Das Lesen der Tricky Moments kann für Personen mit Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen (Rassismus, Sexismus, Ableismus, etc.) (re-) traumatisierend wirken, da sie Inhalte zu grenzüberschreitenden Äußerungen sowie Handlungen in Lehr_Lernsituationen thematisieren. Der vorliegende Tricky Moment ist eine fiktive Situation, die sich an reale Erfahrungen anlehnt.

Kriech mal wie ein Tier am Boden!

Hier geht es um:

Körper
Safer Space
Sexualisierung
Zuschreibung

Situationsbeschreibung

Künstlerischer Einzelunterricht auf der Studiobühne. Ein Professor arbeitet mit einer Studentin an der dramatischen Umsetzung ihrer Rolle für das wichtige Vorsprechen/ Vorspiel im ersten Studienjahr, wo Erstsemestrige zum ersten Mal ihr künstlerisches Können institutsöffentlich präsentieren. Zu Beginn des Semesters hatte der Professor kommuniziert, dass ihre Rolle „nicht den intellektuellen Typ“ verkörpern, sondern „sexy, jung, Vamp“ verkaufen und das ihrem Rollentyp am „Markt“ entsprechen würde.

Am Ende des Studienjahres angelangt, ist diese letzte Einheit vor dem Vorsprechen/ Vorspiel für die Studierende mit großer Aufregung verknüpft. Beim ersten Versuch, das Einstudierte vorzutragen, unterbricht der Professor: „Du bist zu unentspannt. Probier’ doch mal was ganz Anderes. Mach mal vielleicht so als ob du ein Tier wärst und kriech am Boden auf allen Vieren entlang. Ja… sehr gut. Und jetzt finde die Laute dazu, geh über den Atem, wie macht ein Tier? Ja, perfekt. Und jetzt holen wir das Publikum noch rein – komm mal dafür auf mich zu auf allen Vieren und mach die Tierlaute und stell währenddessen Kontakt mit mir her.“

Was ist passiert?

Die Situation aus verschiedenen Perspektiven

Die Beziehungsebene zwischen Professor und Studierender ist vor dem Hintergrund ungleicher und hierarchischer Positionen zueinander zu betrachten. Die Studierende ist bei Fragen der Stil-Entwicklung und Rollengestaltung auf die Lehrperson angewiesen, auch auf deren Bereitschaft, Empfehlungen, Auftrittsmöglichkeiten und Zugang zu Netzwerken zu bekommen.
Aufgrund seiner Position hat der Professor die Entscheidungsmacht darüber, wie der Unterricht gestaltet und welches Repertoire einstudiert wird. Es liegt auch zu einem großen Teil in seiner Hand, der Studierenden eine vertrauens- und respektvolle Zusammenarbeit anzubieten.

Der Professor unterrichtet seit mehreren Jahren und genießt nicht nur an der Universität großes Ansehen, sondern ist auch in seiner eigenen künstlerischen Karriere sehr erfolgreich. Er ist bekannt dafür, alles aus den Studierenden heraus holen zu wollen. Gleichzeitig setzt er sich mit Hilfe seines einflussreichen Netzwerks sehr für sie ein, wenn es um den weiteren Karriereverlauf der Studierenden geht. Gerade bei Erstsemestrigen greift er gerne zu unkonventionellen Übungen, um Grenzen auszuloten.

Die Studierende fühlt sich in diesem Moment stark unter Druck gesetzt. Sie möchte unbedingt entsprechen und sich bestmöglich auf ihre Darstellung der Rolle vorbereiten. Da ihr die Zuteilung zu diesem Professor sehr viel bedeutet, fühlt sie sich ihm stark verpflichtet. Zugleich empfindet sie die Übung verunsichernd, abwertend, grenzüberschreitend und beklemmend. Sie fühlt sich unbehaglich und unfrei und hinterfragt die Intention dieser Übung.

Lehr-Lernsettingsetting

Künstlerischer Einzelunterricht

Das One-to-One-Setting ist ein besonderes Unterrichtsformat mit einem großen Potential für den Fokus auf die individuelle künstlerische Leistung/Entwicklung der Studierenden. Gleichzeitig befinden sich Lehrperson und Studierende_r in machtungleichen Positionierungen. Daher bietet dieses Setting auch Raum für unbeobachtete grenzüberschreitende Handlungen. Das Setting des Einzelunterrichts kann für Studierende zu einem sehr unsicheren und unfreien Ort werden. Übungen, in denen z.B.: Tiere imitiert, am Boden gekrochen, oder mit emotionalem Ausdruck experimentiert… werden soll(en), sind nicht per se abwertend. In einer respektvollen Beziehung zwischen Lehrperson und Studierender_m können z.B.: Imitationsübungen durchaus mit entsprechender Vorbereitung und Vermittlung von Ziel und Zweck eingesetzt werden. Es hängt von vielen Variablen ab, wie eine Unterrichtssituation im Einzel-Setting abläuft und welche Handlungsspielräume offen stehen.

Wichtig ist und bleibt dabei eine respektvolle und transparente Kommunikation und die Möglichkeit Stopp sagen zu können.

Was / wie tun?

Wie kann ich aktiv durch mein Tun zu gelungenen Lehr_Lernsituationen beitragen?

Die Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden ist die Basis pädagogischer Interaktion.

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Feedback zu geben und zu bekommen beinhaltet Rechte und Pflichten aller Beteiligten und bedarf einer gemeinsam vereinbarten, verbindlichen Struktur.

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Menschen denken in Bildern. Worte, die wir hören oder lesen, beeinflussen diese Bilder – umgekehrt beeinflussen wir sie in anderen Menschen durch die Art und Weise, wie wir sprechen oder schreiben.

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Vielfältige Lehr- und Lernmethoden bieten die Möglichkeit, die Lernprozesse von Studierenden in ihrer Individualität und Partikularität zu fördern.

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Räume der Reflexion bieten die Möglichkeit, sich im Sinne eines erkenntnisfördernden Rückblicks mit dem eigenen Verhalten, den Lerninhalten und der Lehr_Lernsituation auseinanderzusetzen.

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Zu erkennen, wie sich die persönlichen Werte, Normen oder Erwartungen auf das alltägliche Tun und Handeln (im Unterricht) auswirken und selbstkritisch über Dynamiken der Eigen- und Fremdwahrnehmung zu reflektieren, ist wesentlich für die Gestaltung inklusiver, gender- und diversitätsreflektierter Räume.

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Wie können wir uns mit den Menschen, mit denen wir studieren und zusammenarbeiten solidarisieren und verbünden?

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Haben Sie so eine Situation auch schon erlebt?

Sie sind nicht allein. Hier können eigene Erfahrungen, selbst erlebte Diskriminierungen oder Fragen zu Handlungsmöglichkeiten direkt an den AKG – Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen geschickt werden. Ihre Informationen werden vertraulich behandelt.

Wenn Sie "ja" anklicken, sind keine Angaben zur Person notwendig und die e-Mail geht anonym mit nicht nachvollziehbarer Mailadresse an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG). Dadurch ist keine weitere Kontaktaufnahme möglich.