Die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, eine der größten Musiklehranstalten Europas und eine der ältesten im deutschsprachigen Raum, (zunächst Konservatorium, dann Akademie, Staatsakademie, Reichshochschule, Akademie, Hochschule und nunmehr Universität) blickt auf ihre Gründung im Jahr 1817 mit 24 Schüler_innen – 12 Knaben und 12 Mädchen – unter der Leitung von Antonio Salieri zurück.
Franziska Vögele Itzig (1758-1818) stammte aus einer reichen jüdischen Berliner Familie und kam durch ihre Heirat mit Nathan Adam Isaac Arnstein nach Wien, wo sie einen bedeutenden Literarischen Salon führte. Diese Tradition setzte auch ihre Tochter, Henrietta Pereira, fort, die wie ihre Mutter Pianistin war und die bedeutende Musiker wie Ludwig van Beethoven, Franz Liszt, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Dichter wie Franz Grillparzer, Adalbert Stifter oder Clemens Brentano zu ihren Gästen zählte. Schließlich ist sie auch Namenspatronin und Großtante der Komponistin Fanny Hensel geb. Mendelssohn, nach der ein Saal in der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien benannt wurde.
Die heutige Universität begann also als eine Schule, in der beide Geschlechter zu gleichen Teilen vertreten waren und in der bald eine weibliche Lehrkraft für Gesang aufgenommen wurde. Es dauerte allerdings fast 80 Jahre, bis eine weibliche Lehrkraft für ein weiteres Unterrichtsfach engagiert wurde. Sogar in den Bereichen Gesang und Schauspiel, in denen aufgrund der system- bzw. fachimmanenten Gleichrangigkeit von Schüler und Schülerin eine höhere Anzahl an weiblichen Lehrenden zu erwarten wäre, herrschte an unserem Hause bis weit in das 20. Jahrhundert ein starkes Ungleichgewicht zwischen vielen weiblichen Studierenden und den wenigen Lehrerinnen. Gerade im Fach Klavier – das seit Anbeginn von weit mehr Schülerinnen als Schülern belegt wurde – fällt der niedrige Anteil an weiblichen Lehrkräften auf. Diese Tendenz setzt sich sogar bis in die heutige Zeit ungebrochen fort, so findet sich am Institut für Konzertfach Klavier der mdw im Jahr 2016 bei einem Studierendenverhältnis von 66% Studentinnen zu 34% Studenten unter den 13 Hauptfach-Professor_innen eine einzige weibliche Lehrkraft (erst seit 2015!). Anders ist es nur in den „klassischen Frauenfächern“ Rhythmische Erziehung und Tanz (ein Fach, das an der mdw bis 1977 unterrichtet wurde).
Erst 1910 übersteigt an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien der Prozentsatz der weiblichen Lehrenden die 10% Marke (bei einem Schülerinnen-Anteil von 53%), 1920 erstmals die 20% Marke, 1972 die 30% und erst 2008 die 40% Marke.
Auch wenn sich das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Lehrkräften in der 200-jährigen Geschichte der mdw immer weiter angenähert hat, dominierten im Jahr 2015 nach wie vor die männlichen Lehrkräfte mit 59% im Verhältnis zu 41% weibliche Lehrkräfte, obwohl zum selben Zeitpunkt 54% der Studierenden weiblich und 46% männlich waren. Und auch diese Zahl spiegelt nicht die ganze Wirklichkeit wider, denn gerade bei den prestigeträchtigen ordentlichen Professuren überwiegen die Männer bei weitem, während Frauen mehrheitlich in weniger angesehenen und schlechter bezahlten Beschäftigungsverhältnissen (und vielfach im Nebenfach) zu finden sind. So hatten von den ordentlichen bzw. Universitäts-Professuren der mdw im Jahr 2015 Frauen nur 26% Prozent inne.
Dabei war die Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde engst mit dem Einsatz einer Frau verbunden: Fanny von Arnstein
Der Jahresbericht des Konservatoriums 1860 nennt unter dem Titel Zur Chronik des Konservatoriums die 1811 gegründete Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen und hebt die Rolle Fanny von Arnsteins als Initiatorin eines Konzerts hervor, bei dem die Gründung eines Musikvereins angeregt wurde. Dies führte 1812 zur Entstehung der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und der dazugehörigen Singschule.
Im Folgenden sollen einige Lehrerinnen vorgestellt werden, entweder, weil sie als erste Frauen in ihren Fächern unterrichteten, oder, weil ihre Biographien und Beschäftigungsverhältnisse politisch interessant sind. (Durch Anklicken der Punkte in untenstehendem Kasten kann der Slider angehalten und die einzelnen Biographien durchgeblättert und gelesen werden.)
Nach der Erstanstellung einer Gesangslehrerin im Jahr 1819 finden sich bis 1895 weibliche Lehrende ausschließlich im Bereich des Gesangs. Und sogar in diesem Bereich sind sie – im Verhältnis zur Anzahl der Schülerinnen – weit in der Unterzahl. Im Bereich des Schauspielunterrichtes fällt der Unterschied zwischen der hohen Anzahl an Schülerinnen und der niedrigen Anzahl an weiblichen Lehrenden sogar noch stärker auf. Unter allen Lehrenden, die im Bereich des Schauspielunterrichtes – in dem etwa gleich viele weibliche wie männliche Schüler_innen am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde inskribiert waren – gab es 27 Männer und lediglich eine Frau.
Die Anfänge des Klavierunterrichts am Konservatorium in Wien gehen auf das Jahr 1832 zurück, damals war es übrigens nur ein Nebenfach. 1856 kam ein zweiter Lehrer hinzu, 1856/57 stieg der Prozentsatz der Klavierschüler_innen am Konservatorium schlagartig von weniger als 10% auf mehr als 20%, im Studienjahr 1870 überschritt die Anzahl der Klavierschüler_innen erstmals die 50% Marke und erreichte ihren Höhepunkt um 1880. Bis 1893 machten die Klavierschüler_innen noch immer mehr als die Hälfte der Studierenden am Wiener Konservatorium aus. Eine Statistik aus dem Studienjahr 1895/96 zeigt 7% Schüler und 93% Schülerinnen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine einzige weibliche Lehrkraft für das Hauptfach Klavier. Auch die 1902 eingeführte Meisterklasse für Klavier wurde überwiegend von Frauen frequentiert. Damit lässt sich das Argument, es gäbe keine qualifizierten Pianistinnen, leicht entkräften.
Das klassische „Frauen“-Instrument im Orchesterbereich ist die Harfe. Sogar die Wiener Philharmoniker, die erst 1997 Frauen die Aufnahme in den Verein Wiener Philharmoniker gestatteten, ließen die Harfe bei ihren Konzertauftritten vor 1997 von einer Frau – wohl mangels eines gleichwertigen männlichen Harfenisten – spielen.
Im Jahr 1951 gab erstmals eine weibliche Lehrkraft Hauptfachunterricht für ein klassisches Orchesterinstrument (außer Harfe) an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien, und zwar für Violine. Dabei hatten die ersten Studentinnen am Konservatorium bereits 1864/65 Violine belegt, vor allem die 1909 gegründete Meisterschule für Violine verzeichnete stets einen hohen Prozentsatz an Schülerinnen.
Am 15. Dezember 1933 erschien ein Bundesgesetz, das die Entlassung verheirateter weiblicher Personen im Bundesdienst vorsah. (BGBl Nr. 545 vom 15.XII.33) 1934 zwang ein Erlass des Ministeriums die Akademieleitung, Hilde Müller-Pernitza mit 28. Februar 1934 zu pensionieren und das Dienstverhältnis mit Stella Wang-Tindl zu lösen. Die Akademie erhob Einspruch, doch das Ministerium blieb hart.
Agnes Bleier-Brody 1979, Gertrud Bodenwieser und der neue Tanz, Wien
Gertrud Bodenwieser 1968, The new dance. Vaucluse, Australien
Shona Dunlop MacTavish 1992, An ecstasy of purpose. Tänzerin, Choreographin, Pädagogin. Aus dem Englischen von Gabriele Haefs, hg. v. Denny Hirschbach, Wien/Sydney
Lynne Heller 1994, Geschichte der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien 1909-1970, Schlussbericht eines Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, unveröffentlichtes Manuskript, 5 Bde.
Miriam Meixner 2016, Luise Walker als Gitarristin und Pädagogin, Bakk. Arbeit, Wien
Lilo Schleicher 1992, Ein jeder Mensch hat seinen Klang. Die Cembalistin Isolde Ahlgrimm in der ORF-Ö1-Hörfunkreihe „Menschenbilder. Die Sendung vom geglückten Leben“ vom 6.12.1992, wiederholt am 20.6.1993. Moderation Sandra Kreisler. Tonträger
Helga Scholz-Michelitsch 2001, Der Nachlass Isolde Ahlgrimm in der Universitätsbibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Wien
Luise Walker 1989, Ein Leben mit der Gitarre. Kindheitserinnerungen, Begegnungen rund um die Gitarre, Konzertreisen, Frankfurt am Main
Peter Watchhorn 2007, Isolde Ahlgrimm. Vienna and the early music revival, Aldershot 2007
Regula Winkelmann / Peter Watchhorn 2016, Die Cembalistin Idolde Ahlgrimm (1914-1995). Eine Wegbereiterin der historischen Aufführungspraxis, Wien/Weimar/KölnBildnachweis
Abb. 1: Theresa Zamara, Foto: Josef Székely, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv Pf 54.003 : C (4), Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14198339
Abb. 2: Fanny von Arnstein als junge Frau, Gemälde von unbekannter Hand, Quelle: Hilde Spiel 1962, Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation. Ein Frauenleben an der Zeitenwende 1758-1818, Frankfurt a. M.
Abb. 3: Anna Fröhlich, Gemälde von Emanuel Peter 1830, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv 83.563 - C , Zitierlink:
http://data.onb.ac.at/rec/baa14198149
Abb. 4: Theresa Zamara, Foto: Josef Székely, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv Pf 54.003 : C (4), Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14198339
Abb. 5: Friederike Singer, Unterschrift, Quelle: mdw_Archiv
Abb. 6: Eugenie Petrasch-Wohlgemuth, Unterschrift, Quelle: mdw_Archiv
Abb. 7: Stella Wang, Foto: Lucca Chmel, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv Lucca Chmel 5823
Abb. 8: Hilde Müller von Elblein, Foto: o.A. (Verlag Mertens, Mai & Cie) um 1910, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv Pf 35.257 : C (1), Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14198325
Abb. 9: Gertrude Bodenwieser, Foto: Löwy, Franz um 1921
Abb. 10: Erna Kremer, Quelle: Kunstnachrichten. Information des Arts. Organ für Musik, Theater, Literatur, Kunst und Wissen, Sondernummer: Festausgabe der Staatsakademie und darstellende Kunst zum Internationalen Musikwettbewerb 1937, redigiert von Ing. Karl Oeschler, [Wien 1937], 34, mdw-Archiv
Abb. 11: Luise Walker, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv 296.064 - C, Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14198071
Abb. 12: Isolde Ahlgrimm, Foto: Albin Kobé, 1934, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv 203.002 - C, Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14197990
Abb. 13: Edith Steinbauer, Ausschnitt aus einem Foto des Steinbauer Quartetts um 1920, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv 405.555 - D, Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14198078
Lynne Heller und Doris Ingrisch, Artikel „erste lehrerinnen | professorinnen des hauses“, in: spiel|mach|t|raum. frauen* an der mdw 1817-2017plus, hg. von Andrea Ellmeier, Birgit Huebener und Doris Ingrisch, mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2017ff.
URL: https://www.mdw.ac.at/spielmachtraum/artikel/erste-lehrerinnen_professorinnen-des-hauses
| zuletzt bearbeitet: 19.11.24