mdw-Inspiratorin und Wegbegleiterin des Saals und zugleich digitale Wissensressource spiel|mach|t|raum im Studienjahr 2023/24

2017 beging die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, die 1817 als Singschule für Buben und Mädchen der Gesellschaft der Musikfreunde gegründet worden war, ihren 200. Geburtstag. Das nahmen Andrea Ellmeier von der Stabstelle für Gleichstellung, Gender Studies und Diversität und Doris Ingrisch, Professorin für Gender Studies am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies, zum Anlass, die Ausstellung zum 100. Frauentag – spiel|mach|t|raum –, die 2011 in der Aula der mdw präsentiert worden war und an der 14 Kolleg_innen des Hauses mitgewirkt hatten, gemeinsam mit Birgit Huebener und alien productions in eine Web- und Wissensressource über Frauen*1 an der mdw von 1817 bis 2017plus zu verwandeln und diese als stetig wachsende Wissensressource weiterzuführen.

Anzumerken ist, dass im Bereich der höchsten künstlerisch-musischen (Aus-)Bildung Mädchen/Frauen im 19. Jahrhundert anders als in der Bildungsinstitution Universität nicht qua Geschlecht ausgeschlossen waren/wurden. Gleichzeitig ist aber darauf hinzuweisen, dass sich seit Beginn des Konservatoriums eine geschlechtertypische Instrumentenwahl von Mädchen/Frauen und Buben/Männern zeigt, die, trotz einiger Veränderungen in ihren Grundzügen bis heute erhalten geblieben ist. Argumentiert wurde sie mit der bürgerlichen Geschlechterideologie, in der von maximal unterschiedlichen/differenten Geschlechtercharakteren von Männern und Frauen ausgegangen wird. Demnach gelten beispielsweise sämtliche Streichinstrumente als weiblich, Blechblasinstrumente wie Trompete, Posaune und Tuba hingegen als männlich konnotiert, was sich bis heute in den Studierendenzahlen dieser Instrumente widerspiegelt.

Das Konzept des realen mdw-Saals und der digitalen Webressource spiel|mach|t|raum sieht vor, dass jährlich eine andere Frau* aus der Geschichte der mdw zur Inspiratorin und Wegbegleiterin für das Studienjahr ernannt und portraitiert wird, um sie auf diese Weise nachhaltig in das Gedächtnis der Institution mdw einzuschreiben. Mit Blick auf alle Künste der mdw begannen wir mit der bekannten Salonnière Fanny von Arnstein, die 1811/12 als Mentorin, Managerin und Kommunikatorin wesentlich zur Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde beigetragen hatte. Danach war die „erste Professorin“ des Konservatoriums – die Gesangslehrerin Anna Fröhlich in einem grundlegenden Text gewürdigt worden. 2020 folgte die 1938 von der mdw vertriebene und 1942 in Maly Trostinec ermordete Pianistin und Klavierlehrerin Erna Kremer. Die erste Tanzprofessorin der mdw – Gertrud Bodenwieser, die 1920 berufen wurde und die auch 1938 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von der mdw vertrieben wurde, war die Inspiratorin und Wegbegleiterin des Studienjahres 2020/21. Um die verschiedenen an der mdw gelehrten Künste sichtbar zu machen, fiel die Entscheidung danach auf die Filmregisseurin Karin Brandauer, die an der Filmakademie Wien studiert hatte.

© Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Theatersammlung, Fotoarchiv Rosemarie Clausen, Signatur: CL 1619, Nr. 4, bearb. mdw

Mit der Schauspielerin Maria Becker (1920 Berlin – 2012 Uster) wurde schließlich für das Studienjahr 2023/24 eine Vertreterin des Theaters ausgewählt, um neben Frauen* aus Musik und Film auch eine Frau* aus dem Bereich des Theaters zu würdigen. Die Bibliothekarin des Max Reinhardt Seminars, Christina Kramer, wurde gebeten eine für sie und den Professor für Dramaturgie und Leiter des Archivs des Max Reinhardt Seminars Peter Roessler wichtige Schauspielerin vorzuschlagen. Sie entschieden sich für Maria Becker, die durch ihr selbstbestimmtes und mutiges Auftreten sowie ihre Haltung überzeugt hatte.

Maria Becker war die Tochter der Schauspielerin Maria Fein, die 1936 mit ihrer Mutter aus Berlin über Prag nach Wien geflohen war, da die nationalsozialistischen Nürnberger Rassengesetze ihrer Mutter die Arbeit als Schauspielerin verboten. In Wien begann Maria Becker 1936, mit erst 16 Jahren, Schauspiel am Max Reinhardt Seminar zu studieren, während ihre Mutter in dieser Zeit vor allem am Volkstheater spielte. Durch den „Anschluss“ Österreichs im März 1938 fand ihr Studium ein jähes Ende und Becker, von den Nazis als „jüdischer Mischling“ klassifiziert, musste erneut flüchten, zunächst nach London, dann weiter nach Zürich. Dort erhielt sie ein Engagement am Zürcher Schauspielhaus und wurde von 1938 bis 1946 ein essenzielles und prägendes Ensemblemitglied des damals wichtigsten antifaschistischen Theaters. Maria Becker war eine außergewöhnliche Schauspielerin, bekannt für ihren Eigensinn, ihre künstlerischen und politischen Überzeugungen, die sie auch dann vertrat, wenn es nicht opportun war. Ihre lange Karriere wird im Beitrag von Christina Kramer im spiel|mach|t|raum nachgezeichnet.

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