Menschenrechtstag 2021
Aufbruch der Gesellschaft: Die Demokratiebewegung in Belarus
Vortrag von Olga Shparaga, Philosophin und Aktivistin
Anlässlich des Jahrestags der Deklaration der Menschenrechte veranstaltet die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien am 10.12.2021 einen Vortragsabend über die Demokratiebewegung in Belarus.
Inhalt
Im Sommer 2020 hat in Belarus ein gesellschaftlicher Umbruch begonnen, der beispiellos in der neuesten Geschichte dieses Staates ist. Als Reaktion auf das autoritäre Regime und die Ergebnisse der gefälschten Präsidentschaftswahlen gingen Menschen aller sozialen Gruppen generationenübergreifend aus dem ganzen Land auf die Straße. Es wurden gleichzeitig unzählige neue und kreative Formen der Vernetzung, dezentralen Selbstorganisation sowie Zusammenarbeit entwickelt. Als zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure forderten sie freien Wahlen, die Freilassung aller politischen Gefangenen und eine demokratische Zukunft für Belarus.
Frauen haben dabei eine sehr wichtige Rolle gespielt. Ihre Aktivitäten und solidarische Handlungen wurden vor allem im vereinigten Team der Oppositionspolitikerinnen Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo, in den Solidarisierungsketten, Frauenmärschen und gelebter Schwesterlichkeit im Gefängnis verkörpert. Aber nicht nur dort.
Die friedlichen Proteste der Demokratiebewegung, an denen Hunderttausende teilnahmen, dauerten mehr als 200 Tage. Die gesellschaftspolitische Umwälzung ging dabei in ihrer Wirksamkeit weit über eine reine Protestbewegung hinaus. Mehr als 30.000 Bürgerinnen und Bürger wurden seit Beginn der Proteste inhaftiert, Tausende sind ins Ausland geflohen. Aber die Revolution in Belarus geht weiter.
Seit 2018 gestaltet die mdw auf Initiative der Rektorin anlässlich des Jahrestags der Deklaration der Menschenrechte eine Abendveranstaltung zu einer spezifischen Themenstellung. Als internationale Universität mit Studierenden aus über 70 Nationen ist es erklärtes Ziel der mdw, Transkulturalität und eine gelebte Kultur der Gleichbehandlung im Alltag zu verankern. Demokratie, die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Lehre sind als leitende Grundsätze in mdw-Leitbild eingeschrieben.
Programm
- Begrüßung: Ulrike Sych, Rektorin
- Impulsvortrag: Olga Shparaga, Philosophin
- Einleitung und Gespräch: Renata Schmidtkunz, Leiterin der Sendung "Im Gespräch" (Ö1)
- Anschließend Publikumsdiskussion
- Screening des Dokumentarfilms "Courage" von Aliaksei Paluyan (Deutschland, 2021), 90 Min, OmdU
Teilnahme
Eine aktive Teilnahme war über Zoom möglich.
Die Aufzeichnung ist nach der Veranstaltung in der mdwMediathek abrufbar.
Den Film "Courage" konnte nur am Veranstaltungstag im Anschluss an das Publikumsgespräch (ca. 18:30 Uhr Filmstart) über die mdwMediathek angesehen werden.
Über die Teilnehmerinnen
Olga Shparaga
Olga Shparaga
Olga Shparaga, Dr.in phil., Jg. 1974, lehrt Philosophie am European College of Liberal Arts in Minsk (ECLAB), welches sie im Jahr 2014 mitbegründet hat. Sie hat in Minsk und Bochum studiert. Von 2001 bis 2014 unterrichtete sie Philosophie an der Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius, einer belarussischen Hochschule im litauischen Exil. Sie lehrte und forschte an Universitäten und wissenschaftlichen Zentren in Tschechien, Polen, Litauen, Deutschland und den USA.
Von 2006 bis 2014 war sie Redakteurin der intellektuellen Zeitschrift „Novaja Eŭropa“ („Neues Europa“). Sie gehört dem wissenschaftlichen Rat der Zeitschriften Ideology and Politics Journal, The Interlocutor und pARTisan an. Sie ist Autorin von drei Büchern. "Die Gemeinschaft-nach-dem-Holocaust. Unterwegs zur Gesellschaft der Inklusion" (Minsk, ECLAB-books, 2018, auf Russisch) wurde 2018 als das beste philosophische Buch vom Internationalen Kongress der Forscher in Belarus ausgezeichnet. Olga Shparaga ist Co-Redakteurin von sieben Sammelbänden. Juni 2021 erschien ihr Buch „Die Revolution hat ein weibliches Gesicht. Der Fall Belarus" im Suhrkamp Verlag.
Olga Shparaga ist mit Mitglied im Koordinationsrat rund um die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja. Sie ist Mitbegründerin der Fem-Gruppe in diesem Rat und ist auch für Bildungsfragen zuständig. Als Mitglied der feministischen Gruppe wurde sie im Oktober 2020 inhaftiert. Um einem drohenden Strafprozess zu entgehen, floh sie nach Vilnius. Olga Shparaga lebt im Exil und ist derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin.
Aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen
- Pluralist Europe Across borders, or how to counter right-wing and authoritarian populists (18.08.2020)
- New Emancipatory Agenda: Critique of Patriarchy, Non-discrimination, Eco-consciousness, Real Equality and Social Art. In: pARTisanKa, №34, 2020. Pp. 9-17
- Good Universalism. A View From/Of Belarus. In: springerin, - Hefte für Gegenwartskunst, 3/2017, p. 52–55 (in Deutsch)
- Grenzüberschreitungen als gemeinsamer Widerstand gegen Ungerechtigkeit (auch auf English und Russisch verfügbar), Artikel zum Goethe-Institut Projekt „Die Grenze“, Nov. 2017
- Gastlichkeit und postnationale Gemeinschaft in Europa jenseits der EU-Grenzen. In: Perspektiven europaeischer Gastlichkeit. Geschichte – Kulturelle Praktiken – Kritik. Hrsg. von B. Liebsch und M. Staudigl. Velbrück Wissenchsaft, Weilerswist 2016. S. 579-594
© Olga Shparaga, Foto: Ekaterina Rachanskaja
Renata Schmidtkunz
Renata Schmidtkunz
Geboren 1964 in Hattingen/Ruhr. Aufgewachsen in einem evangelischen Pfarrhaus in Niederösterreich, Oberösterreich und Kärnten. Studium der Evangelischen Theologie in Wien und Montpellier/Frankreich. Seit Januar 1990 als Moderatorin, Redakteurin und Dokumentarfilm-Regisseurin beim ORF: erst in der Abteilung Religion im Fernsehen, wo sie zahlreiche, heute noch existierende Sendungen (mit)erfunden, gestaltet und moderiert hat. Zum Beispiel „kreuz und quer“ oder die „Religionen der Welt“.
Von 1990 bis 2012 hat Schmidtkunz auch als Moderatorin und Filmemacherin in der 3sat-Redaktion des ORF gearbeitet. Und ab 1995 parallel dazu im Lieblings-Radio-Sender Ö1: als Moderatorin des „Radiokolleg“, Gestalterin von Beiträgen für das „Journal-Panorama“ und als Gesprächsleiterin bei „Im Gespräch“. Seit Dezember 2013 ist sie für diese Sendung auch verantwortlich. Fünf Jahre lang war sie Gastgeberin der „Mutter aller Talkshows“ im deutschsprachigen Fernsehen, dem „Club 2“ (2008 bis 2012). Ihr Langzeit-Kinodokumentarfilm „Das Weiterleben der Ruth Klüger“ wurde bei der Viennale 2011 uraufgeführt. Ausgezeichnet mit dem Spezialpreis der Romy-Jury 1999, gemeinsam mit Paul Gulda mit dem „Frauenring“ des Österreichischen Frauenrings 2011, dem „Preis der Stadt Wien für Publizistik 2012“ und dem „Axel-Corti-Preis 2014“.
© ORF, Foto: Ursula Hummel-Berg
Vortrag Olga Shparaga: Aufbruch der Gesellschaft: Die Demokratiebewegung in Belarus
Freitag, 10. Dezember 2021, 17.00 bis 18.30 Uhr
mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Fanny Hensel-Saal
Anton-von-Webern Platz 1
1030 Wien