWR-Sinfonieorchester«, in: Das Orchester 60 (2012), Heft 5, 81.↩︎

  54. Nonnenmann, Angebot durch Verweigerung, S. 55.↩︎

  55. Spahlinger, »politische implikationen des materials der neuen musik«, S. 68.↩︎

  56. Pierre Bourdieu, Alain Darbel, Dominique Schnapper und Stephan Egger, Die Liebe zur Kunst. Europäische Kunstmuseen und ihre Besucher (= Edition discours, Bd. 40), Konstanz 2006, S. 76-77.↩︎

  57. Harry Lehmann, »Elitär – Populär. Über das Entstehen und Vergehen einer kulturellen Leitdifferenz«, in: Populär vs. elitär? Wertvorstellungen und Popularisierungen der Musik heute, hg. von Jörn Peter Hiekel (= Edition Neue Zeitschrift für Musik), Mainz 2013, S. 53-63, hier S. 58.↩︎

  58. Hentschel, Neue Musik in soziologischer Perspektive, S. 13.↩︎

  59. Lehmann, »Elitär – Populär«, S. 56.↩︎

  60. Ebd., S. 58.↩︎

  61. Mahnkopf, Kritik der neuen Musik, S. 23.↩︎

  62. Hanns-Werner Heister, »Neue Musik im 20. Jahrhundert und ihre Feinde«, in: Klang – Raum – Bewegung. 10 Jahre Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik, hg. von Marion Demuth, Wiesbaden u.a. 1996, S. 97-100, hier S. 99.↩︎

  63. Nyffeler, »Himmel und Höhle«, S. 87.↩︎

  64. Ebd., S. 87.↩︎

  65. Mahnkopf, Kritik der neuen Musik, S. 14.↩︎

  66. Heinz-Klaus Metzger, »Adornos ›Philosophie der neuen Musik‹ ein halbes Jahrhundert später«, in: Musik im Dialog I, hg. von Sabine Sanio u.a. (= Jahrbuch der Berliner Gesellschaft für Neue Musik, Bd. 1), Saarbrücken 1998, S. 47-55, hier S. 55.↩︎

  67. Ebd.↩︎