LC # 71  |  Dezember 2021

Die Querflöte zur Zeit der Renaissance

Es gibt etwas zu feiern an der mdw: Das Institut für Alte Musik wurde im Oktober gebührend aus der Taufe gehoben. Dass zum Festakt der Gründung auch das neu erworbene Renaissance-Traversflöten-Consort zu erleben war, gibt Anlass, sich näher mit der entsprechenden Musik und ihrem Instrumentarium zu beschäftigen.

So lädt das Institut für Alte Musik zum unmittelbaren Hören und aktiven Musizieren: Für das Konzert und den Workshop „Renaissance Traverso & Consort“, werden uns die renommierten Künstlerinnen und Expertinnen ihres Faches, Kate Clark und Amanda Markwick beehren. Auch wenn die Veranstaltung aus gegebenem Anlass verschoben werden muss, kann die unbestimmte Wartezeit dank des Angebots der Bibliothek voll ausgeschöpft werden.

Mit ihrem praktischen Leitfaden erleichtern die beiden Musikerinnen nicht nur Flötistinnen und Flötisten den Einstieg ins aktive Musizieren dieser Epoche. Neben den spieltechnischen Grundlagen und den  Besonderheiten, welche die Renaissance-Traversflöten sowohl im Solo- als auch im  Consortspiel mit sich bringen, umreißt ein guter Teil des Buches auf Basis historischer Quellen die wichtigsten theoretischen Grundlagen: Moden, Hexachordlehre, Notationskunde, Verzierungskunst. Neben Hilfestellungen zur Suche von passender Musik werden auch konkrete Musikbeispiele vorgestellt. Die genannten Themen öffnen weite Felder und laden zum Vertiefen ein: Der Umgang mit Mensuralnotation wird (unter anderen) bei Karl Schnürl oder Manfred Hermann Schmid nahegebracht.

Learnig by Doing ist das Mittel der Wahl, um die Kunst der Improvisation im zeitgenössischen Stil zu verinnerlichen: Das sagt uns nicht nur die Sekundärliteratur unserer Zeit zu dem Thema (exemplarisch: Karin Ott, Ulrike Engelke), auch deren historische Bezugspunkte laden mit zahllosen Verzierungs-Patterns zum Ausprobieren ein: Giovanni Battista Bovicelli, Ricardo Rognoni, Giovanni Battista Spadi und viele andere mehr. Es ist in Zeiten von IMSLP eine wahre Wohltat, echtes Papier in den Händen zu halten, und so kann man nach Herzenslust auch hierfür in Faksimile-Ausgaben blättern: Wer einen Blick in Michael Praetorius' Syntagma Musicum oder Marin Mersennes Harmonie Universelle wirft, bekommt dort im großen Universum der Musik auch einen umfangreichen Blick auf die Familien von Instrumenten, auf denen die durchaus vokal gemeinte Musik damals musiziert wurde. Für die Suche nach Noten steht als großes Reich der Lesesaal der Bibliothek zum Stöbern offen: Im Corpus Mensurabilis Musicae, oder in den Gesamtausgaben der alten Meister … Und wenn man zwischendurch wieder digital werden möchte: Über das Universitäts-Internet oder VPN bietet die Naxos Music Library Zugang zum akustisches Erleben: Die beiden Autorinnen sind dort online mit Aufnahmen des Attaignant Consorts zu finden.

Wer die Gelegenheit nicht versäumen will, diese Klänge bei oben genanntem  Workshop und Konzert live zu erleben, dem sei ein Motto ans Herz gelegt, das nicht nur im Consort-Spiel von grundlegender Bedeutung ist: Stay tuned!

(Text: Michael Lind/Studierender am Institut für Alte Musik)

 

 

 

 

LC # 70  |  November 2021

Was ist das denn?

"Auch  Glenn Gould, unser Freund und der wichtigste Kalviervirtuose des Jahrhunderts, ist nur einundfünfzig geworden, dachte ich beim Eintreten in das Gasthaus"

Die ub.mdw verfügt über jede Menge Schätze. Jene Besucherinnen und Besucher, die in den letzten Wochen bei uns waren, haben ziemlich sicher die Plakate erblickt, mit denen wir ein wenig auf unsere Bestände und deren Inhalte hinweisen – Inhalte, die unser Publikum (also Sie) vielleicht in der Form gar nicht vermuten würde. Oder wussten Sie, dass Sie den obigen Text auch bei uns finden. Und wo Sie den finden? Und warum? Und überhaupt …

In unserem Librarian's Choice #70 (ein Jubiläum!) geben wir Ihnen ein wenig Einblick in die wundersame Welt der ub.mdw – vielleicht macht Ihnen dies darüber hinaus auch Appetit auf unsere Services, die wir anbieten: Denn stetig werden es mehr.

Sehen Sie selbst: Willkommen in der Bibliothek!

(Text: FRT/ub.mdw)

 

LC # 69  |  Oktober 2021

„Τι να σου πω, φθινόπωρο…“*

Griechische Klänge an der ub.mdw

*„Was soll ich dir entgegnen, Herbst …“ (Kostas Karyotakis)

Als der griechische Komponist und Musiker Mikis Theodorakis vor ein paar Wochen, am 2. September, im Alter von 96 Jahren verstarb, war wohl außerhalb Griechenlands nur wenigen klar, dass hier nicht nur der Schöpfer des Sirtaki, „Zorbas‘ Dance“, dahingegangen war, sondern auch ein höchst geachteter Komponist klassischer Werke, ob es sich nun um Kammermusik, Symphonisches, Opern, Filmmusik oder Chorwerke handelte. Bei Letzteren verwendete er etwa neben Texten von Pablo Neruda unter anderem auch jene des obgenannten Kostas Karyotakis, eines einflussreichen Erneuerers griechischer Lyrik im 20. Jahrhundert. Geistliche Musik zählte ebenfalls zu Theodorakis‘ Oeuvre, obwohl er zur Religion ein freundliches, gleichwohl gespaltenes Verhältnis an den Tag legte („Gottseidank bin ich Atheist!“). Dass ausgerechnet sein Sirtaki, den Anthony Quinn im Film „Alexis Sorbas“ tanzte, im Grunde eine Nacherzählung des Original-Tanzes war, der dem Hauptdarsteller viel zu kompliziert war und von Theodorakis vereinfacht wurde, stellt letztendlich nur eine Fußnote in einem – auch was politisches Engagement betrifft – reichen Leben dar. Künstlerische Berührungsängste hatte er nie. Aus der Volksmusik schöpfend wagte er sich auch in Experimentelles vor, das zwar nie die Sorbas’sche Breitenwirkung hatte, ihm aber „Fans“ wie Darius Milhaud oder, davor, Hanns Eisler einbrachte.

Theodorakis‘ Werke sind übrigens nicht die einzigen „griechischen“ Werke, die Sie an der ub.mdw finden. Einige der im wahrsten Sinne klingenden Namen gefällig? Da wären:

Iannis Xenakis etwa, der – wie Theodorakis – Unterricht bei Olivier Messiaen nahm, nachdem er 1947 als politischer Flüchtling nach Paris gegangen war, wo er bis zu seinem Tod verweilte, und in seine Musik mathematische, architektonische und philosophische Prinzipien einfließen ließ;

Anestis Logothetis, eigentlich ein griechischstämmiger Österreicher, der in den 1950er Jahren an der Musikhochschule Wien, der späteren mdw, studiert hatte und eine eigene Systematik für graphische Notation entwickelte;

die sich an byzantinischer Melodik orientierende Komponistin Tsoupaki Calliope, die wiederum Kompositionstechnik bei Yannis Ioannidis studiert hatte, wobei dieser sich selbst in der Tradition der Zweiten Wiener Schule verortet;

der aus Salzburg stammende deutsch-griechische Komponist und Pianist Alexis Agrafiotis, der das Fach Komposition bei Erich Urbanner an der mdw belegt hatte;

Periklis Liakakis, der an der mdw Komposition / Musiktheorie lehrt und Musiker sowie Schöpfer einer „very unusual music language“ (T. D. Schlee) ist, die sich durch sämtliche musikalische Gattungen fräst;

und last but definitely not least die Komponistin, Musikpädagogin und Dirigentin Konstantia Gourzi, die nicht nur Erfahrungen als musikalische Leiterin am Theater an der Wien besitzt sondern 2020 auch als erste Dirigentin die Wiener Tonkünstler dirigierte.

Und das ist nur ein Ausschnitt. Zusätzlich zu unseren Beständen empfehlen wir zum Reinhören, wie immer, unsere NAXOS Music Library.

Diesem Herbst wäre somit tatsächlich nichts zu entgegnen …

(Text: FRT/ub.mdw)

LC # 68  |  Juni 2021

Night & Day: Zum 130. Geburtstag von Cole Porter

„While Isis chases Osiris,And Pluto Proserpine,
My doc is chasing my virus,
But nobody's chasing me.“

(Aus: Cole Porter, Nobody's Chasing Me)

Ohne ihn wäre das so genannte Great American Songbook bedeutend ärmer: Cole Porter, geboren am 9. Juni in Peru, Indiana. Er textete und komponierte unzählige Songs, Revuen und Musicals. Jazz- und Swing-Größen wie Ella Fitzgerald, Frank Sinatra, Fred Astaire oder Louis Armstrong machten seine Stücke für alle Zeiten populär. Sogar Nobelpreisträger, Singer/Songwriter und 80-Jahre-Jubilar Bob Dylan oder der letzte Dandy im Musikgeschäft, Bryan Ferry, erwiesen Porter die Ehre. Im ORF-Archiv, das an der ub.mdw aufliegt, findet man ein paar herausragende Arrangements für Bigband.

Porters Stil wird meist als elegant oder mondän beschrieben. Sein Talent als Textdichter äußerte sich in vielen witzigen Zeilen und Wortspielen, die ihm aufgrund ihrer eindeutigen Zweideutigkeiten nicht selten Probleme mit der Zensur einbrachten. Bereits in seinen Jahren am College schrieb er Stücke, der richtige Durchbruch gelang ihm jedoch erst mit „Paris“ 1928. Durch den Einfluss seines Freundes Irving Berlin, der selbst Komponist war, erhielt Porter den Zuschlag für das Musical. Es wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem Riesenerfolg und weitere folgten. „Gay Divorce“ (auch ein großartiger Film mit Traumpaar Ginger Rodgers und Fred Astaire) oder „Anything Goes“ waren gleichsam Tagesgespräch. Der Tod seiner Frau Linda, mit der er seit 1919 trotz seiner Homosexualität verheiratet war, setzte ihm 1954 schwer zu. Porter, der zu dieser Zeit aufgrund eines Reitunfalls auf Krücken ging, verlor jeglichen Lebensmut. Schwere Depressionen kennzeichnen seine letzten Jahre, bis er 1964 in Santa Monica, Kalifornien, starb.

Seine Hinterlassenschaft jedoch ist unsterblich: Night and Day …    

„I could search years
no one else could change my tears
Into laughter, after you.“

(Aus: Cole Porter, After you who)

(Text: FRT/ub.mdw)

LC # 67  |  Mai 2021

Theatre Playground

Everyone has a story
Neil LaBute

Wenn nun also nicht alle Stricke reißen, wird es ab dem 19. Mai neben dem Besuch von Konzertsälen, Kinos und Gastgärten auch möglich sein, endlich wieder ins Theater zu gehen. Zur Vorbereitung, Begleitung und Rückschau (und darüber hinaus) empfehlen wir unbedingt die Bestände der Bibliothek des Max Reinhardt Seminars. Hier finden Sie nicht nur gut abgehangene Klassiker-Ausgaben und Textbücher zeitgenössischer deutschsprachiger Theaterstücke (nebst jeder Menge Sekundärliteratur), sondern seit einiger Zeit auch verstärkt die Werke englischsprachiger Theaterautorinnen und -autoren im Original. Sarah Kane etwa. Oder Caryl Churchill. Martin Crimp. Mark Ravenhill. Phoebe Waller-Bridge, deren „Fleabag“ auch Menschen ein Begriff ist, die eher TV-Serien zugeneigt sind anstatt der Theaterbühne (wobei natürlich auch beides möglich sein soll). Oder eben der oben zitierte Neil LaBute, der schon lange ein begehrter Stückschreiber war, bevor dessen weiblicher Serien-Van Helsing sich nicht nur in die Herzen von Vampirliebhaberinnen und -habern gespielt hat. Und viele mehr – das alles gut abgeschmeckt mit Biografien und Stückbeschreibungen. Selbstverständlich dürfen da auch große Namen wie Harold Pinter, Tennessee Williams oder Samuel Beckett nicht fehlen.

You're allowed to bore your friends and family, but to bore your audience is unforgivable
Phoebe  Waller-Bridge

Langweilen – das wird Ihnen bei all denen garantiert nicht passieren.

(Text: FRT/ub.mdw)

LC # 66  |  April 2021

Licht gestalten

 

„Wenn es langsam dunkel wurde, weil sich der Tag seinem Ende näherte, wollte er unter keinen Umständen, dass jemand das Licht im Raum einschaltet. Das hätte den Genuss zerstört, die Farben dabei zu beobachten, wie sie sich in der Dämmerung verändern. In dieser Atmosphäre fand sein Unterricht statt.“

Diese berührenden Worte fand Hubert Canaval, a.o. Univ.Prof. an der mdw, in seinem Nachruf auf den Regisseur, Autor, Maler, Professor und zeitweiligen Institutsleiter an der Filmakademie Peter Patzak, der Mitte März unerwartet verstorben ist.

Patzak war nicht der einzige an der Filmakademie maßgeblich Tätige, dessen Regie-Stern – auch international – in den Kinos (und auf den Bildschirmen) leuchtete, ob nun als Lehrende*r oder als Studierende*r. Neben Michael Haneke dürfen auch Jessica Hausner, Wolfgang Murnberger, Barbara Albert, der obgenannte Hubert Canaval oder etwa Christian Petzold nicht fehlen, um nur einige zu nennen. Den passenden Lesestoff zur Filmakademie finden Sie bei uns in der ub.mdw.

Wäre doch ein gutes Vorhaben für die Osterfeiertage: Filmakademie-Filmschauen! Einstweilen noch zu Hause … und irgendwann dann auch wieder auf der großen Leinwand! Und …  die Farben dabei zu beobachten, wie sie sich in der Dämmerung verändern.

(Text: FRT/ub.mdw)

 

LC # 65  |  März 2021

Music in words

An einer Universität Musik zu studieren, bedeutet nicht nur, diese zu spielen und aufzuführen. Es heißt auch, Musik zu erforschen, über sie zu recherchieren, zu lesen, zu diskutieren und – nicht zuletzt – zu schreiben. All diese Fertigkeiten gehören zur Technik des wissenschaftlichen Arbeitens, die im Lauf des Studiums erlernt und spätestens beim Verfassen der Abschlussarbeit beherrscht werden soll. Wer die in Seminaren und Übungen bereits kennengelernten Techniken im Selbststudium vertiefen möchte, dem bietet die ub.mdw hierzu eine repräsentative Auswahl an Literatur. Ob es um richtiges Zitieren, wissenschaftliches Formulieren, Hilfe bei Schreibblockaden oder Tipps zu effektivem Lesen geht – im Freihandbereich Bücher/Zeitschriften stehen Ratgeber auf Deutsch und Englisch zu den verschiedensten Themen bereit. Und für alle, die gerade daheim am Laptop sitzen und schreiben, empfiehlt sich ein Blick in unsere E-books.

(Text: FUB, AEH/ub.mdw)

 

LC # 64  |  Jänner 2021

Katzenmusik

Während man neuerdings – in Zeiten von Katzen-Videos und einschlägigen Foren in sozialen Netzwerken – unter "Katzenmusik" angenehme Unterhaltungs- oder Entspannungmusik für Katzen versteht, bezeichnete man damit früher eher so etwas wie organisierten Lärm, also die wenig schmeichelhafte Imitation der Laute von Katzen.
Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens aus dem Jahr 1932 klärt auf (Scan 571 ff.): "Man versteht [unter Katzenmusik] Aufzüge [...] vor das Haus einer vorher bestimmten Person, wo [...] durch Schreien, Johlen, Pfeifen und die mitgebrachten Geräte ein Höllenspektakel  veranstaltet wird."
Auch als Charivari bezeichnet galten derartige Darbietungen meist Personen, denen sittlich abwegiges Verhalten unterstellt wurde (recht ausführlich lässt sich darüber beim Historiker Georg Philipps Über den Ursprung der Katzenmusik aus dem Jahr 1849 nachlesen).

Als Schmähwort für Abweichungen von einer imaginierten Norm war Katzenmusik auch in der etablierten Musikkritik gerne zur Hand. Derart bezeichnete etwa Max Kalbeck das 2. Streichquartett von Arnold Schönberg in seiner Besprechgung der Uraufführung im Neuen Wiener Tagblatt (linke Spalte, unten).

Aber auch als Motiv oder Stilmittel hat die Katze oder die ihr zugeschriebene Lautgebung die Musikgeschichte dauerhaft bereichtert. Etwa im Katzenduett von Gioacchino Rossini oder im Satz "Die Katz" in Heinrich Ignaz Franz Bibers Sonata representativa. Besonders gut zur Geltung kommt der Katzenstil im Arrangement für  Saxophonquartett der Katzenfuge von Domenico Scarlatti oder auch in den Berceuses du chat für Frauenstimme und drei Klarinetten von Igor Stravinsky.

Diese und noch viele weitere Werke der "Katzenmusik" in allen möglichen Besetzungen sind im Notenbestand der ub.mdw zu finden. Nützen Sie auch die Naxos-Music-Library für eine große Auswahl an Tonbeispielen (für die Nutzung der von der ub.mdw lizenzierten elektronischen Services benötigen Sie eine VPN-Verbindung).

(Text:STM/ub.mdw)

Librarian's Choice Archiv

2024 | 2023 | 2022 | 2021 | 2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016 | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 |