Auf Einladung des Alma Rosé Institutes referierte Anmari van der Westhuizen am 15. November 2024 über Südafrikanische zeitgenössische Cellowerke im Einfluss afrikanischer Musik. Nach ihrem Cello-Diplomstudium in Stellenbosch, Südafrika, setzte sie ihre Ausbildung bei Heidi Litschauer am Mozarteum Salzburg und bei Maria Kliegel an der Hochschule für Musik in Köln fort. Neben ihrer solistischen Tätigkeit ist Frau van der Westhuizen Professorin für Violoncello an der Universität des Freistaates in Bloemfontein, Südafrika, wo sie auch die künstlerische Leitung der Odeion School of Music Camerata innehat und dieses Ensemble auch dirigiert. Ebenso ist sie die Leiterin des Odeion String Quartets, dem einzigen Streichquartett Südafrikas.
Anmari van der Westhuizen © IFlair

Frau van der Westhuizen, ihr musikalischer Schwerpunkt als Solistin gilt der zeitgenössischen Cello-Sololiteratur. Wie kam es zu dieser Begeisterung?

AvdW: Als ich in Österreich studierte, spielte ich in sehr vielen Ensembles für zeitgenössische Musik, unter anderem dem Ensemble On Line oder dem Koehne Quartett, und dabei lernte ich sehr viele zeitgenössische Werke kennen und lieben. Meine Begeisterung dafür ist ungebrochen, bis heute beschäftige ich mich mit dieser Literatur, ich vergebe Aufträge für neue Werke für Cello solo und in meinen Konzertprogrammen sind solche Kompositionen immer ein wichtiger Teil.

Auf Ihrer Webseite findet sich ein Katalog mit Cello-Sololiteratur. Wann haben sie mit diesem begonnen?

AvdW: Ja, der Katalog wird laufend aktualisiert. Begonnen habe ich ihn im Rahmen meiner Dissertation über zeitgenössische Cello-Werke. 2024 wurde er um das Auftragswerk Murmurs of Hope erweitert, diese Komposition habe ich bei dem südafrikanischen Komponisten Andile Khumalo in Auftrag gegeben.

Sie haben dieses Werk vor Kurzem in Österreich uraufgeführt. Wodurch zeichnet sich diese Komposition aus?

AvdW: Um diese Frage zu beantworten, möchte ich vorerst ein wenig über Südafrika berichten. Das Land wird bekanntlich als Regenbogen-Nation bezeichnet. Es gibt nicht weniger als elf offizielle Sprachen. Jede dieser Sprachen ist einer eigenständigen kulturellen Gruppe zugeordnet. Die politische Situation meines Landes ist geprägt von der komplexen Geschichte der Kolonisierung, von Apartheit und der dann doch erfolgten Transformation zur Demokratie. Seit dem Zerfall des Apartheit-Regimes in den 1990er-Jahren ist das Land wesentlichen Veränderungen unterworfen. Diese inkludieren leider auch Ungleichheit, Korruption und eine hohe Arbeitslosenrate. Nichtsdestotrotz ist Südafrika das Land mit dem größten politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Afrika. Das unglaublich diverse Musik-Erbe spiegelt das reiche kulturelle Mosaik des Landes wider. Dieses setzt sich aus indigener Musik der verschiedenen afrikanischen ethnischen Gruppen, dem Einfluss der westlichen klassischen Musik während der Kolonialzeit sowie der Ausformung neuer populärer Formen, entstanden aus dem Aufeinandertreffen von afrikanischer Rhythmen mit Jazz, Gospel und Tanzmusik, zusammen. Das stimmungsvolle Stück Murmurs of Hope ist inspiriert von der alten afrikanischen Tradition der Beobachtung der sieben Sterne, einem kollektiven Zeichen, das die Ankunft des Frühlings ankündigt – eine Jahreszeit der Erneuerung und des Wachstums – aber auch ein Versprechen für einen Neuanfang und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Welche anderen afrikanischen Einflüsse bzw. Stilmittel finden sich in den Werken südafrikanischer Komponist_innen?

AvdW: Die südafrikanische Musik entwickelte sich in einem Kontext, in dem Kulturen – afrikanische, europäische und asiatische – aufeinandertrafen, oft unter schwierigen sozialen und politischen Bedingungen. Diese Verschmelzung schuf eine einzigartige musikalische Landschaft und führte zu einer äußerst vielfältigen Musikszene. Nach der Apartheid läutete Südafrika eine neue Ära der Meinungsfreiheit ein. Die klassische Musik, obwohl historisch an die europäische Tradition gebunden, begann, die verschiedenen Stimmen und die unterschiedlichen Geschichten der Nation widerzuspiegeln. Durch die Verschmelzung afrikanischer Folkloreelemente mit europäischen klassischen Strukturen und manchmal auch mit Jazz oder elektronischen Elementen entsteht ein unverwechselbarer südafrikanischer Klang, der nichtsdestotrotz auf einer westlichen, klassischen Musiktradition basiert. Meiner Meinung nach gibt es zwei Hauptrichtungen, die südafrikanische Komponist_innen wählen, um die Interkulturalität ihrer Musik zum Ausdruck zu bringen: Einerseits ist es die Fusion traditioneller afrikanischer Melodien, Rhythmen und Instrumenten mit modernen Musikströmungen, andererseits, wie am Beispiel des Werkes von Andile Khumalo gezeigt, bilden die afrikanische Mythologie und Natur den Hintergrund.

In Ihrem Repertoire sind auch die Kompositionen Mamela Mamela Mamela der in Den Haag lebenden südafrikanischen Komponistin Lise Morrison und Ugubhu von Hans Huyssen. Welche Geschichten verbergen sich hinter den Titeln?

AvdW: Das Stück Mamela Mamela Mamela wurde 2017 ursprünglich für Violine geschrieben und diese Version für Cello wurde speziell für mich von der Komponistin arrangiert. Lise Morrison ist bekannt für ihren minimalistischen Ansatz, der afrikanische Rhythmusmuster mit sparsamen, meditativen Texturen verbindet. „Mamela“ bedeutet „zuhören“ in isiXhosa, einer der offiziellen Amtssprachen in Südafrika. Das Stück beginnt im Rhythmus des gesprochenen Wortes. Ugubhu wiederum ist ein einsaitiges Instrument in Form eines Bogens, welches in der isiZulu-Musik verwendet wird. Es können bis zu drei Töne und dazu drei Obertöne erzeugt werden, damit werden Melodien und Begleitungen gespielt. Hans Huyssen versucht mit seinem Solocellowerk Ugubhu die kulturellen Grenzen zwischen Afrika und Europa zu überschreiten, indem er ein modernes Cello mit dem traditionellen afrikanischen Bogen, dem Ugubhu, in Beziehung setzt.

Notenbeispiel Mamela Mamela Mamela von Lise Morrison mit Widmung an Anmari van der Westhuizen © Lise Morrison

Welchen Stellenwert nimmt Ihrer Ansicht nach das Violoncello in der südafrikanischen Musiklandschaft ein?

AvdW: Das Violoncello, das traditionell mit westlichem Musikrepertoire assoziiert wird, hat in der südafrikanischen Musiklandschaft eine einzigartige, sich immer weiter entwickelnde Stimme gefunden. Die besondere Fähigkeit des Violoncellos eine breite Palette von Texturen zu erzeugen, ermöglicht es, ganz neue Klangwelten zu erforschen. Pentatonische Skalen und melodische Wiederholungen, die in der indigenen afrikanischen Musik üblich sind, werden durch die tonale Bandbreite des Cellos wirkungsvoll ausgedrückt. Komponistinnen und Komponisten haben dieses Instrument eingesetzt, um kulturelle Grenzen zu überbrücken.

In Österreich haben sie zwei Konzerte und einen Vortrag gehalten und dadurch die Musik Ihres Landes als Botschafterin zu uns gebracht.

AvdW: Wenn Musiker_innen und Komponist_innen Werke austauschen, die von ihrem kulturellen Hintergrund beeinflusst sind, eröffnen sie einen Dialog, der über die Sprache hinausgeht und Zuhörerinnen und Zuhörern aus verschiedenen Teilen der Welt neue Perspektiven eröffnet. Dieser Austausch stärkt nicht nur das klassische Genre, sondern auch die Verbindungen zwischen Künstlern und Künstlerinnen und dem Publikum auf der ganzen Welt. Auf diese Weise dient die südafrikanische Solo-Cellomusik als Brücke, die das kulturelle Verständnis und eine tiefere Wertschätzung für die künstlerischen Beiträge des Landes auf der Weltbühne fördert.

 

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