Safer und Brave Spaces schaffen

Safer spaces, Schutzräume, spiel(t)en in feministischen Bewegungen als temporäre Rückzugsorte eine wichtige Rolle um sich, möglichst frei von unterdrückenden patriarchalen Machtstrukturen, auszutauschen, Erfahrungen zu teilen, sich zu solidarisieren und gegenseitig zu empowern.

Universitäre Lehr_Lernräume sind nicht frei von gesellschaftlichen Machthierarchien zu denken und zu kontextualisieren. Diversitätsdimensionen (wie Gender, race, Klasse, Ethnizität, u.v.m.) spielen eine prägende Rolle in der eigenen Sozialisation. Zu erkennen, wie sich die persönlichen Werte, Normen oder Erwartungen auf das alltägliche Tun und Handeln (im Unterricht) auswirken und selbstkritisch über Dynamiken der Eigen- und Fremdwahrnehmung zu reflektieren ist wesentlich für die Gestaltung inklusiver, gender- und diversitätssensibler Räume. Es ist zugleich notwendig und Voraussetzung, um verändernd agieren zu können, um respekt- und verantwortungsvoll auf Andere zu zugehen und miteinander in Beziehung zu treten. (um)

Wovor soll der Raum schützen, und was sollen Lehr_Lernräume ermöglichen können?

Es geht um Schutz vor abwertendem, ausschließendem und diskriminierendem Verhalten, das sich beispielsweise in unangenehmen Kommentaren oder Anspielungen, unfairen Beurteilungen, verletzender Sprache oder in abschätzigen Blicken zeigen kann. Und gleichzeitig geht es darum, Möglichkeitsräume zu schaffen, um konstruktiv und kritisch miteinander in Dialog treten und um Differenzen und Unstimmigkeiten aushalten zu können – und darum mutig (brave) zu sein, Themen aufzugreifen und zu diskutieren die an der eigenen Komfortzone rütteln, lernen Konflikte auszutragen, Fehler zu machen (Fehlerfreundlich agieren), und zu intervenieren, wenn es zu Überschreitungen bzw. seelischen Verletzungen im Unterricht kommt. Welche Strategien und Gestaltungsmöglichkeiten es für einen verantwortungsbewussten Umgang mit verletzenden bzw. diskriminierenden Handlungen gibt, zeigt dieses Webtool auf vielseitige Weise. Damit wird ermöglicht, das Bewusstsein zu schärfen, safer und mutiger zu sein und sich gegen Verletzungen und Diskriminierungen zu wehren.  Erfahrungsgemäß werden Personen, die von Sexismus, Rassismus, Klassismus, Ableismus (u.a.) betroffen sind, sich mit ungleich größerer Vorsicht auf mutige Debatten einlassen. Diese ungleichen Positionierungen gilt es in der konkreten Praxis von brave spaces zu berücksichtigen. (um)

Wie kann dies gelingen?

  • Der Aufbau von Vertrauen ist ein notwendiger Aspekt für einen offenen, kritischen Dialog und Umgang miteinander. Vertrauen bedeutet dabei Vertrauen in sich selbst zu haben sowie in meine Kolleg_innen, dass sie achtsam sind mit ihren Worten (Geschlechter- und diversitätssensible Sprache und Bilder wählen) und ihrem Verhalten und aufmerksam im Zuhören; und ein Vertrauen auf ein geteiltes Wissen darüber, dass Privilegien in der Gesellschaft ungleich verteilt sind und nicht alle die gleichen Ausgangsbedingungen und -möglichkeiten oder Zugänge zu Ressourcen (in Bezug auf Bildung, berufliche Positionen etc.) haben.  So sind individuelle Erfahrungen, die beispielsweise im Unterricht geteilt werden, immer auch gesellschaftlich geprägt und als eingebettet in gesellschaftlich gemachte Ungleichverhältnisse zu lesen.
  • Dieses Vertrauen hängt wiederum stark zusammen mit einem weiteren bedeutsamen Gelingensaspekt: ein kollektives Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten. Also ein Vertrauen darauf, dass es die Bereitschaft gibt, Verantwortung zu übernehmen, wenn es zu Verletzungen, Überschreitungen oder diskriminierendem Verhalten kommt – darüber zu sprechen, einzuschreiten und zu überlegen wie damit umgegangen werden kann (accountable spaces).
  • Ein erster, einfacher Schritt in Richtung safer und brave spaces im Kontext gender- und diversitätsreflektierter Lehre, wäre zu Beginn von Lehrveranstaltungen die jeweiligen Ansprüche und Erwartungen an den Lehr_Lern-Raum zu kommunizieren und (je nach verfügbarer Zeit) den Studierenden die Gelegenheit zu geben, die Gruppennormen und Vorstellungen eines safer und brave space mitzugestalten. (um)

Literatur

zum Weiterlesen und Vertiefen

Brian ARAO, Kristi CLEMENS (2013)
From Safe Spaces to Brave Spaces. A New Way to Frame Dialogue Around Diversity and Social Justice. In: Lisa M. Landreman (Hg.): The Art of Effective Facilitation. Refelctions From Social Justice Educators. Sterlin, Virginia, 135–150

bell hooks (2010)
Teaching Critical Thinking. Practical Wisdom. Routledge, New York.

Maya Joleen KOKITS, Mariaon THUSWALD (2015)
gleich sicher? sicher gleich? Konzeptionen (queer) feministischer Schutzräume. In: Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 24(1), 83–93

Hannah Sophie LINDMAIER (2021)
Balancieren zwischen Nähe und Distanz: Drei Perspektiven auf machtsensibles Verhalten im Instrumentalunterricht, in: Üben & Musizieren 1/21, 21–24

Azadê PEŞMEN (2016)
Wishful thinking: Safe spaces. Ist das noch Utopie oder schon Illusion?, in: Missy Magazine