Das Lesen der Tricky Moments kann für Personen mit Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen (Rassismus, Sexismus, Ableismus, etc.) (re-) traumatisierend wirken, da sie Inhalte zu grenzüberschreitenden Äußerungen sowie Handlungen in Lehr_Lernsituationen thematisieren. Der vorliegende Tricky Moment ist eine fiktive Situation, die sich an reale Erfahrungen anlehnt.

Pretty Eyes

Hier geht es um:

Körper
Othering
Rassismus

Situationsbeschreibung

Eine Studierende führt eine Unterrichtseinheit mit Schüler_innen an einem Wiener Gymnasium durch. Drei Mitstudierende sowie die betreuende Lehrkraft der Lehrveranstaltung sind ebenfalls anwesend und beobachten die Lehrpraxis, um im Nachhinein Feedback über das didaktische Tun geben zu können. Während der Unterrichtsstunde folgen die Schüler_innen den Instruktionen der Studentin aufmerksam, können jedoch eine angeleitete Rhythmusübung nicht umsetzen, wodurch für kurze Zeit Unruhe entsteht. Alle weiteren Inhalte, die die Studentin anbietet, werden von den Schüler_innen gut angenommen und umgesetzt.
In einer darauffolgenden Einheit an der Universität reflektieren die Studierenden zusammen mit der Lehrperson über die Schulpraxis. Sie kommen dabei auf die eine weniger gelungene Übung zu sprechen. Bei der Rückfrage der Studentin, wo das Verständnisproblem für die Schüler_innen gelegen sein mochte, antwortet eine Studienkollegin mit den Worten: „Für die Kinder war es halt schwer zu verstehen, weil du so schmale Augen hast.“ Weder die Lehrperson noch die Mitstudierenden reagieren.

Was ist passiert?

Die Situation aus verschiedenen Perspektiven

Das Misslingen der Übung wurde auf ein unveränderbares physisches Merkmal der Studierenden zurückgeführt, das gleichzeitig mit ihrer vermeintlich asiatischen Herkunft assoziiert wird. Dadurch wurde ihr Agieren nicht nur auf ihre Körperlichkeit reduziert, sondern diese auch mit einer Gruppenzugehörigkeit und damit verbundenen Stereotypen verknüpft.

Die Lehrperson reagiert nicht auf die diskriminierende Aussage der Studierenden, weil sie a) den dahinterliegenden Rassismus möglicherweise gar nicht erkannt hat oder b) sie nicht ausreichend vorbereitet ist, auf diese Situation entsprechend zu reagieren. Durch ihr Nicht-Intervenieren, lässt sie die Studierenden im Glauben, dass die rassistische Äußerung zulässig ist.

Die Übung gelingt nicht so, wie die Studierende es sich vorgestellt hat. Das weiß sie selber und hofft auf ein professionelles Feedback, eine mögliche Erklärung, wie sie es das nächste Mal besser/ anders machen könnte.
Nachdem weder die Lehrende noch die Studienkolleg_innen auf die Aussage der Studienkollegin reagieren, fühlt sich die Studierende allein gelassen. Ihr intuitives Gefühl Rassismus erlebt zu haben, wird verstärkt durch die Erfahrung, dass niemand auf die Äußerung reagierte. Sie zweifelt an ihrer eigenen Wahrnehmung.

Auch die beiden Mitstudierenden reagieren nicht auf die Aussage der Studienkollegin. Haben sie den Zusammenhang dieses Kommentars nicht verstanden? Ignorieren sie die Aussage als unqualifiziertes Feedback? Erkennen Sie den rassistischen Gehalt dieser Äußerung nicht, weil sie selbst noch nie davon betroffen waren? Oder sind sie einfach sprachlos?

Die Studienkollegin hat die Studierende als asiatisch gelesen und behauptet, ein körperliches Merkmal stünde mit bestimmten Fähigkeiten in Verbindung. Diese Verknüpfung eines äußerlichen Merkmals mit Fähigkeiten ist eindeutig als rassistische Haltung zu werten.

Was wäre wenn?

Wie würde sich die Situation durch Ihr Handeln verändern?

  • Die Lehrperson erkennt die Diskriminierung im Moment und reagiert sofort darauf. Als Lehrperson trägt sie die Verantwortung, eine respektvolle Lehrveranstaltungsatmosphäre für alle zu ermögliche.
  • Sie reagiert mit einer Rückfrage: „Weißt du, was du da gerade gesagt hast?“ und zeigt auf, dass es sich um eine rassistische Äußerung gehandelt hat.
  • Die Lehrperson bietet den Studierenden an, sich individuell an sie zu wenden, wenn sie über die Situation sprechen wollen.
  • Die Lehrperson kann die Studierenden grundsätzlich darauf hinweisen, sich in solchen Fällen an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG) wenden zu können.
  • Die von Diskriminierung betroffene Studierende weist diese Aussage als rassistisch zurück.
  • Sie holt sich Rückendeckung bei den anderen Mitstudierenden und/oder bei der Lehrperson.
  • Sie weiß von der Möglichkeit sich in solchen Fällen an den Arbeitskreis für gleichbehandlungsfragen (AKG) zu wenden und wird davon Gebrauch machen.
  • Als Beobachtende können Mitstudierende Zivilcourage zeigen und die Aussage der Kollegin empört zurückweisen.
  • Sie können nachfragen, wie die Aussage gemeint war und Widerspruch äußern. Dies schafft die Möglichkeit sich einzumischen, wertend einzugreifen und sich damit hinter die angegriffene Studierende zu stellen.

Welche Begriffe, Konzepte und Vorstellungen spielen hier eine Rolle?

Folgende Begriffsbeschreibungen kommen aus dem Glossar "Diskriminierungskritische Perspektiven an der Schnittstelle Bildung/Kunst".

Kolonisierung, Kolonialismus Kolonisierung, Kolonialismus »Als Kolonialismus wird die staatlich geförderte oder betriebene Besetzung eines Gebietes und die Fremdherrschaft über die dort ansässige Bevölkerung bezeichnet. […] Dabei unterdrückten, versklavten und töteten sie die lokale Bevölkerung und legitimierten dies mit einer rassistischen Ideologie, die ihre angebliche biologische, zivilisatorische und religiöse Überlegenheit behauptete. […] Bis in die 1970er Jahre hinein weigerten sich europäische Regierungen, den kolonisierten Gebieten ihre Unabhängigkeit zuzugestehen. Die Folgen des Kolonialismus sind noch heute spürbar – sowohl in den kolonisierten als auch ehemals kolonisierenden Gesellschaften.« https://diskrit-kubi.net/glossar/#K Siehe mehr zu Kolonialismus hier
Othering / Ver-Anderung »beschreibt den Gebrauch und die Distanzierung von anderen Gruppen, um seine eigene ›Normalität‹ zu bestätigen. Im Deutschen könnte man es mit ›jemanden anders(artig) machen‹ übersetzen. Othering beschreibt den Prozess, sich selbst bzw. sein soziales Bild positiv hervorzuheben, indem mensch eine_n anderen bzw. etwas anderes negativ brandmarkt und als andersartig, das heißt ›fremd‹ klassifiziert. Sei es wegen der (zugeschriebenen) Herkunft, der geographischen Lage, der Ethik, der Umwelt oder der Ideologie. In dieser Differenzierung liegt potenziell hierarchisches und stereotypes Denken, um seine eigene Position zu verbessern und als richtig darzustellen«. Siehe mehr zum Othering-Begriff hier.
Rassismus / rassistische Diskriminierung »Rassismus ist der Prozess, in dem Menschen aufgrund tatsächlicher oder vermeintlicher körperlicher oder kultureller Merkmale (z. B. Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion) als homogene [(gleichartige)] Gruppen konstruiert, hierarchisierend bewertet und ausgegrenzt werden. Der klassische Rassismus behauptet eine Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschengruppen auf Grundlage angeblicher biologischer Unterschiede […] Im Neorassismus wird die Ungleichheit und Ungleichwertigkeit mit angeblichen Unterschieden zwischen ›Kulturen‹ zu begründen versucht. Rassismus ist die Summe aller Verhaltensweisen, Gesetze, Bestimmungen und Anschauungen, die den Prozess der Hierarchisierung und Ausgrenzung unterstützen. Sie beruhen auf ungleichen Mach[t sic!]verhältnissen.« Siehe mehr zum Rassismus-Begriff hier

Was / wie tun?,

Wie kann ich aktiv durch mein Tun zu gelungenen Lehr_Lernsituationen beitragen?

Feedback zu geben und zu bekommen beinhaltet Rechte und Pflichten aller Beteiligten und bedarf einer gemeinsam vereinbarten, verbindlichen Struktur.

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Wenn ich alles richtig mache, lerne ich nichts. Fehler sind die Quelle für Veränderung und notwendig, um zu reflektieren und sich weiter zu entwickeln.

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Menschen denken in Bildern. Worte, die wir hören oder lesen, beeinflussen diese Bilder – umgekehrt beeinflussen wir sie in anderen Menschen durch die Art und Weise, wie wir sprechen oder schreiben.

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Zu erkennen, wie sich die persönlichen Werte, Normen oder Erwartungen auf das alltägliche Tun und Handeln (im Unterricht) auswirken und selbstkritisch über Dynamiken der Eigen- und Fremdwahrnehmung zu reflektieren, ist wesentlich für die Gestaltung inklusiver, gender- und diversitätsreflektierter Räume.

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Wie können wir uns mit den Menschen, mit denen wir studieren und zusammenarbeiten solidarisieren und verbünden?

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Haben Sie so eine Situation auch schon erlebt?

Sie sind nicht allein. Hier können eigene Erfahrungen, selbst erlebte Diskriminierungen oder Fragen zu Handlungsmöglichkeiten direkt an den AKG – Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen geschickt werden. Ihre Informationen werden vertraulich behandelt.

Wenn Sie "ja" anklicken, sind keine Angaben zur Person notwendig und die e-Mail geht anonym mit nicht nachvollziehbarer Mailadresse an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG). Dadurch ist keine weitere Kontaktaufnahme möglich.